Der rechtsradikale George Simion ist Favorit bei der rumänischen Präsidentschaftswahl. Sich selbst verortet er politisch irgendwo zwischen Ungarns Regierungschef Orban, US-Präsident Trump und der italienischen Ministerpräsidentin Meloni. Er könnte die EU-Politik ins Chaos stürzen.

Er kommt aus der Hooligan-Szene, ist im Parlament in Bukarest handgreiflich geworden und hat sowohl in Moldau als auch in der Ukraine Einreiseverbot: George Simion, der Favorit bei der Stichwahl für das Amt des rumänischen Präsidenten am Sonntag. Nicht nur Simions Vorgeschichte, sondern auch seine Vorbilder lassen die meisten europäischen Staats- und Regierungschefs in Brüssel erzittern.

Simion verortet sich selbst rechts außen, in enger politischer Geistesverwandtschaft zur Make-Amercia-Great-Again-Bewegung von US-Präsident Donald Trump. Als ein weiteres Vorbild nannte er den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban, der regelmäßig die außenpolitischen Beschlüsse in Brüssel hintertreibt. Gemeinsam mit Orban und dem ebenfalls prorussischen slowakischen Regierungschef Robert Fico könnte Simion die Europapolitik auf den Kopf stellen, sollten ihn die Rumänen tatsächlich zu ihrem Präsidenten wählen.

Der Sieg ist für ihn zum Greifen nahe. Simion gibt sich sichtlich Mühe, seine Hooligan-Vergangenheit durch seriöses Auftreten zu vertuschen. Er verbesserte sein Englisch, las sich Wissen für Talkshow-Auftritte an und arbeitete mit Beratern an seiner Erscheinung. Doch Simion bleibt ein gewaltbereiter Rechtsradikaler. Den Energieminister Virgil Popescu etwa griff Simion im Februar 2022 während einer Rede im Parlament am Nacken und brüllte ihm ins Gesicht. Auch den Vertreter der jüdischen Minderheit im rumänischen Parlament ist er schon angegangen.

Simion will Georgescu zum Premier machen

Außenpolitisch fantasieren Simion und seine Partei Allianz für die Union der Rumänen (AUR) vom Aufbau eines Großrumäniens, wobei sie Gebietsabtretungen von Moldau und der Ukraine fordern. Deshalb wurde Simion in beiden Ländern zur Persona non grata erklärt. Rumänische Medien spekulieren immer wieder darüber, ob Simion ein russischer Spion sein könnte. Die Militärhilfe für die Ukraine will er jedenfalls einstellen, sollte er ins Amt kommen. Seine Wahl könnte auch den für Kiew wichtigen Getreideexport aus dem Schwarzen Meer behindern. In Bezug auf Russlands Invasion plädiert Simion dafür, sein Land sollte sich neutral verhalten. Rumänien könnte mit ihm als Staatschef von einem der größten europäischen Unterstützer der Ukraine zu einem Problem für die Nato-Ostflanke werden.

Besonders tragisch ist Simions Erfolg unter dem Gesichtspunkt, dass Rumänien im vergangenen Winter seine Präsidentschaftswahl annullieren musste - ausgerechnet wegen des Verdachts der Einflussnahme Russlands und der Wahlmanipulation. Damals war Călin Georgescu, ein anderer prorussischer Rechtsradikaler, Favorit in der zweiten Runde. Simion landete auf Platz vier. Die Wahlkommission schloss Georgescu von der Wiederholung der Wahl in diesem Jahr aus. In die Regierung könnte er es trotzdem schaffen. Simion kündigte an, Georgescu zum Premierminister machen zu wollen, falls er Präsident wird.

In der Stichwahl am Sonntag tritt Simion gegen Nicușor Dan an, den Oberbürgermeister von Bukarest, der einst die liberale Partei USR gründete, nun aber parteilos antritt. Dan gilt als Anti-Korruptions-Kämpfer. Ein wichtiges Detail, da der Frust der Rumänen enorm gewachsen ist über das politische Establishment in Bukarest, das viele als korrupt empfinden. Sie straften die Regierungskoalition, bestehend aus der konservativen Nationalliberalen Partei (PNL) und den linkspopulistischen Sozialdemokratischen Partei (PSD), bei der Präsidentschaftswahl ab. Deren gemeinsamer Kandidat Crin Antonescu schaffte es nicht einmal in die zweite Runde. Da er für seine Regierungskoalition deshalb "keine Legitimität" mehr sah, trat Ministerpräsident Marcel Ciolacu am Tag nach der ersten Wahlrunde zurück.

