In der Debatte um die Personalie Julia Ruhs beim NDR fordert der WDR-Chefredakteur Aktuelles, Stefan Brandenburg, verschiedene Positionen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk auszuhalten. Man müsse anerkennen, dass sich Menschen mit einem konservativen Weltbild dort nicht ausreichend repräsentiert fühlten. „Wer dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk ohnehin schon misstraut, der fühlt sich gerade sehr bestätigt“, schrieb Brandenburg im sozialen Netzwerk LinkedIn. Die Vorgänge um Ruhs und das Format „Klar“ seien ein „Desaster mit Ansage“.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk habe den Auftrag, alle Menschen zu erreichen, „nicht nur diejenigen, die ähnlich leben und denken wie wir“, schrieb Brandenburg. Dafür reiche es nicht, in den „Tagesthemen“ auch mal einen konservativeren Kommentar zu senden oder in Talkshows entsprechende Gäste einzuladen. „Viel wichtiger ist: Für welche Themen entscheiden wir uns? Mit welchen Fragen gehen wir an diese Themen heran? Wie offen sind wir für den Gedanken, dass man etwas anders sehen kann?“, schrieb Brandenburg. „Und ja, es geht auch darum, zu verstehen, dass die Mehrheiten in diesem Land derzeit eher konservativ sind“, fügte er hinzu.

Ein Beispiel sei die Berichterstattung über Schrottimmobilien im Ruhrgebiet, ein Reizthema in Nordrhein-Westfalen. Seit Jahren kämpfen Städte dort gegen Sozialbetrug vor allem durch Zuwanderer aus Südosteuropa. „Wenn wir so ein Thema aufgreifen, sind sofort diejenigen Kollegen zur Stelle, die sagen: Das diskriminiert doch die Menschen, die dort wohnen.“

Trotzdem müsse man die Realität dort zeigen. „Die AfD lebt davon, zu sagen: Es gibt Missstände, die man nicht benennen darf.“ Brandenburg forderte: „Wir sollten diese Erzählung nicht immer wieder bestätigen. Wir sollten hinsehen - auch dort, wo es wehtut. Wir sollten sagen, was ist.“

Ob das Format „Klar“ darauf die richtige Antwort sei, stellte Brandenburg infrage. „Eine Sendung vorwiegend damit zu bestreiten, alle negativen Aspekte des Themas Migration auf einmal zusammenzutragen“ komme ihm „ziemlich unterkomplex vor“. „Aber wenn man das so macht, und wenn sich eine Moderatorin dann auch noch als konservative Stimme inszeniert, dann sollte man auf die Folgen nun wirklich eingestellt sein.“

„Es ist niemand gecancelt worden“, sagt der NDR-Intendant

Der neue NDR-Intendant Hendrik Lünenborg betonte in einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur, die Entscheidung sei von der Redaktion getroffen worden. „Es ist nicht meine Aufgabe, in die Programmgestaltung einzugreifen“, sagte er. Ruhs werde die Sendung weiterhin für den Bayerischen Rundfunk moderieren, während beim NDR künftig die Journalistin Tanit Koch die Moderation übernehme, wiederholte er. Kritik, Ruhs sei „gecancelt“ worden, wies Lünenborg zurück. „Es ist niemand gecancelt worden“, sagte er wörtlich.

Die Absetzung von Ruhs hatte auch intern für Diskussionen gesorgt: Rund 250 NDR-Mitarbeiter hatten die Entscheidung kritisiert. WELT hatte früh über den Vorgang berichtet. Lünenborg räumte ein, dass die Kommunikation in dieser Frage „nicht optimal“ gewesen sei. Gleichwohl bezeichnete er interne Debatten als normalen Vorgang in einer Redaktion.

Zugleich wies Lünenborg Vorwürfe von Union und AfD zurück, der NDR sei politisch unausgewogen. „Redaktionelle Entscheidungen werden in der Redaktion getroffen“, betonte er. Er wolle jedoch das Gespräch mit der Politik suchen, um deren Vorstellungen von unabhängigem Rundfunk besser zu verstehen.

Angesprochen auf die Kritik an Koch, die 2021 den Bundestagswahlkampf von CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet leitete, sagte Lünenborg: „An Personalien scheiden sich immer wieder die Geister. Das müssen wir aushalten.“ Koch sei eine profilierte und unabhängige Journalistin.

Lünenborg bekannte zudem, dass sein Amtsantritt von den Turbulenzen überschattet wurde. „Ich habe gelernt, dass es keine Schonfrist gibt für neue Intendanten“, sagte er. Gleichwohl wolle er den NDR in den kommenden Monaten stärker regionalisieren und die Vielfalt im Programm weiter ausbauen.

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