Nur kurz ist die Stadtbrücke über die Oder; sie verbindet Frankfurt in Ostdeutschland und Slubice in Westpolen. Als Polen 2004 zur EU stiess, fiel man sich hier zu den Klängen der Europahymne in die Arme. Als 2007 auch die Grenzen fielen, war das der Beginn eines Zusammenwachsens.
Längst ist die Stadtbrücke eine gemeinsame Lebensader. Doch die Grenzkontrollen bremsen den Alltag oft stundenlang aus. Das betrifft täglich über 10’000 Pendlerinnen und Pendler, die drüben zur Arbeit gehen, Freunde besuchen oder Waren rübertransportieren.
Besonders trifft es die vielen internationalen Studierenden der Europa-Universität Viadrina. Ein deutsch-polnischer Bus bringt sie zu den Veranstaltungen auf beiden Seiten.
Das ist für uns und für die Botschaft, die wir an die Studierenden und darüber hinaus senden wollen, ein echter Rückschritt.
Gerade zu Beginn der deutschen Grenzkontrollen 2023 wurden die jungen Leute dauernd kontrolliert. Sie kommen zu spät. «Das ist ein unangenehmes Gefühl», schliesslich «sind sie hier hingekommen mit dem Versprechen, dass sie in einen offenen europäischen Grenzraum kommen», beklagt Janine Nuyken, von der Europa-Universität Viadrina. «Das ist für uns und für die Botschaft, die wir an die Studierenden und im Weiteren senden wollen, ein echter Rückschritt.»

«Für mich braucht es diese Grenzkontrollen nicht», sagt Claus Junghanns. Er ist CDU-Bürgermeister in Frankfurt (Oder). «Natürlich macht es was mit den Menschen, wenn es hier Kontrollen gibt, die es jahrelang nicht gab». Diese Einschränkungen seien eine echte Hypothek für die Doppelstadt.
Neben dem kulturellen und wirtschaftlichen Austausch arbeiten Frankfurt und Slubice in der Verwaltung teilweise zusammen und teilen ein Fernwärmesystem. Beide Seiten versuchten seit Monaten auf die deutsche und die polnische Regierung einzuwirken, um die Einschränkungen gering zu halten.

Auf dem sogenannten Polenmarkt kaufen viele Deutsche günstige Ware, von Haushaltsgerät bis Pornofilm. Doch nun kommen weniger Leute. «Wenn man hier 5 Stunden an der Grenze warten muss, ist das ganz, ganz schlecht», sagt Händler Tomasz.
Die Deutschen haben ohnehin weniger Geld zur Verfügung. Das polnische Gewerbe beziffere den Ausfall durch die Grenzkontrollen auf 10 bis 20 Prozent, sagt der stellvertretende Bürgermeister von Slubice, Tomasz Stefanski.

Im Rathaus von Slubice erzählt er, dass seine deutschen Freunde empört seien über die polnischen Grenzkontrollen. Er erwidere ihnen: «Ihr habt doch die Kontrollen schon 2023 eingeführt. Das ist kein Revanchismus, aber man muss verstehen, dass Polen das auch darf.» Sowohl die Regierung in Berlin als auch jene in Warschau stünden in der Migrationspolitik unter Druck der rechtskonservativen Opposition. Selbsternannte polnische Grenzwächter, die gegen Immigration Stimmung machen, erhöhen diesen Druck.

«Die Hälfte Polens glaubt jetzt, die Deutschen schicken Busse voller illegaler Migranten über die Grenze und machen massive Zurückweisungen, was natürlich nicht stimmt», sagt Tomasz Stefanski. Ihn frustrieren die Kontrollen. «Schengen wird hoffentlich nicht sterben. Ich bin überzeugt, dass das gelöst wird. Wir haben uns 2007 so sehr gefreut, dass wir ohne Papiere rüber durften, ich hoffe, das bleibt so.»
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