Vier ehemalige Manager werden in Braunschweig für ihre Rolle im VW-Abgasskandal verurteilt. Für Auto-Experten Ferdinand Dudenhöffer bleibt die Bilanz der juristischen Aufarbeitung ernüchternd. Das "System VW" belaste den Konzern nach wie vor.

ntv.de: Sind Sie von den harten Strafen im Diesel-Gate-Prozess überrascht?

Ferdinand Dudenhöffer: Ich bin eher enttäuscht. Nach rund zehn Jahren und einem Schaden für VW, der sich auf deutlich mehr als 100 Milliarden Euro belaufen dürfte, sind zwei Haft- und zwei Bewährungsstrafen als Bilanz der juristischen Aufarbeitung wirklich ernüchternd. Bis heute hat sich der Konzern von diesem systematischen und bewussten kriminellen Vorgehen nicht ganz erholt. Insbesondere Audi leidet bis heute darunter.

In Braunschweig standen, nachdem das Strafverfahren gegen den Ex-Konzernchef Martin Winterkorn abgetrennt worden war, noch vier Manager aus untergeordneten Führungsebenen vor Gericht. Tragen die wirklich die Verantwortung für diese kriminellen Manipulationen?

Das sind ganz klar Bauernopfer. Das System VW und der extrem autoritäre Führungsstil im Unternehmen waren damals zumindest so angelegt, solches kriminelles Verhalten zu begünstigen, ohne dass die Konzernführung dafür Verantwortung übernahm.

Inwiefern hängt das mit dem "System VW" zusammen?

Aufgrund des großen Einflusses der niedersächsischen Landesregierung und der Arbeitnehmer ist der Konzern sehr starr und kann sich nicht wie andere Unternehmen laufend neu an die sich ändernden wirtschaftlichen Bedingungen anpassen. Das trifft besonders auf die VW-Standorte in Niedersachsen zu. Wenn Sie im Aufsichtsrat 20 Prozent der Stimmrechte auf Niedersachsen verteilen und die paritätische Mitbestimmung haben, erzeugen Sie eine Schutzglocke für die Niedersachsen-Standorte. Die IG Metall hat ihre Macht in Wolfsburg. Wenn dann noch eine autoritäre Unternehmenskultur der Angst dazu kommt, in der kein Widerspruch geduldet wird, dann ist die Organisation gefährdet. Das ist nach meiner Einschätzung der wahre Grund für Diesel-Gate.

Das wirft die Frage nach der Verantwortung des damaligen Konzernchefs auf. Wird Winterkorn durch das Ergebnis des jetzt beendeten Prozesses eher be- oder entlastet?

Winterkorns Lage hat sich nicht geändert. Er wird sich weiterhin auf den Standpunkt zurückziehen, dass er von nichts gewusst habe - obwohl er dafür bekannt war, jede Schraube und jedes Detail zu den Motoren aller Modelle zu kennen. Der Prozess hat keine direkten Beweise für Winterkorns Verantwortung zutage gefördert.

Sie sprachen von den Bedingungen bei VW, die zu kriminellem Handeln führten. Inwieweit hat sich das "System VW" seit damals geändert?

Was sich geändert hat, ist die Führungskultur: Konzernchef Oliver Blume wird beispielsweise von seinen Mitarbeitern "Olli" genannt. Die haben Respekt, aber keine Angst, wie zu Winterkorns Zeiten. Dieser Kulturwandel setzt sich auf den unteren Führungsebenen fort. Die Gefahr kriminellen Verhaltens wie bei der Abgasmanipulation ist heute geringer. Das starre "System VW" hindert das Unternehmen aber immer noch, sich anzupassen, und ist nach wie vor eine große Belastung.

Mit Ferdinand Dudenhöffer sprach Max Borowski

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