Rumänen wütend über "Klientelismus, Korruption und Straflosigkeit"

"Das Votum für Simion im ersten Wahlgang war natürlich auch ein Votum gegen die etablierten Parteien, ein Votum gegen das Establishment und das System", sagt Siegfried Mureșan gegenüber ntv.de. Mureșan ist selbst Mitglied der rumänischen Regierungspartei PNL. Für sie sitzt er im Europaparlament in der Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP), dessen stellvertretender Vorsitzender er ist. Einerseits hätten die rumänischen Wähler das Gefühl, dass die Regierungsparteien ihre Versprechen nicht einhielten und keine Lösungen parat hätten für Herausforderungen wie etwa die Corona-Pandemie und die Energiekrise. Andererseits sei die Wahl auch eine Folge "der Manipulation und Fehlinformation durch antieuropäische populistische Kandidaten, die keine wirklichen Lösungen haben, sondern prorussische Rhetorik recyceln", so Mureșan.

Er und die gesamte PNL haben ihre Wähler nun dazu aufgerufen, für Dan zu stimmen, sagt Mureșan. Ihre Koalitionspartner von der PSD forderten sie auf, das Gleiche zu tun. Bislang jedoch schweigt die Parteiführung der Linkspopulisten. "In der PSD haben sich lediglich eine Handvoll bekannter Vertreter klar und engagiert für Nicușor Dan ausgesprochen", sagt Katja Plate, Leiterin des Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Bukarest, ntv.de. "Die klassische Wählerschaft der PSD hat Sympathien für George Simion. Rumänische Wahlforscher gehen entsprechend davon aus, dass viele PSD-Wähler für George Simion stimmen werden." Allerdings sei dies vermutlich bereits im ersten Wahlgang geschehen, sodass im zweiten eher kein zusätzlicher Effekt für Simion zu verzeichnen sein werde.

Aktuell befinde sich Rumänien mit einem Interimspräsidenten und einem Interimspremierminister in einer Phase der institutionellen Instabilität, sagt Plate - und fügt hinzu: "Rücktritte, Ankündigungen und Symbole reichen nicht mehr aus, um der Bevölkerung das Vertrauen zu vermitteln, dass ein echter Wandel im Hinblick auf seit Jahrzehnten eingegrabene Probleme im Bereich von Klientelismus, Korruption und Straflosigkeit bevorsteht." Die Wut und Frustration der Rumänen werde sich erst legen, wenn Reformen wirken und Veränderungen im Alltag einträten.

Simion verglich EU mit Sowjetunion

Sowohl Plate als auch Mureșan befürchten, dass Simion als Präsident tatsächlich Orbans Weg einschlägt. Innenpolitisch würde das keine Abkehr von Korruption bedeuten, sondern das Gegenteil. Simion setzt bereits die zivilgesellschaftlichen Organisationen und Journalisten unter Druck, mit Drohungen wie: "Euch wird es bald nicht mehr geben." Als rumänischer Präsident hat Simion laut Plate weitreichende Befugnisse für einen Staatsumbau: Der Staatspräsident ernennt nicht nur die Ministerpräsidenten und die Regierung, er hat auch das letzte Wort bei der Ernennung von Richtern, Staatsanwälten und dem Führungspersonal der Geheimdienste. Zudem ist er Oberster Befehlshaber der Streitkräfte. Des Weiteren ist er für die Außen-, Sicherheits- und Europapolitik zuständig.

Simion selbst versucht seine Kritiker in Brüssel zu beschwichtigen, indem er betont, er wolle sich nicht nur am Beispiel Orbans orientieren. Auch die italienische Regierungschefin Giorgia Meloni sei für ihn eine Inspirationsquelle. Meloni ist zwar Rechtsaußen-Politikerin, in Brüssel jedoch bekannt für ihren eher proeuropäischen und proukrainischen Kurs. Simions Partei AUR sitzt im Europaparlament in der gleichen Fraktion wie Melonis Fratelli d'Italia, den Europäischen Konservativen und Reformern (EKR). Seit dem Beitritt der AUR zu Melonis Fraktion gibt Simion sich besonders Mühe, als EU-Freund und Kreml-Kritiker aufzutreten. Vor dem Fraktionsbeitritt schien Simion in diesem Zusammenhang aber schon mal einiges verwechselt zu haben. In einem Interview mit dem Portal Euraktiv kritisierte Simion die EU 2023 für ihre "Bürokratie" und verglich die Art und Weise, wie sie für die Mitgliedsstaaten Gesetze festlege, mit der Zeit, als Rumänien unter sowjetischer Herrschaft stand und "Moskau bestimmte". Aussagen wie diese lassen für die Zusammenarbeit in der EU - trotz aller Beteuerungen - Schlimmes erahnen.

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