Zu teuer, zu wenig nachgefragt - die Hoffnung auf klimaneutralen Wasserstoff schwindet zunehmend. Nur ein Bruchteil der in der EU geplanten Projekte dürfte in diesem Jahrzehnt umgesetzt werden. Das Erreichen der Klimaziele rückt damit immer weiter in die Ferne.

Die Euphorie um grünen Wasserstoff als Hoffnungsträger der Energiewende weicht weltweit der Ernüchterung. Angesichts vielfach unerwartet großer Herausforderungen streicht die Energiebranche hochfliegende Projekte und kürzt Investitionen. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass klimaschädliche fossile Brennstoffe noch länger dominieren als bisher geplant. Selbst Branchen wie Stahl und Verkehr, die als ideale Abnehmer galten, müssen feststellen, dass der Umstieg auf den klimaneutralen Brennstoff derzeit unbezahlbar erscheint.

Grüner Wasserstoff wird mittels Elektrolyse hergestellt. Mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen wird Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten. Dass dies sehr energieintensiv ist, soll angesichts der unbegrenzten Verfügbarkeit von Sonne und Wind keine Rolle spielen - zumindest in der Theorie. Weil bei diesem Prozess keine klimaschädlichen Gase entstehen, gilt so erzeugter Wasserstoff als "grün".

Im Gegensatz dazu wird sogenannter "grauer" Wasserstoff aus Erdgas und Kohle gewonnen. Das ist zwar billiger, setzt aber erhebliche Mengen an klimaschädlichem Kohlendioxid (CO2) frei. Die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit in Europa zeigt das Ausmaß der Neuorientierung. Nur etwa ein Fünftel der in der EU geplanten Wasserstoffprojekte dürfte bis zum Ende des Jahrzehnts tatsächlich in Betrieb gehen, wie das Forschungsunternehmen Westwood Global Energy schätzt. Dies entspreche einer Produktionskapazität von rund zwölf Gigawatt (GW) gegenüber einem EU-Ziel von 40 GW. "So wie die Dinge stehen, erwarte ich nicht, dass das EU-Ziel für 2030 erreicht wird", sagte Jun Sasamura, Wasserstoff-Manager bei Westwood.

"Tal der Enttäuschungen"

Unternehmen verweisen auf hohe Kosten und eine fehlende Nachfrage, was viele Pläne unrentabel mache. "Grüner Wasserstoff war eine überzogene Erwartung, die sich in ein Tal der Enttäuschungen verwandelt hat", sagt der Chef des portugiesischen Energiekonzerns EDP, Miguel Stilwell d'Andrade. "Was fehlt, ist die Nachfrage. In Spanien und Portugal gibt es Subventionen von 400 Millionen Euro für Wasserstoff. Aber wir brauchen jemanden, der den Wasserstoff auch kauft." Sein Unternehmen sowie der spanische Konkurrent Iberdrola haben nach eigenen Angaben Projekte auf Eis gelegt, da es an Abnehmern fehle.

Die Produktion von grünem Wasserstoff ist nach wie vor deutlich teurer als traditionelle Alternativen. Ein Beispiel aus Deutschland verdeutlicht das Problem: Die Schmiede Dirostahl im Bergischen Land könne grünen Wasserstoff für nicht weniger als 150 Euro je Megawattstunde (MWh) beziehen, während Erdgas nur 30 bis 35 Euro koste, erklärt Geschäftsführer Roman Diederichs. "Man will es vielleicht nicht wirtschaftlichen Selbstmord nennen, aber in der Praxis wäre es genau das." Analysten gehen davon aus, dass grüner Wasserstoff nicht vor 2035 bis 2040 wettbewerbsfähig sein wird.

Ein weiteres Problem ist die fehlende Infrastruktur. Wasserstoff ist schwer zu lagern und zu transportieren, da er Hochdrucktanks oder extrem niedrige Temperaturen benötigt und aus alten Gaspipelines leicht entweicht. Spanien hofft, bis etwa 2030 ein betriebsbereites Netz zu haben, für die europäische Infrastruktur seien allerdings Verzögerungen von zwei bis drei Jahren wahrscheinlich, sagte Arturo Gonzalo, Chef des spanischen Gasnetzbetreibers Enagas. "Infrastruktur entsteht nicht erst, wenn der Markt bereits läuft. Sie muss entstehen, damit der Markt überhaupt erst ins Laufen kommt."

Die Folge ist, dass auch Regierungen ihre Ambitionen zurückschrauben. Italien hat kürzlich mehr als 600 Millionen Euro aus Fonds zur Linderung der Folgen der Corona-Pandemie umgeschichtet - von Wasserstoff auf Biomethan. Frankreich senkte sein Elektrolyse-Ziel für 2030 um mehr als 30 Prozent. Portugal reduzierte seine Pläne um 45 Prozent. Die Niederlande kürzten Mittel für Wasserstoffprojekte ebenfalls und wollen sich auf den Bau zweier neuer Atomkraftwerke konzentrieren. Auch in Australien wurden trotz staatlicher Förderzusagen in Milliardenhöhe Projekte zurückgefahren oder aufgegeben.

Selbst wenn man die Produktionskapazitäten für grünen und nicht ganz so klimaschonend hergestellten Wasserstoff zusammenrechnet, ist die Differenz zwischen Wunsch und Wirklichkeit enorm. Nach Angaben des Beratungsunternehmens Wood Mackenzie sind weltweit Anlagen mit einer jährlichen Produktionskapazität von klimaschonendem Wasserstoff von nur sechs Millionen Tonnen in Betrieb oder im Bau. Dies liegt weit unter den 450 Millionen Tonnen, die nach Einschätzung der Berater notwendig wären, um das globale Ziel von Netto-Null-Treibhausgasemissionen bis 2050 zu erreichen.

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke