Gegenwärtig sollen sich mehrere Hundert israelische Soldaten auf Sardinien von den Strapazen ihrer Kampfeinsätze erholen. Italien staunt, Aktivisten wüten und die Opposition will wissen, ob es entsprechende Vereinbarungen zwischen Tel Aviv und Rom gibt. Doch Premierministerin Meloni schweigt.
Italien lädt traditionell Menschen aus aller Welt ein, sich entlang der tausenden Kilometer Mittelmeerstrand zu erholen. Aber soll das auch für Menschen aus einem Land gelten, das einen völkerrechtswidrigen Krieg führt? Gar für Soldaten einer Armee, der zahllose Menschenrechtsverbrechen gegen Palästinenser vorgeworfen werden? Insbesondere beim Vorgehen gegen die Hamas im Gazastreifen? Nach einem Zeitungsbericht über israelische Soldaten auf Fronturlaub auf Sardinien sowie in der Region um Ancona diskutieren Teile des Landes aufgeregt über den Umgang mit urlaubenden Israelis - und was womöglich die Regierung von Giorgia Meloni damit zu tun hat.
Anfang September berichtete die Zeitung "Il Fatto Quotidiano" über israelische Soldaten, die Ende 2024 in den Marken und im Sommer auf Sardinien Erholung suchten. Innenminister Matteo Piantedosi musste sich wegen des Themas einer parlamentarischen Fragestunde stellen. Er bestätigte den Abgeordneten die Anwesenheit israelischer Soldaten sowie den Einsatz italienischer Sicherheitskräfte zum Schutz der umstrittenen Gäste. Die Soldaten seien nämlich ein "sensibles Ziel", sagte Piantedosi. Und zwar so sensibel, dass auch die Sondereinheit Digos am Wachschutz beteiligt wurde.
Viele Sarden lehnen Gaza-Krieg ab
Wie viele Soldaten der israelischen Armee derzeit in Sardinien sind, ist öffentlich nicht bekannt. Lokalberichten zufolge könnten es mehrere Hundert sein. Die meisten seien einquartiert in einem Ferienressort von Santa Teresa di Gallura, einem Badeort ganz im Norden der auch bei Italienern beliebten Insel. Einwohner von Santa Teresa di Gallura sollen als erste auf die besonderen Urlaubsgäste aufmerksam geworden sein. Nicht weil sie eine Kippah trugen, sondern weil sich der eine oder andere Urlauber stark danebenbenommen haben soll. Daraufhin begannen sich auch einige zivilgesellschaftliche Organisationen mit den Besuchern zu beschäftigen: Die Bestätigung, es handele sich um israelische Soldaten, zog umgehend Proteste von Pro-Palästina-Aktivisten nach sich.
Auch regionale Politiker meldeten sich zu Wort. Drei sardische Regionalräte forderten, die Flugverbindungen zwischen Olbia und Tel Aviv einzustellen. Es könne nicht sein, dass man den Soldaten einer Regierung, "der Kriegsverbrechen und die Missachtung des internationalen Rechts vorgeworfen werden", erlaube, zu verschnaufen, während die Menschen in Gaza sterben.
Seit März 2024 regiert in Sardinien eine Mitte-Links-Koalition unter Führung von Alessandra Todde von der Partei 5-Sterne-Bewegung. Schon im Mai hatte die Regionalregierung einen Antrag zur Anerkennung von Palästina als Staat verabschiedet. Kurz darauf folgte ein Antrag, "jegliche institutionelle, wirtschaftliche und anderweitige Zusammenarbeit mit Israel zu unterbrechen". Und zwar solange, wie Israel Menschenrechte verletze.
Bürgermeister im Dunkeln gelassen
Die Regierung in Rom dürfte gewusst haben, dass die Gastfreundschaft den israelischen Soldaten gegenüber auf breite Ablehnung in der Bevölkerung stoßen würde, wenn sie bekannt wird. Die Unterstützung für die Sache der Palästinenser ist in Italien breit und insbesondere bei linken Parteien und Organisationen ein großes Thema. Beim Streifzug durch italienische Städte fallen zahlreiche pro-palästinensische Graffiti ins Auge. Die erwartbare Ablehnung erklärt, warum Rom nicht einmal die Bürgermeister der Gastgebergemeinden vorab über ihre kontroversen Gäste informierte.
