Der Sudan steckt in einer der schwersten Krisen seiner Geschichte. In weiten Teilen des Landes herrscht eine Hungersnot. Sexuelle Gewalt gegenüber Frauen und Mädchen wird als Kriegsmittel eingesetzt. Aber der Konflikt steht im Schatten anderer Kriege.
Die Vereinten Nationen sprechen von der größten humanitären Krise, die die Welt derzeit erlebt. Die Rede ist nicht von Gaza, sondern vom Sudan, wo seit April 2023 ein blutiger Bürgerkrieg zwischen der paramilitärischen Miliz Rapid Support Forces (RSF) und der sudanesischen Armee tobt.
Die Auswirkungen für Millionen Menschen sind schrecklich. In Teilen des Landes herrscht eine Hungersnot. Doch sterbende Kinder im Sudan bleiben unsichtbar. Auf sozialen Medien gibt es kaum Solidaritätskundgebungen oder Empörungen über das Leid von Millionen Menschen - etwa im Gegensatz zum Gaza-Krieg. Ein Blick auf die Situation in einem der größten Länder Afrikas.
Hunger
Bereits im vergangenen Jahr hatten die Vereinten Nationen eine Hungersnot im Flüchtlingslager Samsam in der Region Nord-Darfur festgestellt. Das Lager gibt es nach einem Angriff im Frühling nicht mehr, doch der Hunger ist geblieben, gerade in den Regionen Darfur und Kordofan, die weitgehend von der RSF kontrolliert werden.
In der seit Mai 2024 belagerten Stadt El Fascher mit mehreren hunderttausend Einwohnern sind die meisten Vorräte aufgebraucht, die Versorgungsrouten abgeschnitten. Gemeinschaftsküchen, die monatelang die notwendigste Versorgung organisierten, können nicht mehr arbeiten. Eine sudanesische Ärzteorganisation berichtet, dass 40 Prozent der Kinder dort akut unterernährt sind, mehr als jedes zehnte Kind sei in einem kritischen Zustand.
In Städten wie El Fascher oder Tawila sterben Kinder an Hunger - auch, weil sie nicht mit Hilfsgütern erreicht werden können. Fast 25 Millionen Menschen und damit etwa die Hälfte der Bevölkerung leidet nach Angaben des Welternährungsprogramms unter Nahrungsmittelunsicherheit. Zwei Millionen Menschen sind den Angaben zufolge akut von Hunger bedroht.
Millionen auf der Flucht
Auch wenn nach der Rückeroberung der Hauptstadt Khartum im März dort eine erste Rückkehr von Geflüchteten eingesetzt hat, bleibt der Sudan nach UN-Angaben das Land mit den meisten Flüchtlingen und Binnenvertriebenen weltweit. Mehr als zwölf Millionen Menschen sind den Angaben zufolge auf der Flucht innerhalb des Sudans oder in Nachbarländern.
Viele Menschen mussten mehrfach fliehen. Wer Glück hat, hat in einer ehemaligen Schule immerhin ein Dach über dem Kopf. Doch viele campieren unter freiem Himmel oder leben in Behelfsunterkünften. Zudem bieten auch Flüchtlingslager nicht immer Schutz. Mehrmals wurden Lager angegriffen, Bewohner und Helfer getötet.
Sexuelle Gewalt
Vor allem Frauen und Mädchen im Sudan sind nicht sicher. Die Berichte von Organisationen, die sich um Opfer sexueller Gewalt kümmern, sind erschütternd. "Sexuelle Gewalt ist ebenso verbreitet wie Gewehre und Kugeln", sagte eine Hebamme einer UN-Agentur. Kämpfer der RSF vergewaltigten insbesondere Frauen und Mädchen, die nicht-arabischen Volksgruppen angehören, so das Frauennetzwerk Siha. Das Netzwerk dokumentierte Fälle, in denen Frauen an den Folgen von Gruppenvergewaltigungen verbluteten oder Selbstmord begingen.
