War das Befreiungsschlag oder nur eine Atempause? Großbritanniens Premier Starmer entwirft beim Labour-Parteitag seine Vision des Landes. Im Kern geht es um einen Gegenentwurf zum propagierten Rechtsruck des in Umfragen deutlich führenden Populisten Farage.

Der britische Premierminister Keir Starmer hat beim Parteitag seiner Labour-Partei mit scharfen Attacken gegen den Rechtspopulisten Nigel Farage versucht, die Reihen hinter sich zu schließen. "Wer sagt oder nahelegt, dass Menschen wegen ihrer Hautfarbe nicht englisch oder britisch sein können", der sei "ein Feind der nationalen Erneuerung", sagte er in Liverpool. Der unpopuläre Premier versprach zugleich, für ein "tolerantes, anständiges, respektvolles Großbritannien" kämpfen zu wollen. Seine emotionale Parteitagsrede über seine Vision für ein tolerantes Großbritannien quittierten die Delegierten mit tosendem Beifall.

In Großbritannien tobe eine "Schlacht um die Seele des Landes", sagte der seit knapp 15 Monaten regierende Starmer. Das Land befinde sich an einer "Weggabelung" zwischen "Erneuerung", für die Labour stehe, oder ständigem "Klagen" durch Farages einwanderungsfeindliche Partei Reform UK, die in Umfragen weit vorn liegt. Der Rechtsruck im Land wird von den etablierten Parteien mit großer Sorge betrachtet. Erst vor einigen Wochen zogen mehr als 100.000 Menschen bei einer von Rechtsextremisten organisierten Demonstration durch die Straßen der britischen Hauptstadt.

"Er mag Großbritannien nicht, er glaubt nicht an Großbritannien", sagte der Premierminister über Farage. "Er will, dass ihr so an dem Land zweifelt, wie er selbst." Farage, der maßgeblich zum Austritt Großbritanniens aus der EU beigetragen hatte, wolle "dieses stolze, selbstbewusste Land in einen Wettbewerb der Opfer" verwandeln.

Die Reaktion von Farage folgte prompt. Mit seinen Worten werde er "die radikale Linke anstacheln und ermutigen", warf Farage dem Labour-Politiker vor. Starmer bedrohe damit die Sicherheit von Aktivisten und Parteifunktionären. Ohnehin sei die Rede ein verzweifelter letzter Versuch, das Ruder herumzureißen.

Starmers Partei ruft nach linker Politik

Starmer hatte Labour im Juli vergangenen Jahres nach 14 Jahren in der Opposition zurück an die Macht geführt. Doch seine Beliebtheitswerte sind seitdem massiv eingebrochen. Die Wirtschaft schwächelt, die Arbeitslosigkeit hat ein Vier-Jahres-Hoch erreicht, die Inflation ist höher als in vielen anderen europäischen Ländern, die irreguläre Migration hat zugenommen. Außerdem wurde die Starmer-Regierung von mehreren Skandalen erschüttert.

Kritiker werfen Starmer zudem fehlende Führungskraft vor. In Umfragen liegt Labour inzwischen weit hinter Reform UK - laut einer am Wochenende veröffentlichten Erhebung ganze zwölf Punkte. Starmer selbst ist demnach der unbeliebteste britische Premier seit 1977. In der Labour-Partei sind Rufe nach einer weiter links orientierten Politik laut geworden.

Starmer warb bei seiner Parteitagsrede um Geduld. "Wir müssen klar machen, dass unser Pfad, der Pfad der Erneuerung, lang ist, schwierig ist", sagte der Premierminister. "Er erfordert Entscheidungen, die nicht kostenlos oder einfach sind, Entscheidungen, die für unsere Partei nicht immer bequem sein werden."

Die Starmer-Regierung muss im November einen Haushalt vorlegen, der wohl nicht ohne Steuererhöhungen auskommen wird. Schon jetzt wird spekuliert, dass schlechte Ergebnisse für Labour bei Wahlen in zahlreichen englischen Kommunen wie auch in Schottland und Wales im kommenden Jahr dazu führen könnten, dass Starmers Stuhl wackelt.

Dass es womöglich schneller gehen könnte, zeigten ausgerechnet die Tage vor dem Parteitreffen. Der Bürgermeister der Region Greater Manchester und Starmers Parteifreund, Andy Burnham, hatte für Furore gesorgt, als er damit kokettierte, den Premier als Parteichef abzulösen. Bis zu Starmers Rede sah es so aus, als wäre er der heimliche Star der Konferenz. Burnham ruderte allerdings zurück. Mit seinen Äußerungen habe er lediglich versucht, eine breitere Debatte über die Ausrichtung der Sozialdemokraten anzustoßen.

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