Eine außenpolitisch bedeutsame Woche geht zu Ende. Chefdiplomat Wadephul hat Deutschland bei den UN in New York vertreten und berichtet im Talk von Caren Miosga über seine Eindrücke. Doch wenn es darum geht, klar zu den Konflikten dieser Welt Stellung zu beziehen, steht ihm seine Rolle im Weg.
Es kann sehr unbefriedigend sein, Johann Wadephul zuzuhören. Etwa wenn er die Frage beantworten soll, ob Donald Trump ein lupenreiner Demokrat ist. Oder ob die israelische Regierung beim Krieg im Gazastreifen das Völkerrecht bricht. Deutschlands Chefdiplomat macht seinem Titel alle Ehre und windet sich am Sonntagabend bei Caren Miosga aus konkreten Antworten auf drängende Fragen dieser komplizierten Zeit.
Die Sendung beginnt mit einem Rückblick auf einen typisch erratisch auftretenden Donald Trump, der es bei seiner Rede bei der UN-Vollversammlung am Dienstag mit den Fakten wieder einmal nicht so genau nahm. Beispielsweise lobte er die neue deutsche Bundesregierung für ihre vermeintliche Abkehr von erneuerbaren Energien und Rückkehr zur Atomkraft. Das stimmt natürlich nicht, doch Unwahrheiten wie diese stören Außenminister Wadephul angeblich nicht. "Für mich ist entscheidend, was der amerikanische Präsident am Ende des Tages macht und nicht, was er sagt."
Damit lässt ihn Moderatorin Miosga nicht so schnell davonkommen. Dafür ereignen sich in der zweiten Amtszeit Trumps zu viele absurde, aber auch gefährliche Dinge. Wadephul versucht, das Augenmerk auf die jüngsten politischen Initiativen der Trump-Regierung in Bezug auf eine diplomatische Lösung des Kriegs im Gazastreifen zu lenken. Zu innenpolitischen Verwerfungen in den USA, etwa die beispiellose Verfolgung politischer Gegner und offensichtliche Beeinflussung der Justiz durch die Trump-Administration, will sich Wadephul nicht äußern.
Er nehme die Amerikaner, allen voran seinen Amtskollegen Marco Rubio, als verlässliche Partner wahr. Und natürlich könne er Missstände, die die Europäer oder Deutschen betreffen - wie etwa die Zollpolitik oder Visa-Einschränkungen für Journalisten - ansprechen. Doch eine Sache möchte der CDU-Politiker klarstellen: Er betreibe keine Außenpolitik, die sich in die Innenpolitik eines anderen Landes einmische. Er wolle auch nicht als jemand auftreten, der alles besser weiß als andere. Das sei nicht im deutschen Interesse. Und überhaupt müsse Deutschland eine gewisse Bescheidenheit an den Tag legen, schließlich gebe es den demokratischen Rechtsstaat in den USA schon viel länger als die Bundesrepublik. Doch gerade diesen höhlen Trump und seine Handlanger zusehends aus, führt Miosga an. Es sei nicht seine Aufgabe, dazu Stellung zu nehmen, sondern die von Journalisten, den oppositionellen Demokraten und der Justiz, entgegnet Wadephul.
"Wir sind schon in einer Art unerklärtem Krieg"
Ist Donald Trump also nun ein lupenreiner Demokrat, ein Verfechter der Demokratie, will Miosga wissen. Wadephul antwortet nur auf mehrmalige Nachfrage. "Er ist ein Demokrat." Er sei demokratisch gewählt. Aber: "Ich glaube nicht, dass der deutsche Außenminister derjenige sein sollte, der in dieser Art und Weise Zensuren verteilen sollte oder kategorisieren sollte." Er müsse sich so verhalten, dass er in optimaler Position zu einem von Deutschlands engsten Verbündeten stehe. Europa und die Nato könnten sich nur wirkungsvoll verteidigen und abschrecken, "wenn die USA hinter uns stehen".
Und so beißt sich Miosga an dem charmant argumentierenden Wadephul die Zähne aus. Nicht nur beim Thema Trump. Mutmaßlich russische Drohnen und Kampfjets sorgten in Staaten wie Dänemark, Polen und Estland zuletzt für Alarmstimmung. Der Kreml testet die Nato. Wann werden Provokationen wie diese Konsequenzen nach sich ziehen? Trotz wachsender Unsicherheiten und offensichtlicher Abwehrschwierigkeit sieht der deutsche Außenminister den deutschen Luftraum als sicher an. Doch er gibt zu: Gerade in Sachen Drohnen befinde sich die Bundesregierung momentan in einer Aufholjagd, rechtliche Fragen und Zuständigkeiten müssten noch per Gesetz geklärt werden. Angesichts des seit Jahren andauernden russischen Angriffskriegs in der Ukraine und der Bedeutung von Drohnen auf dem Schlachtfeld ist das auf eine ganz andere Art unbefriedigend.
