Die Ukraine und die USA gründen einen gemeinsamen Fonds zum Wiederaufbau des vom Krieg gezeichneten Landes. Der Deal: Washington bekommt Zugriff auf begehrte Bodenschätze. Auch wenn von Selenskyj geforderte Sicherheitsgarantien nun fehlen, kann Kiew mit dem Verhandlungsergebnis zufrieden sein.

Während ukrainische Diplomaten für ein Ende des russisch-ukrainischen Kriegs kämpfen, läuft seit Monaten parallel dazu eine zweite große Verhandlungsschlacht: die Gespräche zwischen der Ukraine und der Trump-Administration über einen Rohstoffdeal. Der erste Unterzeichnungsversuch scheiterte wegen des inzwischen legendären Eklats im Weißen Haus am 28. Februar. Doch fern von der großen Bühne gab es Annäherung und vor kurzem bereits eine von beiden Seiten unterzeichnete Absichtserklärung. Nun ist es so weit: In der Nacht präsentieren der US-Finanzminister Scott Bessent und die ukrainische Vizepremierministerin Julia Swyrydenko das unterschriebene Abkommen.

Wirklich abgeschlossen ist die Sache damit aber noch lange nicht - und zwar nicht nur, weil das Dokument noch vom ukrainischen Parlament ratifiziert werden muss. Dort gibt es selbst in der Regierungspartei skeptische Stimmen. Das unterzeichnete Abkommen ist aber auch vorerst nicht viel mehr als ein vergleichsweise kurzer Rahmenvertrag. Zwei weitere, deutlich kompliziertere Vereinbarungen müssen folgen, die technische Details beinhalten müssen. Außerdem müssen einige ukrainische Gesetze geändert werden. Es liegen also noch einige Schwierigkeiten vor Selenskyj.

Dennoch ist die Unterzeichnung unter den schweren Umständen der Zusammenarbeit mit dem Trump-Team ein Erfolg für die Ukraine. Zwar fehlen die von Selenskyj aus gutem Grund gewünschten Sicherheitsgarantien für sein kriegsgebeuteltes Land. Doch Kiew konnte nach vielen Runden der zähen Verhandlungen, bei denen die US-Seite teilweise frech auftrat, die Amerikaner dazu bewegen, sich von inakzeptablen Forderungen nahezu komplett zu verabschieden.

Ukraine hat inakzeptable US-Forderungen abgewendet

Es war etwa lange unklar, worin der konkrete Beitrag der Amerikaner für den gemeinsamen Wiederaufbaufonds für die Ukraine bestehen sollte. Donald Trump wollte, dass die Ukrainer zunächst die ursprünglich explizit kostenlos zur Verfügung gestellten Hilfen aus der Biden-Ära in Form von Bodenschätzen zurückzahlen. Die USA erhoben Anspruch nicht nur auf Lizenzen für neue Förderstätten, sondern auch auf Erträge aus der bereits laufenden Ausbeutung natürlicher Ressourcen des Landes. Zudem wollten die Amerikaner die Mehrheit im Vorstand des zukünftigen Fonds. Anders als ein kolonialistischer Knebelvertrag lässt sich die erste US-Version der Vereinbarung nicht bezeichnen.

All das findet sich im nun unterzeichneten Vertrag nicht mehr wieder. Es geht explizit nur um neue Lizenzen zur Förderung von Öl, Gas und verschiedenen Metallen. Der Vorstand wird zur Hälfte von der Ukraine und zur Hälfte von den USA besetzt. Zudem müssen nun auch die Amerikaner einen Beitrag in den Fonds zahlen, der theoretisch in Form neuer Waffenlieferungen an die Ukraine geleistet werden könnte. Auch wenn konkrete Ankündigungen neuer Waffenhilfen bisher fehlen, öffnet dies immerhin die Tür für neue Lieferungen. Ein erstes positives Zeichen: Die Trump-Regierung bewilligt Medienberichten zufolge einen kommerziellen Waffendeal in Höhe von 50 Millionen US-Dollar.

Der Chefredakteur der "Jewropejska Prawda", des außenpolitischen Ablegers der "Ukrajinska Prawda" ist von einigen Aspekten des Deals "sogar positiv überrascht", wie er schreibt. Er sieht darin jedoch keinen "Sieg", zumal technische Fragen noch offen sind. "Ja, die Amerikaner sagen, dass diese Aspekte angeblich bereits geklärt sind", so Sydorenko. Die Erfahrungen mit Verhandlungen mit den USA zeigten aber, dass man gut beraten ist, sich nicht zu früh zu freuen.

"Wichtige Lektion" gelernt

Die Variante, die vor dem Eklat im Oval Office auf dem Tisch lag, sei besser gewesen, meint der ukrainische Finanzpolitiker Jaroslaw Schelesnjak von der Oppositionspartei Stimme. Schelesnjak ist mit dem Verlauf der Verhandlungen eng vertraut. Die aktuelle Fassung sei kein "Verrat" und keinesfalls mit einigen der Zwischenentwürfe zu vergleichen. Sie sei aber auch kein "großer Sieg". "Wir haben es unterschrieben, und gut so", sagte der bekannte Banker Serhij Fursa. "Kann dieses Abkommen zur Fortsetzung der Militärunterstützung der Ukraine führen? Theoretisch ja, aber eben nur theoretisch", betont er. "Vor allem konnten wir aber wieder unter Beweis stellen, dass man Trump gegenüber Nein sagen kann, wenn er etwas vorschlägt, was eindeutig den nationalen Interessen der Ukraine widerspricht." Erst dann kann in der Regel ein normales Gespräch beginnen.

"Die Ukraine hat eine wichtige Lektion über die Risiken und Gefahren bekommen, die mit dem Anbieten von Deals an Populisten verbunden sind", kommentierte Mykola Beleskow vom Nationalen Institut für strategische Studien in Kiew, welches auch die ukrainische Regierung berät. Tatsächlich war es ursprünglich Selenskyj selbst, der im Rahmen seines "Siegesplans" das Thema der gemeinsamen Nutzung der Bodenschätze der Ukraine mit den USA ins Spiel gebracht hatte. "Insgesamt gratuliere ich allen dazu, dass wir unsere Beziehungen zur derzeitigen US-Regierung verbessert haben und auf weitere Waffenverkäufe hoffen können", sagte die Journalistin Julija Sabelina, die sich auf die US-Beziehungen und insbesondere das Verhältnis zwischen Kiew und der Trump-Regierung spezialisiert hat.

Doch es bleibt dabei: Bei dem Rohstoff-Abkommen sind viele offene Fragen. Zwar ist es nicht besonders überraschend, dass Sicherheitsgarantien für die Ukraine fehlen. Doch ist es schwer vorstellbar, dass US-Konzerne viel Geld in Förderanlagen investieren, wenn jederzeit ein neuer Konflikt auf dem Gebiet der Ukraine ausbrechen könnte. Sollte Trump dieses Abkommen dazu nutzen, um seiner Anhängerschaft zu erklären, warum sich Geschäfte mit der Ukraine - und damit verbunden auch deren Unterstützung - doch lohnen, haben Wolodymyr Selenskyj und sein Team ihr realistisches Maximalziel erreicht.

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