Ob es um Landschaftsbau geht, Fassadendämmung oder das neue Bad: Im Handwerk fehlt Personal, Aufträge für Großprojekte werden denen im kleinen Eigenheim vorgezogen. Bleibt Verbrauchern nur die Rolle als Bittsteller?
"Der Kunde ist der König? Das war einmal." Der Mann steigt von seiner Alu-Klappleiter, von der aus er gerade die verwelkten, einst rosa Blüten der Hochstammrose in seinem Vorgarten abgeschnitten hat. "Seit zwei Jahren versuche ich, mein Haus dämmen zu lassen. Die Handwerker kommen, schauen sich alles an, reden viel, bewerten das Mauerwerk und erzählen, wie dick der Dämmstoff sein soll, dass sie bis in den Erdboden dämmen wollen oder doch nur bis zur Kellerdecke, und versprechen einen Kostenvoranschlag."
Die Rosenschere wird an den Jägerzaun gehängt. "Da kommt dann aber nie was. Rufe ich an und frage, wo das Angebot bleibt, kommen Ausreden wie 'Wir haben gerade einen Großauftrag reinbekommen' oder 'Hoher Krankenstand'", erzählt der Pensionär, der seinen Namen lieber nicht in diesem Artikel geschrieben sehen möchte.
Auch nach Monaten kein Angebot
"Hier geht’s allen so", sagt er und zeigt auf das anscheinend kürzlich errichtete Fertighaus schräg gegenüber: "Die hatten zig Abrissunternehmer da. Das Haus, was da vorher stand, war baufällig, musste weg. Die Nachbarn sind immer wieder mit Firmen ins und ums alte Haus. Die Handwerker haben immer alles auf ihre Klemmbretter notiert und genickt und gestikuliert. Aber sie haben sich nie mehr gemeldet - nicht mal mit einem hohen Preis." Erneut sei es zu diesem "Handwerker-Ghosting" gekommen, als es um die Gartengestaltung ging. "Die Nachbarn haben zum Schluss vier Mal so viel gezahlt wie geplant, um endlich Ruhe zu haben."
Das Haus unten an der Ecke soll in Zukunft mit einer Wärmepumpe beheizt werden, plant Besitzer Bertram. "Kaffee und Knoppers haben nicht gereicht", sagt er lachend und schildert, wie er mit jedem Handwerker-Rendezvous seine Anziehungskraft zu steigern versuchte. Die Erbschaft erlaube mehr Budget, der Auftrag könne kurzfristig in einer Auftragslücke erfüllt werden, die Arbeiter dürften auch im Haus auf Toilette und nicht in so ein "blaues Plastik-Häuschen". "Ich wollte bloß nicht den Eindruck erwecken, ein knauseriger Kunde zu sein."
Auf diese Art habe er den letzten Heizungsbauer im Dezember hofiert, nachdem der ihn zunächst anderthalb Stunden hatte warten lassen. "Auf seinen Preis warte ich immer noch, obwohl es hier um ein paar zehntausend Euro geht." Ob er noch mal nachgehakt habe? "Wem ich keine Absage wert bin, dem möchte ich auch keinen Auftrag geben."
"Regional Engpässe beim Personal"
Als die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz Mitte Juni die Ergebnisse ihres "Checks von Wärmepumpen-Angeboten" vorstellte und hohe Preisunterschiede anprangerte, empfahl sie Auftraggebern, mehrere Angebote zu vergleichen und gezielt auf Unterschiede zu achten. Allerdings fragt sich Bertram, wie das gehen soll, "wenn ich nicht mal eines auf den Tisch bekomme".
"Es kann hin und wieder regional zu Engpässen beim Personal kommen", sagt Katja Weinhold, Sprecherin des Bundesverbands Wärmepumpe. Vor allem in den Jahren 2022 und 2023 könnten Absagen an Kunden untergegangen sein. "Aber dass ein professioneller Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik-Betrieb mit dem Gütesiegel 'Fachbetrieb Wärmepumpe' nichts mehr von sich hören lässt, kann nur ein Einzelfall sein."
Auftragnehmer haben die Wahl
Alle Häuser in diesem Wohngebiet am Rand des Rhein-Main-Gebiets waren ursprünglich Siedlungshäuser - alle nach demselben Bauplan, um Kriegsvertriebenen schnell eine neue Bleibe zu ermöglichen. Und es sind Einfachhäuser, um dem Materialmangel der damaligen Zeit zu begegnen: kleine Räume und Fenster, simple Elektrik, ungedämmte Dächer. Hatten die Hauseigentümer über die Jahre mehr Geld, bauten sie an oder um.
"Handwerker kamen immer, wenn man einen brauchte", erinnert sich der Mann mit der Hochstammrose. Geht es heute darum, die 60 bis 70 Jahre alten Häuser zu sanieren oder zu modernisieren, sieht es anders aus. Hatten Auftragsgeber früher die Wahl, mit wem sie das Geschäft eingehen, liegt diese Wahl heute anscheinend bei den Auftragsnehmern.
