In den kommenden Jahrzehnten könnten Kirchengemeinden in Deutschland Zehntausende Immobilien aufgeben. Viele davon sind denkmalgeschützt. Was aus ungenutzten Gotteshäusern werden kann.

Während vor 20 Jahren noch drei Viertel der Bürger einer der beiden großen Konfessionen angehörte, sind es heute nicht einmal mehr die Hälfte. Katholische wie evangelische Kirche denken deshalb über Sparprogramme nach. Dabei stehen vor allem die Gebäude im Mittelpunkt der Überlegungen.

Dass Kirchen bei "Kleinanzeigen" zum Kauf angeboten werden, ist inzwischen keine Seltenheit mehr. Die katholische Pfarrei im nordhessischen Eschwege will auf dem Portal nun jedoch gleich drei ihrer Gotteshäuser verkaufen. Die Preise liegen zwischen 50.000 und 220.000 Euro.

Grund dafür sei die sinkende Zahl an Gläubigen in der Pfarrei, sagt der leitende Pfarrer Mario Lukes. Die jetzt zum Verkauf stehenden Gotteshäuser seien in den vergangenen Jahren kaum noch genutzt worden. "Deshalb haben wir gesagt, wenn die Kirchen nicht mehr gebraucht werden und wir pastoral auch nichts mehr wenden können, dann sollten wir sie besser verkaufen“, so Lukes.

Wenn Kirchen mehr kosten als Glauben spenden

Seit Jahren setzt sich der Mitgliederschwund in den katholischen und evangelischen Kirchengemeinden fort. Allein 2023 meldete die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) 380.000 Austritte und noch einmal fast so viele Sterbefälle in ihren Gemeinden. Die Deutsche Bischofskonferenz der katholischen Kirche registrierte fast 403.000 Austritte und 226.000 Bestattungen. Taufen und Wiedereintritte gleichen den Verlust nicht aus.

Pfarrer Lukes bezeichnete den geplanten Verkauf der Kirchen als "logischen Schritt": "Wir hätten viel Geld aufwenden müssen, um die Kirchen baulich zu erhalten. Aber wir haben keine Gläubigen mehr, die diese Kirchen nutzen würden." Emotional falle der Verkauf der Gotteshäuser jedoch schwer. "Die Gläubigen in unserer Pfarrei verbinden mit den drei Kirchengebäuden ganz besondere Erlebnisse - etwa Taufen und Hochzeiten", so der Geistliche. Hinzu komme, dass noch viele Menschen in der Region lebten, die beim Bau der Kirchen mitgeholfen hätten.

Ob der Verkauf der drei Kirchen tatsächlich stattfindet, ist derzeit allerdings noch unklar. Der Grund: Bislang hat die Pfarrgemeinde laut Lukes noch kein einziges ernst zu nehmendes Kaufangebot vorliegen. Noch fehle es an Ideen, wie die Kirchengebäude weiter genutzt werden könnten.

Kein Bordell, keine Spielhalle und keine okkulte Stätte

Und bei der Weiternutzung gibt es ein paar Bedingungen, die bestimmte Nutzungen ausschließen: Aus einer ehemaligen Kirche dürfe zum Beispiel kein Bordell, keine Spielhalle und keine okkulte Stätte gemacht werden, erläutert der Pfarrer. Zudem gebe es die Auflage, dass im Falle des Abrisses einer Kirche deren Grundstein in das neue Gebäude integriert werden müsse.

In der evangelischen Johanniskirche in Bad Nauheim ist Pfarrer Schröder schon einen Schritt weiter. 1898 erbaut, liegt sie idyllisch mitten in einem Bad Nauheimer Wohngebiet. Messen werden hier schon lange nicht mehr gelesen. Die Evangelische Kirche Hessen und Nassau (EKHN) hat mit der Stadt lange über eine sinnvolle Weiternutzung diskutiert, immerhin liegt die Kirche mit großem Grundstück in bester Lage.

Kirche in bester Lage zum Schnäppchenpreis

Jetzt hat die EKHN das 1899 errichtete Gotteshaus an den Förderverein Inklusion verschenkt - oder besser abgegeben, und zwar für den symbolischen Betrag von einem Euro. Der Förderverein will das Gebäude zu einem Zuhause für junge Menschen ab 18 Jahre mit Behinderung machen. Sie sollen die Möglichkeit bekommen, ein eigenverantwortliches und selbstbestimmtes Leben zu führen. Pfarrer Ulrich Schröder freut sich über diese in seinen Augen sinnvolle Weiternutzung.

Etwa 2,5 Millionen Euro sollen die Baumaßnahmen kosten. Diese Mittel hätte die evangelische Kirche niemals aufbringen können. Umso mehr freut sich Pfarrer Schröder, dass in der Kirche wieder "Begegnung stattfinden wird".

Bouldern statt Beten

Genau das schaffen auch zwei Sportkletterer in Bad Orb: Sie haben eine ehemalige Kirche in eine Kletterhalle verwandelt. Und das ganz nachhaltig: Aus Kirchenbänken bauten sie eine Theke, Beichtstühle werden als Umkleidekabinen genutzt. Die Umbaukosten schätzen der Betriebswirt Marc Ihl und der gelernte Schreinermeister Marco Köhler auf knapp eine halbe Million Euro. 100.000 davon gibt es als regionale Förderhilfe.

Bauherr Marc Ihl ist Katholik, hat früher für Kinder und Jugendliche in dieser Kirchengemeinde Freizeiten organisiert. Er konnte die Pfarrei schnell mit seiner Idee begeistern: Der Pfarrer sei einer der ersten gewesen, der hier gebouldert habe, freut sich Ihl. Die 1964 eröffnete Kirche war 2016 geschlossen worden. Die defekte Heizung, der marode, inzwischen abgerissene Turm und die sinkende Zahl von Katholiken hatten dazu geführt, dass die Kirche nicht mehr genutzt wurde.

Doch Ihl und sein Partner haben etwas ganz Besonderes geschafft: Eine kleine seitlich gelegene Kapelle bleibt geweiht und der Gemeinde weiterhin erhalten. Sie hat einen eigenen Zugang. Die Koexistenz von Boulderhalle und Kapelle unter einem Dach sei einmalig, erklärte Ihl. "Wir haben es geschafft, dass seit unserer Eröffnung auch wieder Gottesdienste stattfinden."

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