Wolfram Weimer setzt auf Kulturkampf. Der Kulturstaatsminister der Bundesregierung will verhindern, dass die AfD deutsche Denkmäler und Kulturstätten für sich vereinnahmt. Die politische Mitte solle sich nicht "wegducken", so Weimer im "ntv Salon". Wie groß ist das Problem?
Kommunalwahlen in Ostwestfalen-Lippe. "Ich würde AfD wählen", steht auf einem Wahlplakat, das das Hermannsdenkmal zeigt. So hat die lokale AfD in den vergangenen Monaten Wahlkampf gemacht. Der riesige Hermann ist das Wahrzeichen der Region in Nordrhein-Westfalen, das Denkmal deutschlandweit bekannt. Über 50 Meter hoch thront es über dem Teutoburger Wald, 1875 eingeweiht zu Ehren des Cheruskerfürsten Arminius.
Kulturstaatsminister Wolfram Weimer macht sich Sorgen um Hermann. Das Denkmal werde immer stärker von den politischen Rechten vereinnahmt, hat Weimer im September im ntv Salon gesagt. Der parteilose Minister will verhindern, dass die AfD deutsche Denkmäler und Kulturstätten für ihre Zwecke missbraucht.
Arminius werde von der AfD zum "großen Nationalhelden" stilisiert und damit dem nationalistischen Milieu überlassen, so Weimer. "Aber man kann Arminius auch als einen Robin Hood der Deutschen interpretieren. Oder als einen großen Protestanten, der gegen die römische Übermacht aufsteht. Man kann ihn in ganz vielen Facetten betrachten. Und so wurde er auch über Jahrhunderte betrachtet."
AfD setzt auf Hermann
Deutsche Denkmäler und Kulturstätten sind seit Jahrzehnten im Fokus von Rechten und extremen Rechten. Das Hermannsdenkmal ist ein prominentes Beispiel dafür. Fürst Arminius - eingedeutscht Hermann - hat mit seinen Legionen in der Varusschlacht im Teutoburger Wald im 9. Jahrhundert die Römer besiegt. Er wird oft als der "erste Deutsche" bezeichnet, als germanischer Stammvater und Befreier vom römischen Imperialismus. Das Gebiet rund um das Denkmal nennen Rechtsextremisten "Hermannsland".
Auch die AfD sieht in Hermann einen idealen deutschen Nationalhelden - ein Symbol für Stärke und Freiheit. Das Wahlplakat mit dem Hermannsdenkmal und der Aussage "Ich würde AfD wählen" ist nicht das einzige Beispiel dafür, wie der Cheruskerfürst von der Rechtsaußen-Partei vereinnahmt wird.
Der AfD-Stadtverband Detmold fordert, "dem Hermann die Windräder vom Leib" zu halten. Die mittlerweile aufgelöste AfD-Jugendorganisation Junge Alternative hat sich vor dem Denkmal auch schon in Szene gesetzt.
2018 wollte die AfD mit ihrem Thüringer Landeschef Björn Höcke eine Veranstaltung am Hermannsdenkmal durchführen. Der Landesverband Lippe hat kurzfristig eine Gegenveranstaltung angesetzt und die AfD-Veranstaltung damit verhindert.
Sonnenwendfeier von Rechtsradikalen
Schon viele Jahre vor der AfD war Hermann im Visier von Rechten und Rechtsextremen. Zum Beispiel in den 1960er Jahren, als Rechtsradikale am Denkmal eine Sonnenwendfeier veranstaltet haben. "Einmal im Jahr wird das strapazierte Cherusker auch noch nachts um seine Ruhe gebracht. Dann nämlich, wenn Mitte Juni die Mitglieder des rechtsradikalen Deutschen Kulturwerks Europäischen Geistes ihre Sonnenwendfeier veranstalten", berichtete damals das ARD-Magazin "Panorama".
Schon unter der Nazi-Herrschaft war das Hermannsdenkmal für "überbordenden Nationalismus, menschenverachtende Propaganda und diskriminierende Ideologien missbraucht" worden, blickt der Kommunalverband Landesverband Lippe zurück. Gegen eine entsprechende Vereinnahmung versucht er sich mit einer "Positionierung gegen Rechtsextremismus" auf der Internetseite des Hermannsdenkmals zu wehren.
"Heute dient es Rechtsextremisten als Sinnbild eines übersteigerten Nationalgefühls", wird Michael Zelle, der Direktor des Lippischen Landesmuseums in Detmold, vom "Westfälischen Anzeiger" zitiert.
Die Vereinnahmung erfolgt auf subtile Art und Weise: Rechtsextremisten kommen meist in Gruppen zu Orten wie dem Hermannsdenkmal oder den Externsteinen. "Sie entrollen ein Banner, schießen ein Foto und verschwinden dann schnell wieder. Das Foto wird dann gepostet", erklärt Zelle das Vorgehen.
Auch Externsteine und Wewelsburg im Fokus
Das Hermannsdenkmal ist aber nur ein Beispiel von vielen - allein in der Region Ostwestfalen-Lippe.
Auch die Externsteine in der Nähe des Cheruskerfürsten sind im Fokus von Extremisten. "Sie dienen zur Konstruktion einer eigenen, vermeintlich nationalen Identität", erklärt Museumsdirektor Zelle.
Für Rechtsextremisten sind die Externsteine eine Art germanische Kultstätte. Völkische Kreise haben sie in den späten 1920er Jahren für sich entdeckt. Orte wie die Externsteine würden von Rechtsextremisten "mythisiert zu 'Erinnerungsorten' im eigenen Sinne", wird eine Sprecherin des NRW-Innenministeriums vom "Westfälischen Anzeiger" zitiert. Der Staatsschutz habe derlei Aktivitäten im Blick.
Neben dem Denkmal und der ikonischen Felsformation ist auch die Wewelsburg in Ostwestfalen seit Jahrzehnten ein beliebter Treffpunkt für Rechtsextremisten. Die Burg in der Nähe von Paderborn war als eine zentrale Versammlungsstätte für höhere SS-Führer geplant.
Die Schwarze Sonne auf dem Boden des "Obergruppenführersaals" im Nordturm der Wewelsburg ist sogar zu einem Erkennungszeichen von Rechtsextremisten geworden - weit über die Grenzen von Ostwestfalen-Lippe hinaus.
Weimer setzt auf Kulturkampf aus der Mitte
Wolfram Weimer will diese Orte nicht an Extremisten "verlieren" und setzt dafür auf den Kulturkampf aus der politischen Mitte heraus. "Wenn wir schweigend darüber hinwegsehen, dass die AfD sich den (Hermann, Anm. d. Red.) jetzt holt, dann ist er halt weg. Dann gehört er nicht mehr in die Mitte der Gesellschaft", sagt der Kulturstaatsminister im ntv Salon.
Aus diesem Grund setzt Weimer auf Kulturkampf - die politische Mitte dürfe sich "nicht wegducken", ansonsten würden nur die polarisierten Ränder profitieren. Das Linksaußen-Milieu habe seine Vormachtstellung im Kulturkampf verloren und Rechtsaußen wolle diese an sich reißen, analysiert der Minister.
"Der Verlust der Avantgarde bei der Linken, der ist da. Aber sie liegt wie eine leere Trophäe in der Mitte des Saals. Und natürlich wollen die Rechten sich das greifen. Aber sie haben zum Glück keinen intellektuellen Kosmos und sie haben keine Figuren, die das verkörpern, intellektuell und geistig vertiefen können. Deswegen stehe ich da und sage: Lasst uns in der Mitte die Debatten führen und lasst uns den Freiheitsbegriff offensiv sichtbar machen."
Hambacher Schloss? "Unser Ort der Demokratie"
Weimer nennt ein weiteres Beispiel für die Vereinnahmung von Rechtsaußen: Das Hambacher Schloss in Rheinland-Pfalz. Es ist bekannt für seine wichtige Rolle in der deutschen Demokratiebewegung. 1832 wurde hier das Hambacher Fest gefeiert - eine politische Volksversammlung und ein Meilenstein für Freiheit und nationale Einheit.
Heute ist das Hambacher Schloss ein Museum und Veranstaltungsort - die AfD hat hier schon Parteiveranstaltungen und Kundgebungen ausgerichtet. Die Partei nutzt das Schloss als Symbol für ihre politischen Ansichten. "Da laufen die inzwischen mit Fahnen über einen Ort der Demokratie und die behaupten, es ist ihr AfD-Ort. Dabei ist das unser Ort der Demokratie und deswegen müssen wir diese Kulturkämpfe führen", so Weimer.
Kulturkampf am Kyffhäuser
Erfolgreich geführt wurde solch ein Kulturkampf vor einigen Jahren im Norden von Thüringen. Im Freistaat ist die AfD bekanntlich besonders stark und stellt im Landtag sogar die größte Fraktion. Vom Kaiser-Wilhelm-Denkmal im Kyffhäuserkreis haben sich AfD-Politiker in den vergangenen Jahren aber eher ferngehalten.
Die einflussreiche AfD-Gruppe "Der Flügel" in Thüringen hatte von 2015 bis 2017 drei Jahre hintereinander große Veranstaltungen ganz in der Nähe des Denkmals abgehalten. Seit einem Kreistagsbeschluss im Jahr 2002 dürfen zwar direkt am Denkmal keine politischen Veranstaltungen ausgerichtet werden. Das gilt aber nicht für eine privat geführte Gastwirtschaft unterhalb des Denkmalgeländes, wo sich die AfD-Gruppe traf.
Ab 2018 bis zur Auflösung hielt "Der Flügel" unter Führung von Björn Höcke seine jährlichen Treffen zwar weiter unter dem Namen "Kyffhäusertreffen" ab, allerdings an einem anderen Ort. Die Gaststätte am Fuß des Denkmals habe die große Veranstaltung nicht mehr bewirten können, begründeten Höcke und der damalige AfD-Landeschef von Sachsen-Anhalt, André Poggenburg, den Schritt.
Die Realität ist aber offenbar eine andere: Die lokale Zivilgesellschaft hatte im dritten Jahr des Treffens damit angefangen, gegen die Veranstaltung zu protestieren. Viele Menschen vor Ort wollten nicht mehr, dass das Kyffhäuser-Denkmal von der AfD vereinnahmt wird. Sie begannen damit, die Gastwirtschaft zu meiden. Und gewannen so den Kulturkampf um "ihr" Denkmal.
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