Eine neue Umfrage bestätigt Befürchtungen all jener, die es nicht mit der AfD halten. In Sachsen-Anhält käme die Partei demnach derzeit auf 39 Prozent der Stimmen. Damit droht ein Durchmarsch der Rechtspopulisten. Doch gelaufen ist noch gar nichts.
Für Sven Schulze dürfte diese Umfrage erstmal ein Magenschwinger sein. Ein Moment zum Durchatmen. Wer sich nun fragt: "Sven - wer?" ist nicht allein. Der 46-Jährige ist zwar Minister und CDU-Chef in Sachsen-Anhalt, aber nicht einmal in seinem Heimatbundesland ist er sonderlich bekannt. Nur rund die Hälfte der wahlberechtigten Landesbewohner weiß, wer er ist. Ergab besagte Umfrage. Und das ist sein Problem - der Mann möchte in einem Jahr Ministerpräsident werden.
Aber der Reihe nach. Die Magenschwinger-Umfrage von Infratest-Dimap veröffentlichten soeben die "Mitteldeutsche Zeitung" und die "Magdeburger Volksstimme". Demnach könnte die AfD in Sachsen-Anhalt derzeit mit 39 Prozent der Stimmen rechnen. Die CDU käme dagegen nur noch auf 27 Prozent.
Sogar die absolute Mehrheit ist für die AfD in Reichweite. Kommen neben ihr nur CDU und Linke in den Landtag, könnten rund 40 Prozent dafür reichen. Es wäre ein Durchmarsch, ein Triumph - der größte der AfD-Geschichte. Immerhin: Die wahrscheinlichste Variante ist das nicht. Doch auch sonst droht ein schwieriges Ergebnis. Womöglich wird sich die Union von der Linken dulden lassen müssen. Es ist kompliziert.
Haseloff mag nicht mehr
Im Juni hatte eine andere Umfrage noch weitaus freundlichere Zahlen ergeben: Die CDU stand bei 34 Prozent, die AfD bei 30. Doch in Sachsen-Anhalt ist seit dem 7. August alles anders. Da erklärte Ministerpräsident Reiner Haseloff, er wolle nicht noch einmal kandidieren. Eine Überraschung war das nicht - eine Enttäuschung für viele hingegen schon. Denn in Haseloff sehen viele im Land ihren Landesvater, er ist unheimlich beliebt. 56 Prozent mögen ihn, an diese Werte kommt niemand sonst heran.
Haseloff hat es bei der letzten Wahl allen gezeigt. Seine CDU führte er bei der Landtagswahl 2021 zu triumphalen 37 Prozent. Die AfD schrumpfte um 3,5 Prozent auf gut 20. Das war ein Ausrufezeichen, das in ganz Deutschland wahrgenommen wurde. Und bestätigte eine alte Weisheit: Starke Köpfe sind für Landtagswahlen mindestens so wichtig wie die Parteien selbst. Andere jüngere Beispiele dafür sind Dietmar Woidke in Brandenburg, Michael Kretschmer in Sachsen oder auch Daniel Günther in Schleswig-Holstein, der sogar die 40-Prozentmarke knackte.
Auch Haseloff war so ein Zugpferd. Doch der knorrige 71-Jährige mag nicht mehr. Sein designierter Nachfolger ist der bereits eingangs erwähnte Sven Schulze. Er kommt aus einem Dorf bei Quedlinburg, ist gelernter Ingenieur und war Vertriebsleiter bei einem mittelständischen Unternehmen. Seit vier Jahren ist er Wirtschafts-, Tourismus- und Landwirtschaftsminister im Kabinett Haseloff. Davor saß er sieben Jahre im Europaparlament. Ein beeindruckender Lebenslauf. Einer, dem man das höchste Amt zutrauen kann. Wenn er nur nicht so verdammt unbekannt wäre.
Zeit für einen Generationenwechsel?
