Im polnischen Grenzstädtchen Goldap, direkt an der Grenze zur russischen Exklave Kaliningrad, wimmelte es früher von russischen Gästen. Doch das ist längst vorbei, die Grenze ist jetzt praktisch dicht. Dies sei auch gut so, sagt uns ein Restaurantbesitzer am Ort. «In der heutigen Situation ist es richtig, dass die Grenze weiter hochgerüstet wird.» Eine ältere Frau pflichtet ihm bei: «Vor Putin muss man Angst haben, das ist die Wahrheit.»

Verteidigungslinie an der NATO-Ostflanke

Polen verstärkt nun seine Grenzen zur russischen Exklave Kaliningrad und zum Kremlverbündeten Belarus auch militärisch. Entsprechende Verteidigungsanlagen bauen auch die drei baltischen Staaten an ihren Grenzen zu Russland und Belarus.

Legende: Die Suwalki-Lücke verläuft zwischen dem Dreiländereck Litauen-Polen-Belarus. In den letzten zwölf Kilometer im Südosten bilden Flussläufe die Landbrücke. Dort führt die polnische Armee regelmässig Manöver durch. REUTERS/Kacper Pempel

Das polnische Projekt «Schutzschild Ost» umfasst Panzersperren, Gräben, Bunker, vorgeschobene Armeeposten, eine breite Luftraumüberwachung und Minenfelder. Polen will deshalb auch aus dem Abkommen zum Verbot von Antipersonenminen aussteigen. Umgerechnet 2.4 Milliarden Franken soll das Projekt kosten, Fertigstellung 2028. Aber kann das den Gegner wirklich abschrecken? Es gehe vor allem darum, den Feind im Ernstfall für eine gewisse Zeit aufzuhalten, erklärt die Offizierin Iwona Misiarz. 

Verteidigung hat Priorität

Polen ist zwar ein politisch tief gespaltenes Land, aber die Investitionen in die Verteidigung sind breit abgestützt. Alle Parteien von links bis rechts stehen hinter den Verteidigungsausgaben, die in diesem Jahr umgerechnet rund 40 Milliarden Franken betragen sollen.

Polen kauft auch Hunderte neue Panzer und anderes Kriegsgerät aus amerikanischer und südkoreanischer Produktion und erhöht die Eigenproduktion. Zur Finanzierung wird die Staatsverschuldung weiter angehoben.

Es geht um die Prioritätsetzung. Die Priorität in Polen ist eindeutig die nationale Sicherheit, Russland wird klar als Bedrohung wahrgenommen.
Autor: Jens Boysen Sicherheitsexperte Uniwersytet Civitas

Der deutsche Sicherheitsexperte Jens Boysen, der an der Hochschule Uniwersytet Civitas in Warschau lehrt, sieht Polen trotz Verschuldung als Vorbild für Europa: «Es geht um die Prioritätsetzung, die Priorität in Polen ist eindeutig die nationale Sicherheit, Russland wird klar als Bedrohung wahrgenommen. Das ist fast schon allgemeine EU-Linie geworden. Polen nimmt das Geld in die Hand, das es dazu braucht und die Bevölkerung steht dahinter.»

Legende: Warschau möchte die Grenze zu Belarus und der russischen Exklave bei der Suwalki-Lücke massiv verstärken. REUTERS/Kacper Pempel

Polen kann sich das momentan auch leisten, die Wirtschaft ist robust. Fast fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts sollen in diesem Jahr in die Verteidigung fliessen, damit ist Polen der Musterschüler unter den EU- und NATO-Staaten.  

Keine Garantie für die weitere Präsenz der US-Truppen im Land 

In Polen sind auch über 10'000 US-Soldaten stationiert, aber es gibt keine Garantie für die weitere Präsenz der US-Truppen im Land. Über Trumps Abkehr von Europa sei man auch in Polen besorgt. Amerika bleibe zwar Polens wichtigster Nato-Partner, aber die Regierung suche jetzt auch eine verstärkte Ver­teidigungs­zusammen­arbeit mit Europa, sagt die Politologin Anna Materska-Sosnowska.

Es gilt das Prinzip Hoffnung, dass die europäischen Partner nun auch in die Gänge kommen. Polen geht schon mal vor und versucht eigenständiger zu werden, was aber das Abschreckungspotenzial der USA nicht ersetzen kann.

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke