Gesundheitsministerin Warken will Beitragserhöhungen für Versicherte verhindern. Auch die gesetzlichen Krankenkassen wollen diese ihren Mitgliedern ersparen. Doch wie soll die Finanzlücke geschlossen werden? GKV-Chef Blatt hat einige Ideen parat.
Die gesetzlichen Krankenkassen drängen die Bundesregierung, die Versicherten noch vor Beitragserhöhungen zum neuen Jahr zu bewahren. "Es ist noch nicht zu spät, die Beiträge stabil zu halten", sagte der Chef des Spitzenverbands, Oliver Blatt. "Wir hatten in diesem Jahr bisher enorme Ausgabensteigerungen." Die Ausgaben gingen weit schneller als die Einnahmen nach oben. "Deshalb müssen wir nach wie vor davon ausgehen, dass die Zusatzbeiträge Anfang 2026 weiter steigen werden", warnte Blatt. "Auf politischer Ebene ist bisher nichts passiert, um das abzuwenden."
Mit einer Welle kräftiger Beitragserhöhungen hatte das laufende Jahr begonnen. Auch im Jahresverlauf drehte sich die Beitragsspirale mit einzelnen Erhöhungen weiter. Jetzt berechnet der Schätzerkreis für die Krankenversicherung die Finanzentwicklung. Bis 15. Oktober soll seine Prognose vorliegen: Ist die Finanzlücke so groß, dass die Kassen ihre Zusatzbeiträge wieder erhöhen werden?
Warten auf Warkens Antworten
Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) will das verhindern. Darüber liefen Gespräche, sagte sie vor mehr als einer Woche. Ob es doch noch mehr Haushaltsmittel gibt, ist fraglich. Noch klafft trotz vorgesehener Finanzspritzen im Etat eine Lücke von vier Milliarden Euro. Kuriert die Regierung die finanzielle Schieflage noch mit kurzfristigen Sparregeln?
GKV-Chef Blatt kritisierte: "Hätten wir nur halb so viele Gesetzesvorschläge auf dem Tisch, wie gerade Kommissionen gebildet werden, dann hätten wir schon mehr erreicht." Eine Expertenkommission zur Krankenversicherung soll bis März 2026 erste Vorschläge vorlegen, eine Arbeitsgruppe zu den Pflegefinanzen noch im Oktober. Dann gibt es noch die Kommission zum Sozialstaat generell - Ende des Jahres soll sie Empfehlungen geben. Eine weitere Expertenrunde zur Rente soll kommendes Jahr folgen.
Die Krankenversicherung fordert eine Ausgabenbremse. Blatt bekräftigte dafür die Forderung, "die Ausgaben an die Einnahmen zu koppeln". Der Vorteil laut Blatt: Nirgends müsse etwas weggekürzt werden. "Wir haben bisher rund 5,5 Prozent mehr Einnahmen als im Vorjahr." Würden die Ausgaben an die Einnahmen gekoppelt, gäbe es weiter "Luft für Ausgabensteigungen" - wenn auch nicht mehr unbegrenzt.
Was die Versicherten zuzahlen müssen
Könnten die Versicherten stärker zur Kasse gebeten werden - etwa in der Apotheke bei den Zuzahlungen? "Derzeit nehmen die Kassen dadurch 2,6 Milliarden Euro pro Jahr ein", sagte Blatt. Kassenmitglieder zahlen heute zehn Prozent, mindestens jedoch fünf Euro bei Medikamenten darüber, höchstens zahlen sie zehn. "Vorstellen könnte ich mir hier eine inflationsbedingte Anpassung, wie in anderen Bereichen auch", sagte Blatt, "aber keine deutliche Erhöhung". Denn die soziale Komponente sei wichtig, niemand dürfe ausgegrenzt werden.
Und sollte aus Sicht der Krankenkassen gesundheitsschädliches Verhalten finanziell bestraft werden? Blatt fände das "schwierig". "An zwei Punkten sollte man aber über eine Änderung diskutieren", forderte Blatt. "Wieso gehen Abgaben auf Alkohol und Tabak nicht wenigstens teilweise auch an die gesetzliche Krankenversicherung?" Die Folgekosten seien enorm. "Bei Rauchen und Alkohol weiß jeder Konsument, was er tut", sagte Blatt. Gefördert werden könnten mit dem Geld etwa Prävention und gesundes Verhalten.
Wer zahlt die Krankenkasse bei Bürgergeldbeziehern?
"Es ist auch nicht zu spät, dass die gesetzliche Krankenversicherung kostendeckende Bundesmittel für die Aufgaben erstattet bekommt, die sie für den Staat übernimmt", sagte Blatt. Bereits seit Monaten kämpfen die Kassen insbesondere darum, die Kosten für die Gesundheitsversorgung der Menschen mit Bürgergeld erstattet zu bekommen - rund zehn Milliarden Euro pro Jahr.
Doch die Politik soll nach dem Willen der Kassen nicht nur die Kosten-Notbremse ziehen, sondern auch langfristig das Gesundheitssystem umbauen. "Hätten wir früher schon die Strukturen reformiert, dann bräuchten wir jetzt vielleicht keine kurzfristigen Maßnahmen", sagte Blatt. "Umso wichtiger ist es, jetzt Reformen bei den großen Kostenblöcken Krankenhäuser und Arzneimittel und auch im Bereich der Praxen anzugehen."
Allein die Kassenausgaben für die Krankenhäuser stiegen im ersten Halbjahr um 9,6 Prozent auf 54,5 Milliarden Euro. Hinter den Kulissen ringen Bund und Länder um eine Reform der jüngsten Krankenhausreform von Warkens Vorgänger Karl Lauterbach. Blatt sagte: "Wir leisten uns eine Krankenhausversorgung, die (...) unglaublich viel Geld verschlingt, und das in Strukturen, die nicht effizient sind". Die Klinik-Versorgung müsse besser als heute konzentriert werden.
Selbst teuerste Medikamente werden gezahlt
Aber auch bei den Arzneimitteln fehlt es laut den Kassen rund 15 Jahre nach Einführung einer generellen Kosten-Nutzen-Bewertung durch ein Gesetz (AMNOG) inzwischen an passenden Regeln. "Wir haben schnell neue Wirkstoffe - aber auch enorme Kostenanstiege. Wir brauchen dabei mehr Kostenkontrolle", forderte Blatt.
"Die Solidargemeinschaft ermöglicht selbst teuerste Therapien bis hin zu einer Pille für eine Million Euro." Mehr als 40 000 Patientinnen und Patienten mit einer speziellen Krankheit bekämen zum Beispiel Medikamente, die 100 000 Euro oder mehr im Jahr kosten. "Das ist auch richtig. Aber wir brauchen strengere Möglichkeiten, um Wirkstoffe nach ihrem tatsächlichen Nutzen zu bewerten." Standortpolitik, um Hersteller auch mit höheren Preisen nach Deutschland zu locken, sei nicht Aufgabe der Beitragszahlenden.
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