Wirtschaftsverbände schlagen Alarm: Trumps Zölle drohen die Produktion mancher Branchen in Europa zu ersticken. Bei den Verhandlungen mit Trump habe die EU jedoch keine Wahl gehabt, sagt der EVP-Vorsitzende Weber. Der US-Präsident habe ein mächtiges Druckmittel in der Hand.

Donald Trump geht als klarer Sieger aus den Zollverhandlungen mit der Europäischen Union hervor. Der US-Präsident hat EU-Kommissionpräsidentin Ursula von der Leyen viele Zugeständnisse abgepresst. Auf die meisten europäischen Waren erhebt die US-Regierung nun einen Zoll von 15 Prozent. Für den Import europäischer Stahl- und Aluminium-Produkte werden sogar Abgaben in Höhe von 50 Prozent fällig. Branchen- und Wirtschaftsverbände schlagen deshalb Alarm.

Die US-Sonderzölle auf Aluminium und Stahl bedrohten viele Maschinen- und Anlagenbauer in ihrer Existenz, heißt es in einem Schreiben des Branchenverbandes VDMA an von der Leyen. 55 Prozent der deutschen Firmen sehen den Zoll-Deal als zu starke Belastung der europäischen Wirtschaft und befürworten eine harte Linie in weiteren Verhandlungen, wie eine Befragung der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) ergab.

Die EU zeigte sich in den Verhandlungen mit Trump bislang unterwürfig. Sie sagte dem US-Präsidenten nicht nur Milliardeninvestitionen in den USA zu, sondern auch, die Zollsätze für US-Industriegüter auf null zu senken. Den Entwurf für eine entsprechende Verordnung präsentiert die Kommission bereits am heutigen Mittwoch. Trump gelang es also, die Europäer über den Tisch zu ziehen. Nur die USA profitieren von dem Deal.

Weber: Zoll-Deal mit Trump für EU "schmerzlich"

Die Einigung mit Trump sei für die EU zwar "schmerzlich", aber "in der Sache richtig", sagt dagegen Manfred Weber, Vorsitzender der konservativen EVP-Fraktion im Europaparlament, in Berlin vor Journalisten. Im Grunde hätten die Europäer keine Wahl gehabt - aufgrund ihrer militärischen Unterlegenheit: "Weil Europa gegenüber Trump in Sachen Verteidigung die Abhängigkeiten gespürt hat, konnten wir bei den Handelsverträgen nicht stark genug auftreten und sagen: Wir sind gegenüber den USA ein gleichwertig starker wirtschaftlicher Player auf der Welt". Trump sei der erste US-Präsident, der geopolitische und sicherheitspolitische Druckmittel nutze, um die Europäer wirtschaftlich zu Zugeständnissen zu zwingen, sagt Weber.

Als Wirtschaftsmacht muss sich die EU eigentlich kaum hinter den USA verstecken. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) liegen die USA mit 29,2 Billionen US-Dollar zwar an der Weltspitze - die EU folgt aber mit einem BIP von 19,4 Billionen US-Dollar schon auf dem zweiten Platz. Die Europäer hätten aus rein wirtschaftlicher Perspektive also genug Grund für Selbstbewusstsein. Ganz anders sieht es im sicherheitspolitischen Bereich aus. Seit Ende des Zweiten Weltkriegs verlässt sich der alte Kontinent auf den militärischen Schutzschirm der USA. Die nukleare Abschreckung, die Führung von Großverbänden, der schwere Lufttransport, die Satelliten-Aufklärung und die effektive Überwachung durch Nachrichtendienste - all das können die Europäer ohne die USA militärisch nicht leisten.

Die EU trieb in den Zoll-Gesprächen mit Trump also die große Angst um: Was, wenn der US-Präsident die Unterstützung für die Ukraine kappt - oder sogar den militärischen Schutzschirm über Europa abzieht? Entsprechende Drohungen hatte Trump oft ausgestoßen. Auch seine Nähe zum russischen Präsidenten Wladimir Putin, den er beim gemeinsamen Gipfel in Alaska zurück auf die internationale Bühne brachte, bereitet Brüssel Sorge. Deshalb sei es ein Erfolg, dass die EU in den Zollverhandlungen zügig zu einer Einigung mit Trump gefunden habe, sagt Weber: "Man stelle sich vor, wir hätten den Alaska-Gipfel zur Ukraine in einer Situation, in der wir über den Sommer hinweg in einen veritablen Handelskrieg mit den Vereinigten Staaten von Amerika gerutscht wären." Bei Trump seien wirtschafts- und sicherheitspolitische Themen "natürlich verwoben". Er hätte also vermutlich keine Skrupel gehabt, die Europäer militärisch unter Druck zu setzen.