Der ebenfalls in der Talkshow anwesende Christoph von Marschall mahnt zur Eile. "Wir sind nicht mehr im Frieden", sagt der diplomatische Korrespondent des "Tagesspiegel". "Wir sind schon in einer Art unerklärtem Krieg." Seit Monaten würden Angriffshandlungen durch Russland geschehen, sei es mit Drohnen oder etwa mit Schleppankern, die Datenkabel in der Ostsee zerstörten. Doch wie sollte die Nato, wie sollte Deutschland auf die nicht akzeptablen Handlungen Russlands reagieren? Sollten russische Kampfjets beim Eindringen in Nato-Luftraum abgeschossen werden? Wadephul: Das entscheide nicht der deutsche Außenminister, sondern Nato-Offiziere und die integrierte Luftverteidigung des Bündnisses.
Von Marschall wünscht sich, die Bundesregierung möge offener mit den Menschen reden. Die wollten nicht beruhigt werden, sondern hätten ohnehin das Gefühl, dass ihr Lebensstandard und ihre Sicherheit bedroht sind. Es gehe darum, zu vermitteln, wie das Land mit dieser Bedrohungslage umgehen will. Auch die geladene Politikwissenschaftlerin Daniela Schwarzer erkennt eine geänderte Wahrnehmung in der Bevölkerung. Es brauche jetzt eine gesamtgesellschaftliche Diskussion darüber, was dafür nötig ist, damit Deutschland tatsächlich "kriegstüchtig" ist, wie es Verteidigungsminister Boris Pistorius einst formulierte. Deutschland habe viel zu verteidigen: seine demokratischen Werte und das, was in den vergangenen Jahrzehnten alles erreicht wurde.
Beim Nahost-Konflikt widerspricht Wadephul
Der dritte Themenkomplex des Talks dreht sich schließlich um den Krieg in Gaza. Zuletzt wagten sich mehrere westliche Staaten vor und verkündeten die Anerkennung eines palästinensischen Staates. Deutschland hält sich dahingehend zurück. Und das ändert sich auch am Sonntagabend nicht. Berlin müsse auf dem Weg bleiben, der in den 1990er Jahren in Oslo vereinbart wurde, sagt Wadephul. Israelis und Palästinenser müssten eine Zwei-Staaten-Lösung gemeinsam aushandeln.
Für den Journalisten von Marschall ist fraglich, welchen Einfluss Deutschland überhaupt auf die Konfliktparteien im Nahen Osten ausüben kann. Aus seiner Sicht ist der Fokus auf diesen Konfliktherd übertrieben. Er würde behaupten, "in Israel und im Nahen Osten fragt niemand danach, was Deutschland sagt oder was Europa sagt." "Das stimmt wirklich nicht", widerspricht Wadephul. Arabische Außenminister würden ihn dringend darum bitten, auf Israel einzuwirken, weil sie wüssten, dass Deutschland einen gewissen Einfluss habe. Und bei einer Bewertung der humanitären Katastrophe im Gazastreifen müsse sich auch Berlin klar positionieren. Vor den Vereinten Nationen sprach Wadephul von einer "Hölle auf Erden".
So vehement er sich für die deutsche Rolle im Friedensprozess einsetzt, so wenig lässt sich Wadephul bei der Bewertung des Kriegsgeschehens in die Karten blicken. Das militärische Vorgehen Israels in Gaza wird seit längerem kritisiert. Deutschland hat daraus durchaus Konsequenzen gezogen und liefert etwa keine Waffen mehr, die im Kriegsgebiet eingesetzt werden könnten. Doch ist das, was in dem Palästinensergebiet passiert, völkerrechtswidrig? Das müssten Gerichte entscheiden, sagt Wadephul.
Sanktionen für Israel? "Es kommt darauf an"
Politikwissenschaftlerin Schwarzer formuliert eine Art Ultimatum. Am Ende der neuen Woche, die mit einem Treffen von Israels Premier Benjamin Netanjahu und US-Präsident Trump im Weißen Haus beginnt und in der ein 21-Punkte-Friedensplan im Fokus stehen wird, müsse geschaut werden, ob Israel wirklich an einer Lösung interessiert ist. Dann müsse die Bundesregierung klar benennen, wo sie steht.
Miosga versucht es ein letztes Mal: Würde sich Deutschland im Fall der Fälle möglichen europäischen Sanktionen gegen Netanjahus Regierung anschließen? "Es kommt darauf an", sagt Wadephul. Das müsse die Bundesregierung intern beraten. "Ich kann das nicht allein entscheiden." Ob dieser stoische, stets abwägende Duktus beim Publikum gut ankommt, ist fraglich. Doch immerhin entsteht der Eindruck, Wadephul sei ein durch und durch gewissenhafter Diplomat. Das ist in Zeiten wie diesen schon viel wert.
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