Unmittelbar nach der Ernennung eines neuen Premierministers ist es in der Nacht in Frankreich zu zahlreichen Protesten gekommen. Mülltonnen brannten, Straßen blockiert. Mit den Demonstrationen soll das ganze Land blockiert werden. Sie stehen unter dem Motto „Bloquons tout“ („Lasst uns alles blockieren“).

Die Behörden machen sich auch auf Sabotageaktionen gefasst. Die Protestaufforderungen erfolgten dezentral, viele verschiedene Seiten wollen ihrem Ärger Luft machen. Unter anderem Linke, Gelbwesten-Gruppierungen und Gewerkschaften wie etwa die der Eisenbahner riefen zum Protest auf.

Die Proteste sind vor allem eine Reaktion auf den Sparhaushalt-Vorschlag des bisherigen Premiers François Bayrou. Am Montag hatte dieser nach nicht einmal neun Monaten im Amt in der Nationalversammlung eine Vertrauensfrage verloren und seine Mitte-Rechts-Minderheitsregierung so zu Fall gebracht.

Für den neuen Premier Sébastien Lecornu stehen nun Gespräche mit den verschiedenen politischen Lagern an, um zu einem Sparhaushalt für das hoch verschuldete Land zu kommen.

Innenminister mobilisiert 80.000 Polizeikräfte

Die Behörden sind in Alarmbereitschaft: Innenminister Bruno Retailleau hatte angekündigt, 80.000 Polizeikräfte zu mobilisieren und entschieden gegen Blockade-Aktionen durchzugreifen.

Im täglichen Leben kann es zu Einschränkungen kommen, sagte der Innenminister weiter. Die französische Bahn kündigte Beeinträchtigungen im Regionalverkehr an. Auch die Abläufe an französischen Flughäfen könnten ins Stocken geraten, warnte die französische Zivilluftfahrtbehörde DGAC. Auch in Unternehmen und an Universitäten soll es französischen Medien zufolge Protestaktionen geben.

Auch Macron in der Schusslinie der Proteste

Unter Druck steht aber auch Staatschef Emmanuel Macron. Die altlinke Partei LFI forderte seinen Rücktritt. Die Rechtsnationalen wollten mit einer Parlamentsauflösung den Weg für Neuwahlen freimachen. Dass Macron schon einen Tag nach der verlorenen Vertrauensfrage von Bayrou einen neuen Premier ernannte, kann auch als Versuch gewertet werden, selbst aus der Schusslinie zu kommen.

Der neue Premierminister und frühere Verteidigungsminister Lecornu gilt als sein Vertrauter – ob das Macron hilft, bleibt abzuwarten. Die ersten Reaktionen der bisherigen Opposition fielen alles andere als positiv aus.

Seit der Parlamentswahl im vergangenen Jahr ist die Nationalversammlung tief gespalten. Macrons Mitte-Leute, Le Pens Rechtsnationale und das linke Lager stehen sich als drei große Blöcke gegenüber. Eine eigene Mehrheit hat keiner von ihnen.

Zeit drängt bei Haushalts-Aufstellung

Lecornu soll nun mit den politischen Kräften in der Nationalversammlung beraten, um den dringend nötigen Haushalt auf die Beine zu stellen, hieß es der Mitteilung des Élysée-Palastes zu seiner Ernennung. Auch Vereinbarungen für die Entscheidungen der kommenden Monate solle Lecornu treffen, heißt es weiter. Gemeint sein dürfte, dass Lecornu sondiert, welche Parteien Teil einer Koalition sein könnten, wer ihn dulden könnte oder zumindest bei einzelnen Themen bereit wäre, gemeinsame Sache zu machen.

Lecornu wird nachgesagt, einen gewissen Draht zu der rechtsnationalen Führungsfigur Marine Le Pen zu haben. Er gilt als Politiker, der von der bürgerlichen Rechten toleriert wird und dem im linken Lager zumindest keine Komplett-Ablehnung entgegenschlägt.

Lecornu wandte sich noch am Abend seiner Ernennung direkt an die Menschen im Land. Er sagte, er verstehe die Erwartungen und kenne die Schwierigkeiten, und versprach, mit Demut ans Werk zu gehen.

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