Hoch konzentriert klammert sich der Fraktionsvorsitzende der niederländischen Mitte-Partei NSC anlässlich einer turbulenten Parlamentsdebatte letzte Woche am Rednerpult an sein Skript.

Es ist offensichtlich, dass Diederik Boomsma Mühe hat, eine nachvollziehbare Begründung vorzutragen, warum seine Partei dieser Verschärfung des Asylrechts zustimmen will.

Legende: Die Verschärfungen im Asylrecht sind ein Geschenk an Geert Wilders ausländerfeindliche Partei. Keystone/Peter Dejong

Natürlich werde seine Partei nicht für die Bestrafung von Personen stimmen, die Asylsuchende unterstützen. Das könne in diesem Fall aber abgewendet werden. «Heuchler», ruft jemand aus dem Plenarsaal.

Asylbehörden warnen vor Verschärfungen

Tatsächlich stimmte eine Mehrheit der grossen Parlamentskammer aber genau dem zu: Strafbar machen sich künftig alle, die ohne gültige Papiere im Land leben, aber auch jene, die Menschen ohne gültige Papiere Hilfe gewähren, etwa ein Mittagessen servieren oder sie dabei unterstützen, einen Asylantrag korrekt zu formulieren.

Staatsrechtlerinnen, sogar Asylbehörden warnen vor diesen Verschärfungen, weil sie gegen niederländische Grundrechte und europäische Vorschriften verstiessen. Die niederländische Polizei befürchtet zwischen die Fronten zu geraten: Ihr Auftrag sei es bekanntlich, allen Menschen zu helfen, ohne zu prüfen, ob sie gültige Papiere besitzen. 

Geschenk an Wilders Partei

Die Verschärfungen im Asylrecht sind ein Geschenk an Geert Wilders ausländerfeindliche Partei. Das Versprechen der «Partei für die Freiheit» ist seit jeher, dass die Niederlande das strengste Asylrecht aller Zeiten erhalten. So wurde sie zur stärksten politischen Kraft bei den letzten Wahlen.

Allerdings: Ohne auf die Abstimmung im Parlament zu warten, hatte Wilders die Regierungskoalition platzen lassen, vor einem Monat. Einfach so.

Alle Parteien in der Noch-Regierungskoalition spielen das Spiel von Wilders wider besseres Wissen mit – bis zu den Neuwahlen im Oktober. Denn beschlossen ist im Grunde eigentlich noch gar nichts.

«Amateurismus und Chaos»

Die kleinere Regionalkammer müsste dem neuen Asylgesetz wahrscheinlich erst nach den Wahlen im Oktober zustimmen. Ausgang ungewiss, weil dort Wilders Partei wenig zu sagen hat.

Ungewiss auch, welche Mehrheiten die Wahlen im Oktober hervorbringen. Die Regierungsparteien werden im Wahlkampf aber vorgaukeln können, sie hätten für Verschärfungen im Asylrecht gesorgt. Ob das Wilders politisch schwächt, wie sie kalkulieren, ist freilich ungewiss.

Legende: Henri Bontenbal geht mit der aktuellen Regierungskoalition hart ins Gericht. Reuters/Piroschka van de Wouw

«Amateurismus und Chaos» – mehr habe diese Regierungskoalition nicht zustande gebracht. Das sagt der Parteichef der traditionsreichen Christ-Demokraten, Henri Bontenbal, nach der Abstimmung im Parlament.

Seine CDA war dort lange Zeit eine bestimmende Regierungspartei. Bei den letzten Wahlen verlor sie aber fast alle Sitze an die NSC, die einen neuen Wind ohne faule Kompromisse in der niederländischen Politik tragen wollte.

Alte Zeiten werden gewünscht

Nun schlägt das Pendel zurück, sagen Umfragen voraus. Nach den Erfahrungen mit der Regierungsbeteiligung von Geert Wilders wünschen sich viele Wähler die guten alten Zeiten der niederländischen Politik zurück. Da dominierten Realpolitik und breite abgestützte Kompromisse von Mitte links bis Mitte rechts.

Ein solcher Wind könnte nach den Wahlen im Herbst wieder in die niederländische Politik zurückkehren. Aber erst nach der Aufregung in der Sommerhitze.

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