Nach einem stundenlangen Koalitionsausschuss einigen sich Union und SPD auf eine Abwicklung des Bürgergelds. Totalverweigerer sollen schneller sanktioniert werden. Auch darüber hinaus werden die Regelungen verschärft.

Nach wochenlangen Verhandlungen haben sich die Spitzen von Union und SPD auf Verschärfungen beim Bürgergeld geeinigt. Das Bürgergeld wird durch eine neue Grundsicherung ersetzt, so Bundeskanzler Friedrich Merz.

Mit den Änderungen sollen Teile der Anfang 2023 in Kraft getretenen Bürgergeld-Reform rückabgewickelt werden, die Leistung soll künftig einfach nur noch Grundsicherung für Arbeitssuchende heißen. Im Zentrum stehen Verschärfungen, die die Pflichten der Bezieherinnen und Bezieher von Leistungen stärker hervorheben. Fördern und Fordern sollen besser in Balance, Missbrauch soll stärker unter Kontrolle gebracht werden.

Wie sieht die neue Grundsicherung aus?

Derzeit beziehen rund 5,5 Millionen Menschen in Deutschland Bürgergeld. Für diese soll grundsätzlich der Vermittlungsvorrang in Arbeit gelten. Da, wo eine Qualifizierung mit Blick auf die dauerhafte Integration in den Arbeitsmarkt erfolgversprechender erscheint, insbesondere bei den unter 30-Jährigen, soll allerdings eine Qualifizierung Vorrang haben. Langzeitarbeitslose sollen zukünftig deutlich öfter im Jobcenter vorsprechen müssen. Man wolle eine "engere Betreuung" mit einer "deutlich höheren Kontaktdichte", schreiben Union und SPD.

Welche Sanktions-Verschärfungen plant die Koalition?

Konkret soll mit härteren Sanktionen belegt werden, wer gegen die Regeln der Jobcenter verstößt und etwa einen Termin nicht wahrnimmt oder eine Arbeitsaufnahme verweigert. Wer als Empfänger von Grundsicherung einen ersten Termin im Jobcenter versäumt, soll sofort zu einem zweiten Termin eingeladen werden. Wer diesen Termin schwänzt, dem soll die monatliche Überweisung um 30 Prozent gekürzt werden.

Bleibt auch ein dritter Termin ungenutzt, sollen die Geldleistungen komplett eingestellt werden. Alle Leistungen inklusive der Unterstützung zur Unterkunft sollen gestrichen werden, wer auch im Monat darauf nicht erscheint. "Wer nicht mitmacht, wird es schwer haben", sagte Arbeitsministerin Bärbel Bas. "Wir verschärfen die Sanktionen bis an die Grenze dessen, was verfassungsrechtlich zulässig ist."

Wie viel Einsparungen bringen die Sanktionen?

Der Bund wird durch die deutlich verschärften Sanktionen nach Angaben von Bas keine großen Summen einsparen. "Der Betrag wird sehr klein sein", sagte die SPD-Politikerin. Allein über Sanktionen und Mitwirkungspflichten der Bezieher der Leistung sei nicht viel zu erreichen. Union und SPD seien einig, dass Geld nur gespart werden könne, wenn die bisherigen Bürgergeldempfänger eine Arbeit aufnehmen, sagte Bas weiter. Hier gelte als Faustformel, bei 100.000 arbeitenden bisherigen Bürgergeldempfängern werde eine Milliarde Euro eingespart. "Das ist unser gemeinsames Ziel, die Menschen in Arbeit zu bringen", sagte Bas.

Welche Ausnahmen gibt es von den Sanktionen?

Bas kündigte an, dass es Ausnahmen für Härtefälle geben soll. Konkret bedeute dies, "dass psychisch kranke Menschen oder Menschen, die schwere andere gesundheitliche Hemmnisse haben", nicht automatisch in der gleichen Weise sanktioniert würden, wenn sie etwa Beratungstermine verpassten oder Jobangebote nicht angenommen würden. "Wir wollen nicht die Falschen treffen."

Welche weiteren Änderungen sieht die Koalition vor?

Bei der Vermögensanrechnung gibt es künftig keine Karenzzeit mehr. Stattdessen wird das Schonvermögen an die Lebensleistung der Betroffenen gekoppelt - zum Beispiel durch Orientierung an Alter und bisherigen Beitragszeiten in der Arbeitslosenversicherung, heißt es im Beschlusspapier der Koalition. Bei unverhältnismäßig hohen Kosten der Unterkunft entfällt ebenfalls die Karenzzeit.

Welche Änderungen gibt es bei der Höhe der Sozialhilfe?

Alleinstehende erhalten im Bürgergeld derzeit 563 Euro im Monat. Kinder bekommen je nach Alter 357 bis 471 Euro. Im kommenden Jahr soll es die zweite Nullrunde in Folge geben, nachdem die Regelsätze 2023 und 2024 inflationsbedingt deutlich erhöht worden waren. Die von der Koalition gefassten Beschlüsse sehen darüber hinaus derzeit keine Anpassungen bei der Höhe der Grundsicherung vor.

Wie reagiert die Opposition?

Die Linken-Fraktionschefin Heidi Reichinnek kritisierte die geplante Verschärfung beim Bürgergeld scharf. "Die Pläne der Regierung sind menschenunwürdig und rechtlich höchst fragwürdig", sagte die Bundestagsabgeordnete. Die Abschaffung des Bürgergelds sei "nur der erste Schritt eines massiven Angriffs auf den Sozialstaat". Dieser ziele nicht nur auf die Beziehenden des Bürgergelds, sondern auch auf arbeitende Menschen. "Für sie ist das Signal klar: Fordert keine besseren Arbeitsbedingungen, nehmt jede Überstunde hin, auch wenn ihr sicher seid, dass sie am Ende unbezahlt bleibt, fordert keinen besseren Lohn - denn im Bürgergeld wird es noch wesentlich schlimmer."

Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann nannte die geplanten Verschärfungen "menschlich hart und kalt". "CDU und SPD wollen den Menschen alles streichen, was sie zum Leben brauchen". Es gebe kein Geld für Nahrungsmittel und keines für eine Wohnung. Nicht einmal Familien mit Kindern seien davon ausgenommen. Von der Koalition gehe damit nicht nur eine soziale Kälte aus, "es wird auch verfassungsrechtlich nicht haltbar sein", sagte Haßelmann. "Denn wir haben eine Verantwortung und einen Sozialstaat, der ein soziokulturelles Existenzminimum vorsieht." Die Grünen-Politikerin kritisierte besonders die Sozialdemokraten. Die Zustimmung der SPD zu den Plänen entsetze sie.

AfD-Chefin Alice Weidel kritisierte die Pläne der Koalition zur Verschärfung der Regeln beim Bürgergeld und für eine Umbenennung der Leistung. "Die Umbenennung des Bürgergelds ist reiner Etikettenschwindel", die geplanten Sanktionen seien nur kosmetische Korrekturen, schrieb sie auf der Plattform X. "Jeder zweite Empfänger ist Ausländer, das ist der Elefant im Raum", fügte sie hinzu und erneuerte die Forderung ihrer Partei, Grundsicherung nur noch deutschen Staatsbürgern zu gewähren.

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