Gluthitze, Waldbrände und Monster-Regen wie in dieser Woche könnten bald zum systemischen Finanzrisiko werden. Extremwetter macht ganze Regionen unbewohnbar - und Häuser zu unversicherbaren Schrottimmobilien. Mit Steuermilliarden lässt sich dieser Absturz nicht aufhalten.

Fast 40 Grad in manchen Städten: In dieser Woche hat Deutschland historische Hitzetage erlebt. Mittwoch war der bislang heißeste Tag des Jahres, bis auf 39,3 Grad stieg das Thermometer in Andernach in Rheinland-Pfalz. Heftige Unwetter zogen durchs Land, mit Hagel, Sturmböen, Starkregen und sogar Tornados in der Eifel. In Ostdeutschland fressen sich Großbrände immer weiter durch die Wälder. Viele Städte errichten wegen der Gluthitze inzwischen Schutzräume und stellen sogar Evakuierungspläne auf. Doch der Hitze-Schock stellt nicht mehr nur Wasserversorgung, Krankenhäuser, Feuerwehr und das Stromnetz auf die Probe.

Rund um den Planeten häufen sich durch den Klimawandel Extremwetterereignisse: Schlammlawinen in Norditalien, die größte Flutkatastrophe in Spanien seit Menschengedenken mit Hunderten Toten, Monsterregen in Dubai, verheerende Waldbrände in Los Angeles, Griechenland oder der Türkei. Das Mittelmeer wird inzwischen regelmäßig von Hitzewellen mit über 45 Grad heimgesucht, die Existenz von Millionen Menschen in der Karibik, im Süden der USA und im Pazifik ist durch immer zerstörerische Hurrikans, Taifune und Zyklone gefährdet. Mehr als 150 solche "noch nie dagewesene Klima-Desaster" hat die UNO allein im vergangenen Jahr gezählt.

Abgesehen von Hunderttausenden Toten und der Zerstörung von Billionenwerten hat der Klimawandel eine fatale Konsequenz: "Wir nähern uns rasant Temperaturwerten, bei denen Versicherer viele dieser Risiken nicht mehr abdecken können", warnte Allianz-Vorstand Günther Thallinger im März auf LinkedIn. Die nötigen Beiträge zur Schadensdeckung seien einfach zu hoch, als dass man sie sich noch leisten könne. "Der wirtschaftliche Wert ganzer Regionen - Küstengebiete, Trockenzonen, Waldbrandregionen - wird von der Bildfläche verschwinden", schreibt Thallinger. "Die Märkte werden die Preise schnell und brutal neu justieren. Das ist ein systemisches Risiko, das das Fundament des Finanzsystems bedroht."

Wer abbrennt, steht allein da

Längst ist das kein fernes Szenario mehr, sondern bittere Realität. Laut "Versicherungsmagazin" liegen die Kosten für eine Elementarschadenversicherung im Ahrtal inzwischen teilweise bei rund 2700 Euro jährlich - rund dreimal so viel wie vor der Flutkatastrophe. Viele Versicherer verlangen dabei horrende Selbstbeteiligungen. Wegen steigender Kosten für Klimaschäden warnte der Gesamtverband der Versicherungswirtschaft (GDV) schon 2023 in ganz Deutschland vor einer Verdopplung der Wohngebäudeprämien in den nächsten zehn Jahren.

In Los Angeles haben viele Hausbesitzer nach den verheerenden Bränden Anfang des Jahres Mühe, überhaupt noch eine Police zu finden. 7 der 12 Top-Versicherer sind schon vor dem Feuersturm am Pazifik ab 2023 komplett aus dem Neugeschäft mit Gebäudeversicherungen in Kalifornien ausgestiegen, aufgrund von "rapide steigenden Katastrophengefahren", vor allem durch Waldbrände, wie etwa der Assekuranz-Riese State Farm mitteilte.

Wer abbrennt oder absäuft, steht allein da: Das ist nicht nur eine persönliche finanzielle Katastrophe für Hunderttausende Menschen. Sondern ein Klimabeben, dass das Finanzsystem erschüttert. "Ein Haus, das nicht versichert werden kann, lässt sich nicht finanzieren. Keine Bank vergibt Kredite für unversicherbare Immobilien. Die Kreditmärkte frieren ein. Das ist eine vom Klima verursachte Kreditklemme", fasst Allianz-Vorstand Thallinger die Ansteckungsgefahr für die Finanzmärkte zusammen.

"Finanzkrise von ähnlichem Ausmaß wie 2008"

Denn es ist nicht schwer, sich vorzustellen, was mit dem Wert von Häusern passiert, die dauerhaft nicht mehr versicherbar sind. Und was das für den Immobilienmarkt sowie die Infrastruktur, Landwirtschaft und Industrie drumherum bedeutet. "Der Klimawandel ist nicht länger nur ein Umweltproblem. Er ist eine heraufziehende ökonomische Bedrohung", warnte ein Bericht des US-Senats im Dezember. Es drohe "ein Kollaps der Immobilienwerte, der eine Finanzkrise von ähnlichem Ausmaß wie den großen Crash von 2008 auslösen könnte."

