Die Gelegenheiten, in denen der Thüringer AfD-Landeschef Björn Höcke innerhalb der AfD auf offener Bühne angegriffen wurde, können in den vergangenen Jahren an einer Hand abgezählt werden. Höcke ist es über die Jahre immer wieder gelungen, Kritiker bis hin zu Bundesvorsitzenden aus der Partei zu drängen. Nun ist die Zahl seiner parteiinternen Gegner erneut geschrumpft.
Das Landesschiedsgericht der Thüringer AfD hat den ehemaligen Bundestagsabgeordneten Klaus Stöber nach einem Antrag des Landesvorstands aus der Partei ausgeschlossen. Dies geht aus dem Buch „Höcke. Ein Rechtsextremist auf dem Weg zur Macht. Die AfD und ihr gefährlichster Vordenker“ des Autors dieses Texts hervor, das am 15. September im Herder-Verlag erscheinen wird.
Laut AfD-Satzung kann ein Mitglied nur dann ausgeschlossen werden, wenn es „erheblich gegen die Grundsätze oder Ordnung der Partei“ verstößt und der Partei dadurch einen „schweren Schaden“ zufügt. Das Schiedsgericht folgt dem Antrag des Vorstands, der diesen „schweren Schaden“ mit öffentlichen Stellungnahmen begründet, die Stöber gegen die Landesvorsitzenden Höcke und Stefan Möller gerichtet und ausgerechnet vor der wichtigen Landtagswahl im September des vergangenen Jahres veröffentlicht hat.
Hintergrund der Postings war die Aufstellung der Direktkandidaten im Kreisverband Westthüringen im Februar 2024. Sowohl im Wahlkreis Wartburgkreis II als auch im Wahlkreis Wartburgkreis III hatten sich AfD-Politiker in Kampfkandidaturen gegen die Wunschvorschläge aus dem Landesvorstand durchgesetzt. Höcke und Möller beantragten beim Landesschiedsgericht anschließend erfolgreich die Anfechtung der Ergebnisse. Es hätten „verdeckt Aktivitäten“ stattgefunden, um die vom Vorstand vorgeschlagenen Kandidaten „zu diffamieren und demontieren“, heißt es in dem internen Schreiben.
Federführend sei hierbei der Bundestagsabgeordnete Klaus Stöber gewesen. Die Vorstellungszeit von maximal drei Minuten sei zudem ein „eklatanter Verstoß gegen den Grundsatz der freien Wahl“. Eine „Wiederholung der Wahl“ sei anzuordnen.
Das Partei-Schiedsgericht folgte dem Antrag. Das Landgericht Meiningen untersagte dem Kreisverband allerdings, eine Wiederholungswahl abzuhalten. Der Landesvorstand entschied daraufhin, die Wahlvorschläge nicht zu unterzeichnen und machte diese damit ungültig. In beiden Wahlkreisen trat die AfD daher bei der Landtagswahl nicht an.
„Wer im Stil von Angela Merkel eine ordnungsgemäße Wahl rückgängig macht, weil ihm die gewählten Kandidaten nicht passen, der hat jede Bodenhaftung verloren und disqualifiziert sich nicht nur als Landesvorsitzender, sondern auch als möglicher Ministerpräsident!“, postete Stöber daraufhin im Juli 2024 auf Facebook.
Kurz darauf erhielt Stöber von Co-Landeschef Möller und Landes-Vize Torben Braga eine Aufforderung zur Unterlassung. „Mit Ihrer Behauptung, der Landesvorstand habe ‚Mitglieder des Landesvorstandes inklusive enger Mitarbeiter und Vertrauter auf aussichtsreiche Wahlkreise‘ verteilt, versuchen Sie den Eindruck politischer Vetternwirtschaft zu erwecken“, heißt es in dem Schreiben. Stöber greife den Spitzenkandidaten Höcke an. Es sei „in jeder Hinsicht inakzeptabel und nicht zu tolerieren, dass Sie den Wahlkampf Ihres eigenes Landesverbandes in dieser Form öffentlich sabotieren“, schreiben die Höcke-Vertrauten.
Daraufhin eskalierte Stöber den Konflikt weiter.
Zehnseitiger Brief an die Bundesvorsitzenden
Höcke und Möller seien „eine Schande für diese Partei“ und würden „die aufopferungsvolle Arbeit der Basismitglieder untergraben“, hieß es in einem weiteren Facebook-Posting von Juli 2024. Auf Wunsch von Parteichef Tino Chrupalla löschte Stöber den Beitrag kurz darauf wieder.
Noch im selben Monat schickte Stöber dann einen zehnseitigen Brief an die Bundesvorsitzenden Chrupalla und Alice Weidel, der nun ebenfalls im genannten Buch über Höcke öffentlich wird. Zu den „Machenschaften des Landesvorstands“ habe er „viel zu lange geschwiegen“, heißt es darin. „Ich hätte mir vor neun Jahren, als ich in die AfD eingetreten bin, niemals träumen lassen, dass man innerhalb der Partei, die so viel anders sein will als die Altparteien, derart skrupellos gegen die eigenen Mitglieder vorgeht, um seine persönlichen Ziele als Landesvorsitzender zu erreichen.“ Es würden „teilweise Methoden angewandt, gegen die ich und andere 1989 auf die Straße gegangen sind, um der SED und der Stasi ein Ende zu bereiten“.
Bei der Landtagswahl im September gewann schließlich die CDU beide Wahlkreise, in denen keine AfD-Kandidaten antreten konnten. Bei den Zweitstimmen lag die AfD in beiden Kreisen mit großem Abstand vorn, sodass sie mit Direktkandidaten die Wahlkreise wahrscheinlich gewonnen hätte. Von der Landesliste wäre dann ausschließlich Björn Höcke in den Landtag eingezogen, der in seinem Wahlkreis vier Prozentpunkte hinter dem CDU-Kandidaten landete. Bei einer weiteren erfolgreichen AfD-Direktkandidatur hätte die Landesliste gar nicht mehr gezogen – und Höcke hätte den Einzug in den Landtag verpasst.
Im Oktober 2024 leitete der Landesvorstand dann ein Parteiausschlussverfahren gegen Stöber ein. Kritik sei „natürlich auch an führenden Köpfen des Landesverbands zulässig“, sagte Möller damals WELT – „Wahlkampfsabotage“ allerdings nicht. Das Schiedsgericht folgte dem Antrag in einem bislang nicht bekannt gewordenen Urteil bereits im März 2025. Stöber akzeptiert die Entscheidung nicht. Das Verfahren liegt daher momentan vor dem Bundesschiedsgericht.
Im Dezember 2024 nutzt Stöber die Bühne des Landesparteitags in Arnstadt, um ein weiteres Mal öffentlich mit Höcke abzurechnen. Bei der Wahl der Vorsitzenden kandidierte Stöber gegen Höcke.
Der Landeschef umgebe sich „zielgerichtet mit Leuten, die weder dich noch die Partei noch dieses Land im Sinn haben“, behauptete Stöber in seiner Rede. Höcke stelle sich „zu sehr in den Mittelpunkt“. Stöber wurde ausgebuht, Höcke mit 92 Prozent wiedergewählt.
Politikredakteur Frederik Schindler berichtet für WELT über die AfD, Islamismus, Antisemitismus und Justiz-Themen. Am 15. September erscheint im Herder-Verlag sein Buch über den AfD-Politiker Björn Höcke. Zweiwöchentlich erscheint seine Kolumne „Gegenrede“.
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