Der deutsche Krankenstand bewegt sich auf Rekordniveau. Die Lohnfortzahlung ist für Arbeitgeber ein wachsender Kostenpunkt. Sie drängen auf Entlastung. Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft macht Vorschläge.

Hohe Krankenstände und mehr Beschäftigung haben in Deutschland die Aufwendungen der Arbeitgeber für erkrankte Beschäftigte auf rund 82 Milliarden Euro im Jahr 2024 nach oben getrieben. Binnen drei Jahren seien die Kosten um 10 Milliarden Euro gestiegen, hat das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln ermittelt.

Das IW fasst in seiner Auswertung die Aufwendungen der Arbeitgeber für die weitere Überweisung des Gehalts zusammen. Diese belaufen sich laut Sozialbudget 2024 auf insgesamt 69,1 Milliarden Euro. Hinzu kommt der Arbeitgeberanteil am Sozialversicherungsbeitrag. Diesen gibt das IW mit 13 Milliarden Euro an. Nicht eingerechnet ist die Lohnfortzahlung im Mutterschutz.

IW macht Vorschläge

Laut dem Institut ist Entlastung dringend geboten. Demnach stieg die Summe der Aufwendungen für kranke Beschäftigte seit 2010 um das 2,2-fache, hat sich also mehr als verdoppelt. Jochen Pimpertz, Steuer- und Sozialexperte des IW, weist auf verschiedene Vorschläge hin, um diesen Kostenfaktor zu begrenzen, etwa Karenztage: "Die Gehaltszahlung würde zu Beginn einer Erkrankung für einige Tage ausgesetzt."

Alternativ lassen sich dem IW zufolge Karenzzeiten definieren, in denen das Gehalt auf reduziertem Niveau gezahlt wird. Auch die Dauer der Entgeltfortzahlungsverpflichtung kann begrenzt werden, etwa durch eine Einschränkung bei wechselnden Diagnosen.

Aktuell wird das Gehalt höchstens sechs Wochen im Jahr weitergezahlt - außer bei einer weiteren Krankschreibung aufgrund einer anderen Diagnose. Wird der IW-Vorschlag umgesetzt, könnte der Arbeitgeber die Lohnfortzahlung künftig auch bei wechselnden Diagnosen nach sechs Wochen einstellen.

Was heute gilt

Fehlt ein Arbeitnehmer krankheitsbedingt im Betrieb, verpflichtet das Entgeltfortzahlungsgesetz den Arbeitgeber zur Fortzahlung des Gehalts. Bei länger währenden Ausfällen zahlt die gesetzliche Krankenkasse im Anschluss an die Lohnfortzahlung das Krankengeld. Bis zum Ende der 72. Woche haben langzeiterkrankte Beschäftigte Anspruch auf 70 Prozent des Bruttoentgelts. Das IW sagt, die Arbeitgeberaufwendungen hätten die Ausgaben für das Krankengeld im vergangenen Jahr um das Vierfache übertroffen.

Angetrieben wurde der Kostenanstieg in den vergangenen Jahren laut IW durch Lohnerhöhungen und wachsende Beschäftigung. "Zudem ist aber der Krankenstand seit rund zwei Jahrzehnten kontinuierlich gestiegen", sagt das Institut. Als naheliegend beschreibt er, dass die Ausfallzeiten mit der Alterung der Belegschaften steigen.

Krankenstand auf Rekordniveau

Im ersten Halbjahr waren Beschäftigte in Deutschland laut DAK im Schnitt 9,5 Tage krankgeschrieben. Dies ist ein leichter Rückgang nach durchschnittlich 9,6 Fehltagen in den ersten sechs Monaten 2024. Im ersten Halbjahr 2019 gab es noch 7,8 Tage Fehltage. Erkältungskrankheiten sind die häufigste Diagnose gefolgt von psychischen Erkrankungen wie Depressionen.

Insgesamt lag der Krankenstand in den ersten sechs Monaten bei 5,4 Prozent und damit leicht unter dem Vorjahreswert (5,7 Prozent). An jedem Tag zwischen Januar und Juni waren damit im Durchschnitt 54 von 1000 bei der Kasse versicherte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern krankgeschrieben. Damit liegt die Rate weiterhin merklich über den Werten vor der Corona-Pandemie.

Entlastung gefordert

Die deutschen Arbeitgeber drängen die Politik daher, sie bei der Lohnfortzahlung zu entlasten. Sie werfen ihren Beschäftigten das Krankfeiern vor und kritisieren ungerechtfertigte Krankschreibungen durch Arztpraxen und Onlineanbieter. Telefonische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen müssten vollständig abgeschafft und die Lohnfortzahlung auf maximal sechs Wochen im Kalenderjahr begrenzt werden, sagte der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Rainer Dulger.

Die Forderung von Allianz-Chef Oliver Bäte geht darüber hinaus: Er plädiert für die Wiedereinführung des Karenztages. Der legt fest, dass Arbeitnehmer die Kosten für den ersten Krankheitstag selbst tragen.

Trugschluss der Arbeitgeber?

Arbeitsmarkt-Experten und Krankenkassen warnen angesichts der hohen Krankheitszahlen jedoch vor einem Trugschluss. Sie verweisen darauf, dass ein neues Meldesystem eingeführt wurde: Seit 2022 gibt es statt eines gelben Zettels als Krankschreibung die elektronische Krankschreibung. Diese leiten die Arbeitgeber automatisch an die Krankenkassen weiter, das war vorher freiwillig. Damit sind die registrierten Fehltage laut DAK auf einen Schlag um fast 40 Prozent angestiegen, sagt die DAK.

Jetzt würden Krankschreibungen zu 100 Prozent erfasst, sagt Ärztepräsident Klaus Reinhardt. Früher seien viele durchgerutscht.

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