Das Beispiel dürfte geläufig sein: Die Waschmaschine geht kaputt. Oft heißt es dann: am besten eine neue kaufen. Das sei billiger als reparieren.
Aber stimmt das? Naja, kommt darauf an, wie kaputt die Waschmaschine ist – aber übergreifend lässt sich sagen: Wenn die Waschmaschine älter als zehn Jahre ist, lohnen sich aus finanzieller Sicht nur kleinere Reparaturen, die maximal 20 Prozent des Originalpreises kosten. Bei neueren Geräten kann das anders aussehen, aber weil alleine ein Technikerbesuch locker über 80 Euro kosten kann, lohnt sich professionelles Reparieren bei einer alten Waschmaschine häufig nicht, auch wenn es sich für die Umwelt häufig lohnen würde, Dinge zu reparieren.
Eine Waschmaschine verursacht bei Herstellung und Transport immerhin 200 bis 450 Kilogramm CO2. Bei der Entscheidung, ob man etwas repariert oder nicht, ist allerdings fast immer der Kostenvergleich mit dem Neukauf ausschlaggebend. Das hat auch eine aktuelle Studie des Nürnberg Institut für Marktentscheidungen ergeben. Die Deutschen sind der Studie zufolge im internationalen Vergleich übrigens echte "Reparaturmuffel". Vor allem jüngere Menschen und diejenigen mit einem hohen Bildungsabschluss finden Reparieren schlichtweg zu mühselig, so die Studie.

Europa will 18,5 Millionen Tonnen CO2 sparen
Seit den 1930er Jahren kennt man in diesem Zusammenhang auch noch einen weiteren Begriff: geplante Obsoleszenz. Damals wie heute steht der Begriff für die Vermutung, Hersteller würden Produkte absichtlich so konzipieren, dass sie nach einer bestimmten Zeit kaputtgehen. Nachweisen lässt sich das häufig nicht, aber in Anbetracht von Klimawandel und Plastikschwemme scheint der Zeitpunkt für ein Ende der Wegwerfökonomie gekommen. Das zumindest sieht die Europäische Union so und hat nun das "Recht auf Reparatur" eingeführt.
Das ist Teil des European Green Deal, mit dem Europa bis 2050 klimaneutral werden möchte. Und, es ist tatsächlich auch ein ziemlich wichtiger Teil dieser Strategie. Kommt das Recht auf Reparatur, könnte es über die darauffolgenden 15 Jahre 18,5 Millionen Tonnen Treibhausgasemissionen einsparen. Das entspricht den jährlichen Gesamtemissionen von mehr als zwei Millionen Deutschen. Herstellung und Transport neuer Geräte verursachen den größten Teil der Emissionen – diese könnten so gesenkt werden. Dazu kommt noch: weniger Abfall und Elektroschrott. In der EU fallen jährlich 35 Millionen Tonnen Abfall an, ein Großteil davon sind Elektrogeräte. Weniger als 40 Prozent des Elektroschrotts werden recycelt, jeder und jede einzelne von uns verursacht circa 12 Kilogramm pro Jahr – Tendenz steigend.
Einzelhandel und Hersteller werden verantwortlich gemacht
Das Recht auf Reparatur soll in Deutschland Mitte 2026 als Gesetz implementiert werden. Es könnte ein richtiger Gamechanger sein. Und zwar auf mehreren Ebenen.
- Reparatur: In den ersten beiden Jahren nach dem Kauf soll eine kostenlose Reparatur angeboten werden, danach greift für fünf bis zehn Jahre eine Reparaturpflicht des Herstellers – oder des Importeurs bei nicht-EU-Geräten. Diese Reparatur ist nicht kostenlos, soll aber nicht "unangemessen teuer" sein. Ein EU-Formular soll Vergleichbarkeit schaffen. Nach einer Reparatur verlängert sich die gesetzliche Gewährleistung um ein weiteres Jahr.
- Ersatzteile: Hersteller müssen Ersatzteile für bestimmte Produkte mindestens sieben Jahre nach Verkaufsstopp vorhalten. Die Lieferung darf maximal zehn Tage dauern.
- Transparenz: Werkstätten und Nutzende sollen ermächtigt werden, möglichst viel selbst zu reparieren. Dafür bekommen sie Zugang zu Reparaturinformationen und Software, um das Reparieren zu erleichtern.
- Produktdesign: Neue Vorgaben für Produkte legen fest, dass diese einfacher reparierbar sein müssen und etwa langlebigere Akkus (mindestens 800 Ladezyklen) verbaut werden müssen.
Dieser Überblick ist stark zusammengefasst und in der Ausgestaltung könnte das neue Reparaturgesetz in Deutschland in einzelnen Punkten abweichen. Dennoch wird es Hersteller und Einzelhandel künftig dazu verpflichten, sich um ihre kaputten Produkte zu kümmern. Insgesamt ist die EU-Richtlinie deutlich umfangreicher als die meisten freiwilligen Herstellergarantien – und sie setzt auf Reparatur, nicht auf Austausch. Aktuell sprechen finanzielle Gründe häufig gegen eine Reparatur, das wird sich für die Verbraucher zumindest ändern. Die Kosten entstehen dagegen vermehrt beim Hersteller oder im Einzelhandel. Dort ist man dementsprechend nicht sehr angetan vom "Recht auf Reparatur".
Wer soll das alles reparieren?
"Die Hauptbedenken richten sich auf den Mangel an Fachkräften – also darauf, dass man die Nachfrage nach Reparaturen gar nicht bedienen kann", erklärt Ralf Deckers. Er arbeitet am Institut für Markt- und Handelsforschung in Köln und hat eine Studie zur Umsetzung des Rechts auf Reparatur durchgeführt. Keine unabhängige Studie, sondern eine Befragung im Auftrag des Bundesverbands Technik des Einzelhandels und des Versicherers Wertgarantie. Dennoch wirft die Studie einige relevante Fragen auf. 74 Prozent der Fachhändler sagen, dass sie aktuell kein größeres Reparaturvolumen umsetzen können, beim Hersteller sieht es etwas besser aus.
Wer soll das also alles reparieren? Das Recht auf Reparatur setzt hier auch noch auf eine zweite Gruppe: auf uns, die Nutzerinnen und Nutzer. Nur: Wir Privatpersonen scheitern oft beim Reparieren.
Selbst reparieren, aber mit Anleitung
"Gerade durch diese Frusterfahrung ist es manchmal sogar wahrscheinlicher, dass man dann das noch mal versucht. Weil man eben sagt, ich muss da jetzt irgendwie dranbleiben", erklärt die Technik- und Umweltsoziologin Melanie Jaeger-Erben. Ihre These: Wir müssen Reparieren viel stärker in Bildungsangebote integrieren, etwa in der Schule. Außerdem setzt sie, wie auch die Europäische Union, auf Repair-Cafés. Seit 2009 gibt es diese Orte, an denen Ehrenamtliche gemeinsam mit Laien gemeinsam reparieren.
Marius Brauer arbeitet als Projektorganisation im Leipziger Café Kaputt. Der Zulauf für die offenen Sprechstunden des Cafés sei gut, häufig stünden die Leute sogar Schlange. "Wir nehmen da einen hohen Bedarf in der Bevölkerung war", erklärt er. Die Chancen auf eine Reparatur stehen relativ gut: "Wenn die Leute mit ihrem Gerät zum ersten Mal kommen, beträgt der Reparaturerfolg ungefähr 66 Prozent, wenn sie dann noch ein zweites oder drittes Mal kommen, sind wir bei über 80 Prozent."

Für die Besitzerinnen und Besitzer der Geräte entstehen dabei keine Kosten. Nach eigenen Angaben hat das Leipziger Repair-Café jährlich knapp 1400 Produkte repariert und damit seit 2010 schätzungsweise 71 Tonnen CO2-Äquivalente eingespart. Das Projekt wurde 2023 sogar mit dem Deutschen Engagementpreis ausgezeichnet, nun planen Brauer und seine Kollegen, auch in anderen Teilen der Stadt Repair-Cafés stärker zu etablieren. Vom Reparaturgesetz erhofft Brauer sich, dass Reparieren einfacher wird. "Aktuell ist es so, dass man für viele Geräte besondere Schraubenzieher braucht, man muss Klebeverbindungen lösen, das ist für viele Leute schwer umsetzbar."
Die Lösung für das Reparaturproblem der EU werden Repair-Cafés aber höchstwahrscheinlich nicht sein. Schon jetzt sind die Kapazitäten im Café Kaputt gut ausgeschöpft. "Wir müssen da massiv ausbauen, in der Stadtentwicklungsforschung sagen wir, es braucht pro tausend Einwohner mindestens ein Repair-Café oder eine offene Werkstatt", findet die Soziologin Melanie Jaeger-Erben. Dazu kommt aber noch ein weiterer Punkt: "Reparieren ist schon eine zeitintensive Sache. Ein, zwei Stunden Reparaturdauer pro Gerät sind das Minimum", gibt auch Brauer zu. Wer hier repariert, bringt häufig Lust am Basteln und Rätseln mit. Mit Sicherheit auch eine Prise Systemrebellion.
Die meisten Leute wollen das nicht
"Die meisten Leute wollen das nicht", sagt Marktforscher Ralf Deckers: "Die wollen einfach, dass der Kühlschrank funktioniert, und nicht erst in ein Café gehen." Hinzu komme der Sicherheitsaspekt, gerade wenn es um Geräte gehe, die etwa Feuer fangen können. Hier müsse das selbst reparieren aus seiner Sicht aufhören. Demzufolge werden viele kaputte Geräte vermutlich weiterhin nicht selbst repariert werden, sondern wieder bei den Händlern und Herstellern landen.
Werden Neuprodukte teurer?
In Deckerts Studie gaben 62 Prozent der Fachhändler und 37 Prozent der Hersteller an, dass sie davon ausgehen, dass der Preis für Neugeräte künftig steigen wird, um die Reparaturen quer zu finanzieren. Ob das tatsächlich eintreten wird, erfahren wir im Sommer 2026. Neben der Debatte ums Reparieren gäbe es für den Einzelhandel und die Hersteller auch die Möglichkeit, grundsätzlich langlebigere Produkte zu verkaufen. Auch das würde das Reparaturvolumen senken. Und es würde ebenfalls der Sache dienen, für die das Recht auf Reparatur ursprünglich einmal aufgesetzt wurde: dem Klimaschutz.
Links/Studien
Recht auf Reparatur, Studie von Ralf Deckers, IFH Köln
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