EU plant Binnenmarkt für Rüstungsgüter

Um Trump die Stirn bieten zu können, müsse Europa sich verteidigungspolitisch von den USA emanzipieren, vor allem in jenen Bereichen, in denen die Abhängigkeit besonders hoch ist, fordert Weber: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir in Amerika Waffensysteme kaufen und dann der amerikanische Verteidigungsminister darüber entscheidet, ob wir beim Einsatz dieser Waffen die notwendigen Satelliten-Daten bekommen oder nicht, so wie es die Ukraine derzeit leider Gottes erleben muss."

Die gute Nachricht: Erste Schritte hin zu einer gemeinsamen Verteidigung hat die EU bereits unternommen. Sie hat einen 150 Milliarden Euro schweren Verteidigungsfonds aufgesetzt für Rüstungsprojekte, die mindestens zwei Mitgliedstaaten gemeinsam realisieren. Ziel ist die Schaffung eines Binnenmarkts für Rüstungsgüter. Bislang kann die EU die Aufrüstung Europas nur wirtschaftlich unterstützen - die Hoheit über verteidigungspolitische Entscheidungen wollen die Mitgliedstaaten nicht aus der Hand geben.

Doch Brüssel hat mit dem Rüstungsbinnenmarkt genug zu tun. Allein die Vereinheitlichung der technischen Standards der verschiedenen europäischen Rüstungsgüter ist eine Mammutaufgabe. Bislang gibt es weder eine gemeinsame Beschaffung noch eine einheitliche Produktion. Im Gegenteil: Die Rüstungsfirmen der einzelnen Staaten konkurrieren untereinander. Die EU-Kommission plant deshalb, mehr Geld für die Rüstung zur Verfügung zu stellen. Das machte sie in ihrem Entwurf für den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen der EU (MEF) deutlich, der den EU-Haushalt für die Jahre zwischen 2028 und 2034 regelt. Innerhalb eines geplanten Wettbewerbsfonds sind in diesem Entwurf 131 Milliarden Euro für Verteidigung ausgewiesen.

Auch China droht der EU

Über den Vorschlag muss die Kommission noch mit dem Europäischen Parlament sowie dem Rat der Staats- und Regierungschefs verhandeln. Für die EVP sei das Budget für die gemeinsame Verteidigung in den Verhandlungen über den kommenden EU-Haushalt eine der obersten Prioritäten, sagt Weber: "Wir werden viel Steuergeld sparen, wenn wir gemeinsame Beschaffung und gemeinsame Projekte angehen." Wichtig sei vor allem der Aufbau einer eigenen effektiven Satellitenüberwachung, eines gemeinsamen Raketenabwehrsystems und einer Brigade für die Cybersicherheit. Für die europäische Koordinierung der Verteidigung schlägt Weber die Gründung eines Sicherheitsrates vor.

Mögen die Pläne für die gemeinsame Verteidigung noch so ambitioniert sein - es wird viele Jahre dauern, bis die Europäer sich völlig unabhängig von den USA machen können. An Trump wird die EU so schnell also nicht vorbeikommen. Auch Weber hält an einer Zusammenarbeit mit den USA fest - vor allem, wenn es um China geht. Während die EU den Zollstreit mit Trump möglichst rasch beendet hat, ist der Handelskrieg zwischen den USA und China noch in vollem Gange. Zuletzt hatte Trump mit Strafzöllen von bis zu 200 Prozent gedroht, falls Peking die Vereinigten Staaten nicht zuverlässig mit Magneten aus seltenen Erden beliefert. "Eine große Chance für Europa besteht darin, mit Amerika ins Gespräch zu kommen, einen gemeinsamen Weg zu finden, sich mit China zu beschäftigen", sagt Weber.

So einfach wird das aber nicht. Zum einen ist China den Europäern ebenfalls militärisch überlegen - und unterstützt Russlands Angriffskrieg in der Ukraine. Zum anderen sind nicht nur die Amerikaner, sondern auch die Europäer auf die seltenen Erden aus China angewiesen für die Produktion technologischer Schlüsseltechnologien wie Windkraftanlagen, Energiesparlampen oder Elektroautos. Peking reduzierte im April bereits die Ausfuhr für sieben seltene Erden. Firmen in der EU bekommen gerade noch so viel, dass sie weiter herstellen können. Um überhaupt beliefert zu werden, müssen sie detaillierte Angaben über die Produktion machen. Ganz offensichtlich hat China ebenso wenig Hemmungen wie Trump, die Europäer für wirtschaftliche Zugeständnisse unter Druck zu setzen.

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