- In Mitteldeutschland haben im vergangenen Jahr mehr als 16.000 Unternehmen geschlossen – so viele wie seit zehn Jahren nicht mehr.
- Viele kleine Unternehmen müssen schließen, weil ihnen Rücklagen für Krisenzeiten fehlen oder sie keine Unternehmensnachfolger finden.
- Hoffnung macht, dass die Bundesregierung Bürokratie abbauen will und sich die Wirtschaftslage langsam zu wieder zu verbessern scheint.
Es war einmal das älteste Weingeschäft Sachsens: F.G. Francke in Bischofswerda. Gegründet 1795, stets in Familienhand. Ein Laden für Weine und Schnäpse, die aber immer seltener getrunken werden. Ein Laden in zentraler Lage, der sich gegen immer mehr Onlinehändler behaupten musste. Ein Laden, dessen Miete zuletzt rasant steigen sollte – und den Fanny Francke, Ur-Ur-Urenkelin des Gründers, schließlich vor einem Jahr zusperrte.
"Mir ist das sehr schwer gefallen", sagt Francke. "Ich habe es eigentlich aus den bekannten Gründen aufgegeben. Also wir haben tatsächlich höhere Strom- und Gaspreise gehabt. Dann kam eben die Inflation dazu, sodass auch der Weineinkauf oder die Spirituosen teurer geworden sind. Ich habe dann am Schluss auch vieles alleine gemacht und gemerkt, dass ich als Ein-Mann-Unternehmen an meine Grenzen komme."
Zahl der Firmenschließungen in Mitteldeutschland auf Zehn-Jahres-Hoch
An ihre Grenzen stoßen auch immer mehr andere Unternehmer – und geben auf. Neue Zahlen gibt es von der Auskunftei Creditreform aus einer Zusammenarbeit mit dem Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung. Demnach haben in Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt im vergangenen Jahr mehr als 16.300 Unternehmen geschlossen – so viele wie seit zehn Jahren nicht mehr.
Die Unternehmer haben wirtschaftlich keine Perspektive, die Unternehmen fortzuführen.
Doch nur ein kleiner Teil davon war insolvent, sagt Thomas Schulz von Creditreform Dresden: "Wir haben in Mitteldeutschland insgesamt nur einen Anteil von zwölf Prozent Insolvenzen an den gesamten Unternehmensschließungen. Meistens erleben wir wirklich, dass Unternehmen sozusagen sauber geschlossen werden, dass alles abgewickelt wird und es nicht unbedingt in der Insolvenz mündet. Aber die Unternehmer haben halt wirtschaftlich keine Perspektive, die Unternehmen fortzuführen."
Potenzielle Nachfolger für Unternehmen von Bürokratie abgeschreckt
Schulz sagt, in Mitteldeutschland sei die Wirtschaft besonders kleinteilig. Fast 90 Prozent aller Firmen machten weniger als eine halbe Million Euro Umsatz. Gerade diesen Betrieben fehle es in Krisenzeiten an Reserven. Und selbst bei gesunden Unternehmen stelle sich oft die Frage: Wer macht weiter, wenn der Eigentümer in Ruhestand geht?
Volker Lux von der Handwerkskammer zu Leipzig bestätigt: Ein wachsender Teil an Unternehmen finde keinen Nachfolger und verschwinde so vom Markt. Doch warum will keiner die Betriebe übernehmen? "Da gibt es einen Grund: Und der heißt aus meiner Sicht Mutlosigkeit. Wir haben im Februar des vergangenen Jahres eine Umfrage gemacht mit allen Meisterabsolventen deutschlandweit, die sich erfolgreich einer Meisterprüfung unterzogen haben. Dort waren mehr als zwei Drittel nicht bereit, das Thema Selbständigkeit ins Kalkül zu ziehen – und alle aus demselben Grund: Weil sie Angst davor haben, der ausufernden Bürokratie nicht mehr Herr zu werden."
Politik verspricht Bürokratieabbau
Die Bundesregierung hat versprochen: Das mit der Bürokratie soll besser werden. Und auch die Wirtschaftslage scheint sich zu erholen.
Für Fanny Francke, Ex-Weinhändlerin und studierte Germanistin, ist das Thema Selbständigkeit aber vorbei. "Heute bin ich Lehrerin im Seiteneinstieg am Gymnasium und unterrichte das Fach Deutsch." Es mache ihr sehr viel Spaß, mit den Kindern zusammenzuarbeiten. "Also der Lehrerberuf ist sehr anstrengend, aber was Lehrer hält, ist tatsächlich die Arbeit mit den Kindern."
Und so endet die Geschichte von Sachsens ältestem Weingeschäft nach 229 Jahren. Böse Zungen sagen: Jetzt kann man sich in Bischofswerda die Lage nicht einmal mehr schöntrinken. Aber vielleicht muss man das auch nicht. Nüchtern betrachtet geht es nach jeder Wirtschaftskrise wieder aufwärts – wenn die Rahmenbedingungen stimmen.
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