Nicht nur Versicherer, auch große Banken, die Immobilien finanziert haben, könnten mitgerissen werden, falls sie die Ausfälle nicht selbst tragen können. Dazu bräuchte es auch keinen plötzlichen Absturz oder eine gigantische Börsenpanik, wie beim Zusammenbruch von Lehman Brothers im Herbst 2008. Der Klima-Crash könnte in Zeitlupe passieren. "Diese Art von Klimarisiko ist nicht vorübergehend. Es bewegt sich nur in eine Richtung", zitiert die "Financial Times" den Ökonomen Ben Keys von der Wharton School in Pennsylvania. "Man braucht also nicht unbedingt einen großen Schock. Es reicht ein dauerhafter Schock, um die Häuserpreise langfristig stark unter Druck zu setzen."

Es ist alles andere als ausgemacht, dass dieser Klima-Crash kommt. Anders als Banken, die Hypotheken über Jahrzehnte in den Büchern haben, binden sich Versicherungen in der Regel nur auf ein Jahr an ihre Kunden und können ihr Risiko so von Jahr zu Jahr anpassen. Solange Klima-Schäden lokal begrenzt sind und die Verlusttragfähigkeit von Finanzinstituten nicht überfordern, droht keine akute Gefahr. Alles kommt darauf an, wie groß sie werden, wie sehr sie bereits in den Immobilienwerten eingepreist sind und wie stark sie auf bestimmte Finanzakteure konzentriert sind.

Doch dass hohe Belastungen kommen werden, ist klar. "Eines Tages - vielleicht schon morgen - wird ein wirklich verheerender Versicherungsschaden eintreten", orakelte Investoren-Legende Warren Buffett, zu dessen Konzern Berkshire Hathaway ein riesiges Versicherungsimperium gehört, im vergangenen Jahr in seinem Aktionärsbrief. Das Financial Stability Board, das nach dem großen Crash von 2008 geschaffen wurde, um systemische Finanzrisiken zu überwachen, warnte im Januar vor den Folgen von "Klima-Schocks". Wenn diese "ausreichend schwerwiegend" seien, könnten sie "die Zahlungsfähigkeit unterschiedlichster Finanzakteure, Sektoren und Weltregionen gleichzeitig bedrohen und dadurch systemische Risiken in Gang setzen".

Gegen Klima-Schocks helfen keine Geldspritzen

In den USA ist die Unversicherbarkeit von Immobilien längst ein systemisches Risiko. Große Teile von Florida sind durch explodierende Versicherungskosten laut "Wall Street Journal" bereits vom Paradies zum schlimmsten Immobilienmarkt der USA geworden. Auch hier hat sich rund ein halbes Dutzend der größten Versicherer seit 2022 wegen steigender Sturmschäden komplett aus dem Markt verabschiedet. In West Palm Beach kosten manche Gebäudeversicherungen inzwischen mehr als die Hypothekenraten. Die Policen sind so teuer, dass viele Hausbesitzer verkaufen und verschwinden. Millionen Menschen könnte es künftig so gehen, wenn ihre Häuser auf Dauer weniger wert sind als das, was sie dafür bezahlen müssen. Es wäre ein dauerhafter Schlag für eine der größten und ältesten Vermögensklassen der Welt. Und es ist nicht klar, wie sich diese Krise in den Griff kriegen lässt.

Anders als beim Crash von 2008 lässt sich der Klima-Schock nicht mit staatlichen Garantien auffangen oder mit Steuergeld zuschütten. Denn der Auslöser sind Vermögenswerte, die nicht einfach nur finanziell verdorben, sondern physikalisch toxisch geworden sind. Der Klima-Crash passiert nicht, weil Menschen sich verzockt haben. Sondern weil die Natur ihre Vermögenswerte zerstört.

Damals froren die Finanzmärkte ein, weil Banken und Investoren das Vertrauen ineinander verloren hatten. Über Jahre hatten sie Hypotheken an Menschen vergeben, die sie sich gar nicht leisten konnten, ihre Darlehen mit reichlich Finanz-Alchemie schöngerechnet und zu neuen Papieren verschnürt, die sie rund um den Globus verteilten. Mit gigantischen Geldspritzen konnte der Staat das Urvertrauen der Märkte wiederherstellen, indem er als oberster Garant aller Verluste auftrat und die Risiken umverteilte.

Doch das wird beim Klima-Crash nicht funktionieren. "Wenn mehrere Höchstschadensereignisse innerhalb kurzer Zeit eintreten - so wie es die Klimavorhersagen erwarten - wird keine Regierung realistisch die Kosten tragen können, ohne sich kaputtzusparen oder zusammenzubrechen", prophezeit Allianz-Vorstand Thallinger. Denn auch der Staat kann die Gesetze der Physik nicht aushebeln: Wenn Häuser in bestimmten Regionen immer wieder abbrennen, überschwemmt werden oder wegen Dürre und Hitze unbewohnbar sind, sind sie faktisch wertlos.

Die Vision einer Welt, in der existenzielle Risiken weder an Versicherungen weitergereicht noch durch Regierungen aufgefangen oder durch physikalische Anpassung überwunden werden können, ist düster. "Das bedeutet: keine Hypotheken mehr, keine neuen Immobilienprojekte, keine langfristigen Investments, keine finanzielle Sicherheit. Der Finanzsektor, wie wir ihn kennen, hört auf zu funktionieren", schreibt Thallinger. "Und damit wird auch der Kapitalismus, wie wir ihn kennen, untragbar."

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