Neben den sardischen Regionalpolitikern fordert in Rom die ganze Mitte-Links-Opposition eine Erklärung von Premierministerin Giorgia Meloni und ihrer Rechts-Mitte-Koalition. Die zum sozialdemokratischen Partito Democratico gehörende ehemalige Präsidentin der Abgeordnetenkammer, Laura Boldrini, beschuldigte die Regierung der Komplizenschaft mit Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu und dessen völkermörderischer Politik.
Es war aber die Senatorin Alessandra Maiorino der 5-Sterne-Bewegung, die dem Innenminister am meisten zusetzte. Sie fragte Piantedosi, ob es ein Abkommen zwischen Rom und Tel Aviv gebe bezüglich der Erholungsaufenthalte der israelischen Soldaten in Italien. Außerdem wollte sie wissen: "Sind wir wirklich so verlogen, dass wir einerseits die verletzten Kinder aus Gaza in unseren Krankenhäusern aufnehmen, und gleichzeitig den Soldaten, die auf die Kinder schießen, Erholung auf unseren Stränden gewähren?"
Während die Antwort des Ministers zu einem möglichen Abkommen schwammig blieb, ließen die israelischen Streitkräfte (IDF) wissen, dass es sich bei diesen Aufenthalten "um Privatinitiativen handelt, die nichts mit der IDF zu tun haben, also nicht von dieser organisiert werden". Außerdem sei nicht nur Italien ein beliebtes Entspannungs- und Dekompressionsziel, auch Zypern sei sehr gefragt.
"Killers not welcome"
Derweil protestiert die Zivilgesellschaft weiter. In Sardinien wurde vor ein paar Tagen eine Gruppe junger israelischer Touristen, hinter denen Aktivisten Soldaten vermuteten, mit dem Banner "Killers not welcome" empfangen. Auch andere israelische Touristen wurden mit Protesten am Flughafen empfangen. Was einen nun bekannt gewordenen Aufenthalt israelischer Soldaten Ende 2024 in der Region um Ancona betrifft, meldete sich der dortige Partisanenverband zu Wort: In der Stellungnahme der antifaschistischen Widerstandsgruppen der 1940er Jahre hieß es: "Sollten Italien und die Marken zu einem Rückzugsgebiet, sprich Erholungsressort für Soldaten der israelischen Armee geworden sein - eine Armee, die Tausende Menschen niedergemetzelt hat - dann müssen sich die nationale und regionale Regierung dafür verantworten."
Premierministerin Meloni schweigt derweil. Probleme auszusitzen gehört mittlerweile zum Kern ihrer Politik. Vor allem, wenn es eigentlich klare Positionierungen braucht. In solchen Fällen verzichtet sie sogar auf ihre notorischen Facebook-Videos. Ein Kommunikationsweg, den sie weitaus mehr liebt, als sich mit der Opposition im Parlament zu konfrontieren oder mit Journalisten zu sprechen.
Diese Strategie ist auch den Spannungen in der Koalition geschuldet. Die herrschen vor allem zwischen ihren beiden Stellvertretern: Außenminister und Forza-Italia-Chef Antonio Tajani sowie Matteo Salvini von der zunehmend rechtsradikalen Lega tragen ihre Differenzen mittlerweile öffentlich aus. Gleich, ob es um Gaza, die Ukraine oder die militärische Aufrüstung geht. Am Donnerstag forderte das EU-Parlament die Mitgliedsstaaten auf, den Staat Palästina anzuerkennen. Italiens drei Regierungsparteien stimmten dazu wie folgt ab: Melonis Partei Fratelli d'Italia enthielt sich, Tajanis Forza Italia votierte mit Ja, Salvinis Lega mit Nein.
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