Das Rauschen des Meeres an einem einsamen Strand im Pazifik gilt für Touristen und Touristinnen als ultimativer Südseetraum. Für die Einheimischen ist es häufig ein Albtraum. In Tuvalu ist der Meeresspiegel in den letzten dreissig Jahren um 15 Zentimeter gestiegen. Das ist viel für eine Koralleninsel, deren höchster Berg gerade mal zwei Meter hoch ist. Häuser werden überspült, Gärten und Palmen vom Salzwasser vergiftet. Tuvalu könnte das erste Land der Welt sein, das komplett dem steigenden Meeresspiegel zum Opfer fallen wird.
So erstaunt nicht, dass viele der rund 10’000 Bewohner und Bewohnerinnen Tuvalu verlassen möchten. Ein Angebot Australiens für ein entsprechendes Visum ist in der Inselnation auf überwältigendes Interesse gestossen.
Grosszügigkeit mit einem Haken
Seit Beginn einer Visa-Lotterie Anfang Juni haben sich 1124 Personen registriert – gemeinsam mit ihren Familienangehörigen. Das bringt die Zahl der Auswanderungswilligen auf über 4000. Doch die meisten werden warten müssen: Die Obergrenze von 280 Visa pro Jahr soll sicherstellen, dass die Migration nach Australien nicht zu einer Abwanderung von Fachkräften führt.

Australien hatte die Visavergabe vor zwei Jahren im Rahmen eines Klima- und Sicherheitsabkommens mit Tuvalu angekündigt. Es sei ein Zeichen gutnachbarlicher Beziehungen, betonte Canberra damals.
Doch Kritikerinnen sagen, die vermeintliche Grosszügigkeit habe einen Haken. Denn im Gegenzug musste sich Tuvalu verpflichten, keine sicherheits- oder verteidigungsbezogenen Abkommen mit anderen Ländern einzugehen, ohne Australien vorher zu konsultieren.

Für Beobachter ist klar: Mit dieser Klausel versucht Australien, den wachsenden Einfluss Chinas im pazifischen Raum zu kontrollieren und einzudämmen: Visa gegen Unabhängigkeit und Entscheidungsfreiheit also.
Australien hat ein Glaubwürdigkeitsproblem
Laut der Politologin und Sicherheitsexpertin Emma Shortis hat Australien auch noch aus einem anderen Grund ein Glaubwürdigkeitsproblem, wie sie gegenüber SRF sagt.
Die Australier anerkennen zwar, dass der Klimawandel ein existenzielles Sicherheitsproblem für die Pazifikstaaten ist. Dann aber gehen sie heim und bewilligen neue Kohleminen und Gasfelder.
Seit Jahrzehnten bereisten australische Politiker fast missionarisch die Region. «Die Australier anerkennen zwar, dass der Klimawandel ein existenzielles Sicherheitsproblem für die Pazifikstaaten ist. Dann aber gehen sie heim und bewilligen neue Kohleminen und Gasfelder.»
Australien ist der Welt drittgrösster Exporteur klimaschädigender Kohle. «Die Menschen im Pazifik durchschauen diese Heuchelei», sagt die Expertin Shortis.
Wenn es um das Thema Klima gehe, gelte Australien im Pazifik schon seit Jahren als das, was man in der Sicherheitspolitikwissenschaft einen «bad faith actor» nenne – einen «böswilligen Akteur».
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