Es gibt immer weniger Handwerker
"Handwerksbetriebe sind aktuell sehr gefragt, da die Handwerks-Dienstleistungen viel nachgefragt werden", erklärt Lydia Malin, die am Institut der deutschen Wirtschaft (IW) alle Themen rund ums Handwerk betreut. Zeitgleich herrsche aber Fachkräftemangel und somit werde die Auswahl knapper. "Demnach können sich Handwerker aussuchen, welchen Auftrag sie annehmen möchten und welchen nicht."
Statistiken lassen befürchten: Es wird in naher Zukunft immer weniger qualifizierte Handwerker geben. Allein im Bereich Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik fehlen laut Institut der Deutschen Wirtschaft mehr als 12.000 Fachkräfte. Die Lücke werde von Jahr zu Jahr größer.
Betriebe müssen diese Lücke handhaben. Der Inhaber eines Maler-Betriebs schildert, wie es im Alltag läuft: "Sind wir Montag noch engagiert beim Neukunden, kommt Dienstag vielleicht ein Auftrag eines Bestandskunden rein. Dieses gewachsene Vertrauen wollen wir nicht verspielen." Er verweist auf sein unternehmerisches Handeln: "Vergangenes Jahr sanierten wir ein Pflegeheim eines großen Trägers. Da müssen wir uns entscheiden für mehr Umsatz an einer Baustelle und langfristige Auftragsperspektive - obwohl mir die Arbeit im persönlichen, kleinen Verhältnis zum Hausbesitzer lieber ist. Wenn ich dann absage, verstehen das die Kunden meistens auch."
Verbindlichkeit fehlt auf beiden Seiten
Ein Dachdecker erzählt: "Wir bekommen oft Anfragen per E-Mail mit Angeboten der Konkurrenz im Anhang. 'Können Sie das billiger?' lautet die Frage." Das vermittele ihm den Eindruck von Preisdumping und lande sofort im Spam-Ordner. In seiner Branche gebe es ständig wechselnde Einkaufspreise und neue Richtlinien, dann die Abhängigkeit von anderen Gewerken, zum Beispiel dem Gerüstbauer. "Ein Angebot geht nicht auf Knopfdruck, ist aber bindend." Wenn der Interessent dann auch gar nicht mehr nachfrage, bestätige das sein Misstrauen.
Bei Begehungen erkenne er oft an einzelnen Fachbegriffen, dass Kunden, die sich als Laien auswiesen, schon andere Betriebe vorher zu Gast hatten: "Die Konkurrenz ausspielen - da spiele ich nicht mit." Er klagt über "Auftragsgeber-Ghosting": Auch immer mehr Kunden tauchten nach Empfang eines Angebots ab, "mit den wildesten Begründungen." Verbindlichkeit scheint verschütt gegangen - auf beiden Seiten.
"Gutes Angebot kostet Zeit"
"Einfluss auf die Entscheidung hat neben personellen Ressourcen auch, ob der Kunde realistische Kostenvorstellungen hat oder den deutschen Handwerksmeister mit osteuropäischen Bautrupps vergleicht", sagt IW-Expertin Malin. "Und ob die Chemie passt. Sprich: Ob die Betriebe das Gefühl haben, eine gemeinsame Vision von der Umsetzung des Projektes zu haben."
Katja Weinhold vom Bundesverband Wärmepumpe ermutigt Kunden, weiterhin mehrere Angebote einzuholen. Sei das regional nicht gut möglich, weil gar nicht so viele Anbieter in der Nähe seien, könne ein Blick auf Online-Anbieter helfen, Kosten eines Projekts ungefähr abzuschätzen. "Ein ausführliches Angebot, das dann als Basis für den Auftrag dient und somit für den Förderantrag, kann den Kunden vielleicht auch etwas Geld kosten. Aber: Diese Unternehmen zeigen damit Professionalität. Ein wirklich gutes Angebot kostet die Betriebe Zeit. Denn die Wärmepumpe muss zu jedem Haus individuell passen."
Unternehmer aus dem Ausland?
Nicht zu unterschätzen ist für Weinhold bei einer Begehung auch das Zwischenmenschliche: "Beim Handwerker muss auch die persönliche Vertrauensbasis zum Kunden gegeben sein - und umgekehrt natürlich genauso." Das sieht auch Malin so: "Alles, was sich aus irgendwelchen Gründen nicht richtig anfühlt, muss nicht angenommen werden."
Der Mann mit der Hochstammrose erzählt, er habe nun einen Bautrupp aus Moldawien in Aussicht, seine Tochter organisiere da was. "Das Heizöl wird ja 2027 auch teurer - da muss was passieren." Nur ob das mit der Hilfe aus dem Ausland steuerlich sauber laufen kann und die Qualität stimme, bereite ihm Kopfzerbrechen. Sein Nachbar Bertram werde im Herbst einen neuen Anlauf starten und wieder Urlaubszeit opfern: "Ich habe noch Heizungsbauer auf der Liste, die noch nicht bei mir waren." Dann bittet König Kunde erneut um eine Audienz.
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