Ein internationaler Helfer in Tawila, wohin Zehntausende nach dem Angriff auf das Flüchtlingslager Samsam flohen, berichtet, dass viele Frauen und Mädchen unterwegs vergewaltigt wurden. "Inzwischen wird über sexuelle Gewalt gesprochen, selbst Männer reden darüber", sagt er über die Gewalt, die lange tabuisiert und verschwiegen wurde.
Menschenrechtsgruppen werfen vor allem der RSF ethnische Säuberungen in Darfur und anderen Gebieten mit nicht-arabischer Bevölkerung vor. Von Folter, Massakern und willkürlichen Erschießungen sind in den Berichten etwa von Human Rights Watch und Amnesty International die Rede.
Gesundheitswesen
Große Teile des Gesundheitswesens im Sudan sind nicht mehr oder nur teilweise funktionsfähig. Es mangelt gerade in Städten wie El Fascher an Verbandsmaterial, Medikamenten oder Schmerzmitteln. Internationale Hilfsorganisationen wie die Ärzte ohne Grenzen (MSF) mussten an mehreren Orten wegen zunehmend lebensgefährlicher Lage ihren Einsatz beenden.
Auch Masernausbrüche gefährden das Leben von Kindern, so MSF. Die Lage ist umso kritischer, weil etwa in Regionen wie Darfur aufgrund des Konflikts seit zweieinhalb Jahren oft keine Impfungen durchgeführt werden konnten. Zudem grassiert in verschiedenen Regionen des Sudan derzeit eine Choleraepidemie, die gerade bei geschwächten und unterernährten Patienten einen schweren Verlauf nehmen und zum Tode führen kann.
Hindernisse für Helfer
Vor allem in den Kampfgebieten ist die Arbeit für Helfer einheimischer und internationaler Organisationen gefährlich. Wiederholt wurden Konvois des Welternährungsprogramms angegriffen und Lager geplündert. Nach Nord-Darfur können Hilfsgüter nur über den Tschad gelangen - doch nachdem nun die Regenzeit eingesetzt hat, sind vor allem in den gebirgigen Gegenden viele Straßen unpassierbar.
Hinzu kommen Straßensperren und Checkpoints bewaffneter Gruppen, die "Wegezoll" verlangen. Auch weigert sich die sudanesische Regierung immer wieder, Transporte in Regionen zu genehmigen, die unter RSF Kontrolle stehen. Visa an internationale Helfer werden oft erst nach Monaten erteilt.
Eine unsichtbare Katastrophe?
Es gibt kaum Fernsehbilder von Hunger im Sudan. Es sind lokale Menschenrechtsgruppen und Netzwerke, die Berichte sammeln und Kontakt zur Außenwelt suchen. Internationale Helfer können häufig nur vertraulich über die Lage vor Ort sprechen, um die Arbeitserlaubnis für ihre Organisation nicht aufs Spiel zu setzen.
Dennoch gibt es Aktivisten, die Beweise für Menschenrechtsverletzungen zu sammeln versuchen oder Initiativen wie das Humanitarian Research Lab der amerikanischen Yale-Universität, das Satellitenaufnahmen auswertet, um Angriffe auf Flüchtlingslager oder die Bombardierung von Dörfern zu belegen. Die sudanesische Diaspora in aller Welt versucht Aufmerksamkeit zu mobilisieren - wie etwa der Verband sudanesischer Ärzte in Irland, der in einem Aufruf warnt: "Das andauernde internationale Schweigen wird El Fascher in ein Massengrab verwandeln."
Staatsanwälte des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC) in Den Haag haben schon jetzt Berichte etwa von sudanesischen Geflüchteten im Tschad aufgenommen. Vor wenigen Wochen sagte die stellvertretende ICC-Staatsanwältin Nazhat Khan vor dem UN-Sicherheitsrat: "Wir haben berechtigte Gründe für die Annahme, dass in Darfur Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen wurden und weiterhin begangen werden."
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