Der Bundespräsident nimmt die Koalitionspartner beim Thema Reformen ins Gebet. Der ehemalige Mit-Architekt der Agenda 2010 fordert eindringlich Reformen. Deutschland habe mehrfach gezeigt, dass es dazu in der Lage sei. Es gehe um Vertrauen und Fairness - und darum, Menschen mit den Härten des Lebens nicht alleinzulassen.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier fordert die Bundesregierung zu tiefgreifenden Reformen des Sozialstaats auf. Es sei "zwingend, dass wir uns jetzt schnell und entschieden daran machen, den Sozialstaat effizienter und bürgerfreundlicher zu machen", sagte er beim 83. Deutschen Fürsorgetag in Erfurt. "Der Sozialstaat ist ein Schatz", sagte er weiter. "Reformieren wir ihn, um Wohlstand, Solidarität und Zusammenhalt zu bewahren."
Konkret mahnte das Staatsoberhaupt unter anderem eine "Beseitigung von Fehlsteuerungen, eine bessere Treffgenauigkeit sozialer Transferleistungen" und die "Bekämpfung von Missbrauch" an. Ein "Austausch unter den Sozialbehörden" und "die Digitalisierung der Verwaltungsvorgänge" seien "überfällig", heißt es weiter.
An die Koalition aus Union und SPD gerichtet mahnte er, dass es "nicht um Parteitaktik oder Umfragen" gehe. "Es geht um unser Land! Es geht um den schwierigen Ausgleich von Interessen und um kluge Entscheidungen in der Sache. Dieser Verantwortung müssen Sie gerecht werden!"
Steinmeier bezog sich mehrfach auf vergangene Sozialreformen. Die Agenda 2010 des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder erwähnte er wörtlich aber nicht. "Dass wir Reformen können, das haben wir in der Geschichte der Bundesrepublik immer wieder gezeigt", sagte Steinmeier, der unter Schröder sechs Jahre lang Kanzleramtsminister war.
Deutschland sei nun wieder "an so einem Punkt, an dem Reformen notwendig sind", betonte Steinmeier. "Es ächzt im System. Wir sind - wieder einmal - gefragt, den Sozialstaat neu zukunftsfähig zu machen." Das "Vertrauen in Gerechtigkeit und Fairness" müsse wiederhergestellt werden.
Der Sozialstaat lebe davon, dass "Menschen mit den Härten des Lebens nicht alleingelassen werden", sagte Steinmeier. "Aber er lebt genauso davon, dass es gerecht zugeht, dass jeder trägt, was er kann, und dass seine Leistungen nicht ausgenutzt werden von denen, die sie eigentlich gar nicht brauchen."
Steinmeier sagte weiter: "Auch Leistungsbezieher müssen ein Interesse daran haben, dass diejenigen, die diese Leistungen mit Steuern und Abgaben finanzieren, nicht überfordert werden." Wo wie beim Bürgergeld "die Kosten aus dem Ruder laufen", müsse "gegengesteuert werden". Wenn Leistungsempfänger arbeitsfähig seien, "müssen wir alles daransetzen, sie in Arbeit zu bringen." Bei der Umsetzung von Reformen mahnte der Bundespräsident aber Augenmaß an.
Die schwarz-rote Bundesregierung hatte sich vor dem Hintergrund massiver Sparzwänge eine grundlegende Reform des Sozialstaats auf die Fahnen geschrieben. Die Wege dorthin sind aber in der Koalition umstritten. Kanzler Friedrich Merz sagte, der Sozialstaat sei mit der derzeitigen Wirtschaftsleistung nicht finanzierbar und müsse verschlankt werden. Die SPD lehnt zu starke Einschnitte in den Sozialstaat ab. Bundessozialministerin Bärbel Bas hat im August eine Kommission eingesetzt, die bis Jahresende Vorschläge zur Modernisierung und Entbürokratisierung des Sozialstaats erarbeiten soll. Mit den konkreten Reformen einzelner Sozialsysteme in den Bereichen Gesundheit, Pflege und Rente sollen sich separate Kommissionen befassen.
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