Die Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen sollen nach Plänen der Bundesregierung im kommenden Jahr nicht mehr Geld für den Zusatzbeitrag ausgeben müssen als bislang. Das Bundeskabinett beschloss am Mittwoch in Berlin einen Gesetzentwurf, der die Ausgaben der gesetzlichen Kassen 2026 um zwei Milliarden Euro senken soll. Dies soll die erwartete Finanzlücke schließen. Die Krankenkassen sahen aber keinen Grund zur Entwarnung – und stellten vielmehr weitere Anhebungen in Aussicht.

Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) zeigte sich nach dem Kabinettsbeschluss zuversichtlich, dass im kommende Jahr der durchschnittliche Zusatzbeitrag „auf dem heutigen Niveau von etwa 2,9 Prozent“ bleiben dürfte. Das Gesetz durchbreche die „zur Gewohnheit gewordene Routine der Erhöhung der Zusatzbeiträge zum Jahresende“. In den vergangenen vier Jahren hätten Versicherte und Unternehmen mehr als 30 Milliarden Euro für die Zusatzbeiträge ausgegeben.

Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) wollte den Optimismus der Ministerin nicht teilen. „Auf den ersten Blick scheint die finanzielle Situation stabil, aber wer genauer hinschaut, erkennt, dass weiterhin Beitragsanhebungen zu erwarten sind“, erklärte Oliver Blatt, Vorstandsvorsitzender des GKV-Spitzenverbandes, am Abend nach der Veröffentlichung der Prognose des GKV-Schätzerkreises zur Beitragsentwicklung.

Die Prognose des Schätzerkreises besagt zwar, dass der durchschnittliche Zusatzbeitrag 2026 auf dem aktuellen Niveau von rund 2,9 Prozent bleiben soll. Hier seien aber nicht alle Faktoren mit eingerechnet, betonte der GKV-Spitzenverband. „Denn viele Kassen müssen ihre gesetzlich vorgeschriebenen Rücklagen auffüllen, und diesen zusätzlichen Finanzierungsbedarf berücksichtigt der Schätzerkreis bei seiner Prognose nicht“, erklärte Blatt.

Die gesetzlichen Krankenkassen sind verpflichtet, 20 Prozent einer Monatsausgabe als Rücklage vorzuhalten. Bis Ende 2024 seien die Rücklagen aber im Gesamtdurchschnitt auf rund sechs Prozent einer Monatsausgabe gesunken, erklärte der Spitzenverband. „Die Verpflichtung zur Auffüllung besteht in 2026 fort und wird Zusatzbeitragssatzanhebungen erforderlich machen.“

Zusatzbeiträge steigen seit Jahren

Die von den einzelnen Krankenkassen erhobenen Zusatzbeiträge sind in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Der durchschnittliche Satz liegt aktuell bei rund 2,9 Prozent – und damit deutlich über dem für 2025 prognostizierten Durchschnittswert von 2,5 Prozent. Die Zusatzbeiträge werden von jeder Kasse selbst festgelegt – und können je nach Finanzlage auch deutlich über den genannten Durchschnittswerten liegen.

90 Prozent der nun im Bundeskabinett beschlossenen Einsparungen – also 1,8 Milliarden Euro – sollen durch eine Änderung der Berechnungsmethode erzielt werden, mit der die gesetzlichen Kassen den Krankenhäusern jedes Jahr zusätzliches Geld für erwartete Kostensteigerungen überweisen.

Dafür wird die sogenannte Meistbegünstigungsklausel ausgesetzt, die für die Krankenhäuser besonders vorteilhaft war. Künftig würden „die Vergütungsanstiege auf die reale Kostenentwicklung begrenzt, tatsächliche Kostensteigerungen werden auch weiterhin refinanziert“, betonte Ministerin Warken.

Weitere 100 Millionen Euro sollen bei den Verwaltungskosten der Krankenkassen eingespart werden, deren Anstieg im kommenden Jahr auf acht Prozent im Vergleich zu 2024 begrenzt werden soll. Bei den Sachkosten liegt der Deckel bei zwei Prozent. Dazu zählen etwa Kosten für Mobiliar, Post- und Fernmeldegebühren sowie Werbemaßnahmen.

Ebenfalls 100 Millionen Euro sollen beim Innovationsfonds der Kassen eingespart werden, indem die Fördersumme im kommenden Jahr einmalig von 200 Millionen auf 100 Millionen Euro gesenkt wird. Die bisherigen Mittel aus dem Fonds seien ohnehin noch nicht in vollem Umfang abgeflossen, erklärte Warken.

Ausgaben der Krankenkasse steigen schneller als ihre Einnahmen

In der GKV-Branche wurden am Mittwoch aber Zweifel laut, ob die beschlossenen Maßnahmen das Defizit wirklich decken können. „Ich halte es für fraglich, ob der durchschnittliche Zusatzbeitrag im kommenden Jahr stabil bei 2,9 Prozent bleibt“, sagte die Vorsitzende des BKK-Dachverbands, Anne-Kathrin Klemm, dem „Politico Newsletter Industrie & Handel“. „Zahlreiche Kassen werden auch 2026 wieder ihre Beiträge erhöhen müssen, um ihre Rücklagen aufzufüllen.“

Die Finanzprobleme der gesetzlichen Krankenversicherung sind vor allem darauf zurückzuführen, dass ihre Ausgaben viel schneller steigen als ihre Einnahmen. Im ersten Halbjahr 2025 gaben die 94 gesetzlichen Kassen laut Gesundheitsministerium 7,8 Prozent mehr aus als im Vorjahreszeitraum. Die Beitragseinnahmen – ohne Zusatzbeiträge – stiegen derweil nur um 5,5 Prozent.

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