Schon vor 13 Jahren rauschte Maria Corina Machado wie ein kleiner Wirbelwind durchs venezolanische Caracas. Es war das Jahr 2012, der Präsident hieß noch Hugo Chavez und war noch demokratisch legitimiert im Amt, wenn er auch bereits mit scharfen Repressionen gegen die Opposition vorging. Die venezolanische Revolution lag in Trümmern, zerstört von korrupten, machtgierigen und skrupellosen Funktionären, die das Land beraubten und die Demokratie aushöhlten.
Die Frau, die aufrecht stehend im Jeep und im weißen Hemd durch die venezolanische Hauptstadt fuhr, war Maria Corina Machado. Sie führte eine Autokarawane an – für Demokratie, Grundrechte und friedlichen Wandel. Die weiße Farbe stand für den pazifistischen Widerstand gegen eine gewalttätige Regierung, die über die Jahre eine Verwandlung vom demokratischen Hoffnungsträger zu einer linksextremen Schläger- und Mörderbande durchlebte. Und die sich heute nur noch mit brutaler Repression im Amt hält.
In den letzten zehn Jahren haben acht Millionen Menschen Venezuela verlassen, auf der Flucht vor dem linksextremen Regime. Fast die ganze Opposition sitzt im Exil oder im Gefängnis. Maria Corina Machado aber bleibt.
Für sie ist es eine Lebensaufgabe, ihr Land vom Joch der Diktatur zu befreien. Und sie kann bleiben, weil sie Rückendeckung aus den USA genießt – von Republikanern und Demokraten gleichermaßen. „Wagt es nie, ihr auch nur einen Finger zu krümmen“, sagte in den letzten Wochen die US-Abgeordnete Maria Elvira Salazar in Richtung Caracas.
Machado ist die rote Linie, die Unantastbare, geliebt vom Volk. Laut Umfragen hätte sie die Präsidentschaftswahlen 2024 mit über 75 Prozent der Stimmen gewonnen – hätte sie auf dem Wahlzettel stehen dürfen, was die Sozialisten verboten. Auf ihren unzähligen Reisen durch ein in den Abgrund gewirtschaftetes Land nahm sie Menschen in die Arme und tröstete sie.
In linken Kreisen im Ausland wird Machado als „rechts“ diffamiert, auch in Deutschland. Dabei ist sie eine klassische Konservative, die Gewalt entschieden ablehnt. Auch wenn es ihr immer schwerer fiel, das auszusprechen.
Sie war die Einzige, die sich zu sprechen traute
Nahezu allen Politikern der konservativen Opposition untersagte man, gegen den heutigen Machthaber Nicolas Maduro anzutreten. Die Sozialisten bedrängten Machado immer wieder. Etwa in der TV-Sendung von Diosdado Cabello, wo sie ihr mit dem Schlagstock drohten.
Oder im Parlament, wo sie von Maduros Schergen tatsächlich geschlagen wurde: Einmal, als Machado noch im Parlament reden durfte, war sie zum Pult marschiert, da schlugen zwei kräftige linke Parlamentarierinnen zu und brachen ihr das Nasenbein. Oben saß der linksextreme Sitzungsleiter Cabello und lachte vergnügt, tatenlos zusehend, wie Machado blutend zusammensank. Später entzog man ihr das Rederecht.
Aber Machado wollte und konnte Venezuela nicht verlassen. „Können Sie sich das vorstellen? Ein Viertel der Bevölkerung einfach weg! Das wären in Deutschland 21 Millionen Menschen“, sagte sie einmal im Interview mit WELT. Damit suchte sie die ganze Dimension des Leids zu beschreiben, das die Menschen in Venezuela ereilt hatte.
In den letzten Jahren musste sie sich zunehmend verstecken. Sie lebte im Untergrund, wie aus dem Nichts tauchte sie bei Demonstrationen der Opposition auf, wo sie die schützende Kapuze herunternahm und ihr Gesicht offenbarte, woraufhin gerührte Menschen sie bejubelten. Machado ist die letzte Hoffnung der Venezolaner, die auf einen friedlichen Machtwechsel hoffen.
Ein friedlicher Machtwechsel war für Machado schon immer die einzige Option. „Maduros Tage sind gezählt“, sagte sie vor den Wahlen 2024. Der kurzfristig für Machado eingesprungene Oppositionskandidat Edmundo Gonzalez gewann sie –doch der Machthaber fälschte das Wahlergebnis und erklärte sich selbst zum Sieger. Bereits die krachend verlorene Parlamentswahl von 2015 hatten die Sozialisten ignoriert, die gewählte Nationalversammlung einfach aufgelöst.
„Mit Maria Corina Machado hat eine unerschrockene Kämpferin für ein freies und demokratisches Venezuela den Nobelpreis erhalten. Die von ihr geführte Mobilisierung von Millionen von Menschen im Vorwahlprozess der Opposition und im Wahlkampf gegen Diktator Maduro, trotz aller Schikanen des Regimes, war eine Energieleistung sondergleichen“, sagt Siegfried Herzog von der Friedrich-Naumann-Stiftung in Mexiko-Stadt. „Das Nobel-Komitee hat mit Maria Corina Machado auch das venezolanische Volk geehrt, das gewaltfrei für seine Freiheit und seine Rechte kämpft.“
Tobias Käufer ist Lateinamerika-Korrespondent. Im Auftrag von WELT berichtet er seit 2009 über die Entwicklungen in der Region.
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