Am Donnerstag wollen sich Vertreter der Ukraine und Russlands in Istanbul zu Friedensverhandlungen treffen. Die Gäste bei "Hart aber fair" sind verhalten optimistisch. Am Montagabend diskutieren sie unter anderem über die Ukraine, die deutsche Außenpolitik und über die seltsamen Geheimgespräche eines Gastes.
Ginge es nach der Bundesregierung, würden in der Ukraine ab heute die Waffen schweigen. Aber noch wird dort weiter geschossen, Menschen sterben. Doch es gibt Hoffnung. Für Donnerstag ist ein ukrainisch-russisches Treffen in Istanbul geplant. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat angekündigt, er werde kommen. Wird es bald Frieden in der Ukraine geben? Darüber diskutieren die Gäste am Montagabend bei "Hart aber fair" im Ersten.
Eine von ihnen ist die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Sie ist Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Europaparlament. "Ich gehe davon aus, dass, wenn Selenskyj kommt, irgendjemand mit ihm spricht", sagt die Politikerin. Die Frage sei nicht, ob gesprochen werde, sondern wer spricht. Auch US-Präsident Donald Trump wolle vielleicht kommen, bei dem russischen Präsidenten Wladimir Putin wisse man das nicht. Trotzdem ist Strack-Zimmermann skeptisch. Immerhin sei eine Vorbedingung für die Gespräche gewesen, dass es vorher einen Waffenstillstand in der Ukraine gebe. Danach sähe es nicht aus.
Der SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner hofft, dass Putin an dem Treffen teilnimmt. "Die Chancen stehen besser, als sie schon mal waren", sagt er vorsichtig optimistisch. "Alles, was diesen furchtbaren Krieg beendet, ist gut, und deswegen muss man auf die Chance setzen. Dass Trump sagt, er komme vielleicht auch, mag dazu beitragen, dass Putin, der ja am liebsten mit Amerika direkt redet, auch kommt. Und das wäre nicht schlecht."
Kiesewetter: Selenskyj sollte auch ohne Waffenruhe kommen
"Wichtig ist, dass miteinander gesprochen wird", sagt auch der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter. Doch er schränkt ein: "Waffenstillstand heißt nicht Frieden, Frieden heißt nicht Waffenstillstand, sondern heißt am Ende: Frieden in Freiheit und Selbstbestimmung und bedeutet auch, dass bestimmte Fragen der Reparationen, der Kindesentführungen unbedingt auf den Tisch müssen."
Selenskyj sollte sich in jedem Fall zu Gesprächen bereit erklären, auch ohne vorherigen Waffenstillstand, so Kiesewetter. "Er kann da einen Punkt setzen. Wir können uns darauf verlassen, dass Putin eben nicht auf diese Vorbedingungen eingehen wird, die wir klugerweise auch gesetzt haben, weil er bisher nie auf solche Vorschläge eingegangen ist. Aber wir müssen ihn ständig fordern. Wir dürfen nicht vergessen, dass dieser Krieg nicht nur militärisch geführt wird, auch gegen die Zivilbevölkerung und kognitiv, also im Hybriden."
Am Wochenende hat der neue Bundeskanzler Friedrich Merz gemeinsam mit seinen Amtskollegen aus Frankreich, England und Polen Kiew besucht und dort auch den ukrainischen Präsidenten Selenskyj getroffen. Während des Gespräches hat Merz dem Präsidenten ein wichtiges Angebot gemacht: "Ruf mich jederzeit an, wenn du Hilfe brauchst." Sinnvoll wäre, wenn auch Merz bei den Gesprächen in Istanbul dabei wäre, sagt der "Welt"-Korrespondent Jörg Wimalasena. Doch er schränkt ein: "Ich weiß nicht, ob Merz da der richtige Mediator ist."
Bringen neue Sanktionen noch etwas?
Gut sei, dass sich Trump in die Gespräche einschaltet, sagt Wimalasena. "Ich fände es gut, wenn sich Merz in Richtung Frieden an solchen Gesprächen beteiligen würde. Die Frage ist nur, ob die außenpolitischen Signale, die er sendet, dafür geeignet sind. Der neue Außenminister hat gerade erst gesagt, der Weg der Ukraine in die Nato ist unumkehrbar. Wenn das die Verhandlungsposition ist, ist es schwierig, für Merz da einen sinnvollen Platz am Tisch zu finden."
Bei den Gesprächen müssten Deutschland und die anderen europäischen Länder ebenfalls ihre Linien ziehen, das dürfe man nicht dem US-Präsidenten überlassen, fordert Strack-Zimmermann. "Die Chance für Europa ist, jetzt eigenständig nach vorne zu gehen und eine eigene Position zu vertreten, so wie Putin auch eine Position vertritt. Putin versteht nur eins: Wenn man sagt, was man will und was man nicht will. Alles andere ist weichgekocht."
Problematisch sei, dass Europa eigentlich nicht handeln könne, entgegnet Wimalasena. Noch mehr Sanktionen und weitere Waffen an die Ukraine würden Putin nicht beeindrucken. Er befürchtet eine gewisse Kriegsmüdigkeit in der Ukraine. Das sehen Strack-Zimmermann und Kiesewetter anders.
Stegner muss sich unangenehmen Fragen stellen
Dann kommt Moderator Louis Klamroth auf die Gespräche, die unter anderem der SPD-Politiker Ralf Stegner mit hohen russischen Vertretern in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku geführt hat. Was dabei herausgekommen ist? Fünfmal wird Stegner von den Gästen und dem Moderator danach gefragt. Nach langem und zeitraubendem Herumlavieren dann endlich die Antwort: nichts. Verhandlungen seien es ohnehin nicht gewesen, einfach nur Gespräche. "Denn wenn man miteinander spricht, erfährt man mehr, als man über Propaganda und Öffentlichkeitsarbeit hört und kann auch selbst vermitteln, was man denkt." Zudem seien Gespräche die Alternative zum Schießen.
Dennoch nennt Kiesewetter die Gespräche "Schattendiplomatie". Und er stellt klar: "Auf der einen Seite ist unsere Außenpolitik, Russland zu isolieren und klar zu sagen, dass wir auf der Seite der Ukraine stehen. Aber so schaffen wir Einfallstore für russische Narrative. Die erzählen natürlich nichts über Großrussland oder andere Sachen." Unglücklich mit Blick auf Polen, die baltischen Staaten oder die Ukraine sei, dass ein Paralleldialog stattfinde, dessen Ergebnisse am Ende unklar seien.
Für die richtigen diplomatischen Gespräche ist Bundeskanzler Merz zuständig. Er habe bereits damit begonnen, Deutschland in die bereits bestehende "Tallinn-Initiative" einzubinden, zu der auch Frankreich, Großbritannien und Polen gehörten, lobt Kiesewetter. Ferner sei wichtig, dass Deutschland alles, was nötig sei, der Ukraine zur Verfügung stelle. "Und dazu gehören nicht nur Waffen, dazu gehört auch, dass wir von Russland abverlangen, immer und immer wieder, die Nuklearwaffen aus Kaliningrad abzuziehen und das Existenzrecht aller Nachbarstaaten anzuerkennen."
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