Ortstermin in Magdeburg, vergangene Woche. Schulze spricht beim Bundestreffen der Senioren-Union, das praktischerweise in der Landeshauptstadt stattfindet. Als Haseloff 2011 angetreten sei, hätten auch viele gesagt: "Wer ist das eigentlich?", erzählt er mit leicht mundartlichem Zungenschlag. Der folgte damals auf Wolfgang Böhmer, der von 2002 bis 2011 Ministerpräsident war. Schulze erzählt, wie Böhmer damals groß plakatiert worden sei, ohne Namen und ohne Hinweis auf die CDU. "Der Garant" habe da nur gestanden. Weil jeder ihn kannte. Weil jeder wusste, was sie an ihm hatten. Damals sei Haseloff der Newcomer gewesen. Und jetzt sei es eben wieder Zeit für einen Generationenwechsel, sagt er mit fester Stimme. Mit ihm, Sven Schulze, an der Spitze.
Klingt ganz einfach, ist es aber nicht. Die Ära, in der die CDU ein Abo auf die Staatskanzlei in Magdeburg hatte, geht zu Ende. Seit 2002 regieren die Christdemokraten durchgehend. Doch schon vor der neuen Umfrage war klar: Die Wahl im September 2026 wird kein Selbstläufer mehr. Sondern ein harter Kampf.
Der womöglich auch in der eigenen Partei ausbrechen könnte. Schulze grenzt sich klar und deutlich von der AfD ab. Aber in seinem Landesverband sind nicht alle so klar. Immer wieder gibt es Diskussionen über die Brandmauer zur AfD. Der CDU-Abgeordnete Ulrich Thomas verstieg sich vor einigen Jahren zu der Formulierung, man müsse "das Nationale mit dem Sozialen" versöhnen. In diesem April forderte der gleiche Abgeordnete, das Kooperationsverbot mit der AfD und der Linken zu kippen. Aber auch ohne mit der AfD zu sympathisieren, hadern viele Christdemokraten mit dem ständigen Zwang zu Koalitionen mit linken Parteien.
Trotz allem: Mehrheit will CDU-geführte Regierung
Erstmal muss Schulze überhaupt zum Spitzenkandidaten nominiert werden. Am 1. November soll er gekürt werden. Dann beginnt das Projekt Wahlsieg erst. Die Themen: Lehrermangel, Ärztemangel, der Wolf. Gleichwertige Lebensverhältnisse in Stadt und Land, wo 80 Prozent der Menschen leben. Aber es interessieren auch Themen, die eigentlich nur die Bundesregierung anpacken kann: Zuwanderung zum Beispiel, aber auch das Bürgergeld.
Bei der Senioren-Union erzählt Schulze von einem Termin mit Bundesinnenminister Alexander Dobrindt auf dem Markt in seiner Geburtsstadt Quedlinburg. Aus geplanten fünfzehn Minuten seien anderthalb Stunden geworden. Dobrindts Grenzkontrollen und Zurückweisungen kämen an, meint Schulze. Geplante Reformen des Sozialstaats sollen der CDU in Sachsen-Anhalt ebenfalls Rückenwind geben. "Uns geht es nicht um die alleinerziehende Mutter", sagt er. "Es geht um die, die morgens lieber liegen bleiben."
Auch einen Satz zur AfD sagt er. Die beherrsche die Problembeschreibung, aber nicht deren Lösung. Man könnte auch sagen: Sie bedient den Frust über all die Krisen, Kriege und Katastrophen. Die Angst, dass harte Arbeit sich nicht mehr lohnt. Und das gelingt ihr ausweislich der jüngsten Umfrage ziemlich gut. Aber in einem Jahr kann viel passieren. Zumal die Umfrage auch eine Erkenntnis bereithält, die nicht so recht zum Rest passen will: 47 Prozent der Befragten meinen, die CDU solle die Landesregierung führen. Nur 37 Prozent trauen das der AfD zu. Chancenlos ist Schulze also keineswegs.
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