Das neue Wehrdienstgesetz soll in dieser Woche vom Kabinett beschlossen werden. Der Entwurf von Pistorius geht der Union allerdings nicht weit genug. Die Jusos beklagen sich hingegen wegen möglicher "Pflichtelemente". Klingbeil gibt sich dennoch zuversichtlich.
Die SPD stemmt sich gegen Bestrebungen der Union, das geplante Wehrdienstgesetz in den Parlamentsberatungen nachzuschärfen. Dabei geht es der Union um verbindliche jährliche Zielvorgaben für die Aufstockung der Bundeswehr mit Freiwilligen, deren Unterschreiten Schritte zu einer Wehrpflicht auslösen soll.
"Man sollte vielleicht erst mal abwarten, wie ein Gesetz wirkt, bevor man schon vorweg die Verschärfung fordert", sagte der SPD-Verteidigungsexperte Christoph Schmid der "Augsburger Allgemeinen". Die fachlich zuständige Vize-Fraktionsvorsitzende Siemtje Möller sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe: "Wir haben uns im Koalitionsvertrag eindeutig verständigt: Der neue Wehrdienst startet freiwillig - und das gilt."
Worum geht es beim Wehrdienstgesetz?
Der Wehrdienstgesetz-Entwurf von Verteidigungsminister Boris Pistorius von der SPD soll nun am Mittwoch vom Kabinett beschlossen werden. Der Entwurf sieht vor, dass ab dem kommenden Jahr an alle jungen Männer und Frauen ein Fragebogen versandt wird. Männer müssen ihn ausfüllen, für Frauen ist das freiwillig. Dabei soll das Interesse am Dienst in der Bundeswehr abgefragt werden. Geeignete Kandidaten werden dann zur Musterung eingeladen.
Diese soll ab 2028 aber für alle 18-jährigen Männer verpflichtend werden, auch wenn sie kein Interesse am Wehrdienst bekundet haben. Ziel ist den Angaben zufolge ein "Lagebild" über die gesundheitliche Eignung. Denn im Spannungs- oder Verteidigungsfall würde die 2011 ausgesetzte Wehrpflicht nach aktueller Rechtslage automatisch wieder in Kraft treten.
Ziel der Pläne von Pistorius ist es, Vorgaben der Nato für den Konfliktfall zu erfüllen. Diese sehen einen Bedarf von etwa 460.000 deutschen Soldatinnen und Soldaten vor. Derzeit gibt es nur gut 182.000 Soldatinnen und Soldaten bei der Bundeswehr sowie gut 49.000 aktive Reservisten.
Warum gab es noch Irritationen?
Am Montag hatte es noch Irritationen gegeben, weil Außenminister Johann Wadephul von der CDU zwischenzeitlich Einspruch gegen den Gesetzentwurf eingelegt hatte - mit einem sogenannten Ministervorbehalt -, um die Bedenken der Union geltend zu machen. Damit hätte er die Verabschiedung zunächst gestoppt. Doch nach Gesprächen zwischen den Ministerien zog er seinen Vorbehalt am Nachmittag zurück.
"Die Punkte, die für die ursprüngliche Einlegung maßgeblich waren, konnten in heutigen Gesprächen geklärt werden", hieß es aus dem Auswärtigen Amt. Der Gesetzentwurf könne nun im Kabinett beschlossen werden. "Im anschließenden parlamentarischen Verfahren wird es weitere Beratungen geben. Ziel ist und bleibt, die Fähigkeitsziele der Nato zu erfüllen und die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands zu stärken."
Was will die Union?
Unionsfraktionsvize Norbert Röttgen von der CDU setzt auf Nachschärfungen in den Beratungen des Bundestags. "Wir müssen jetzt konkrete Meilensteine vereinbaren, die einen Spurwechsel von der Freiwilligkeit zur Pflicht vorsehen, wenn diese nicht ausreicht, um unsere Ziele zu erreichen", sagte er t-online. "Das Prinzip Hoffnung kann in einem so wichtigen Bereich nicht handlungsleitend sein, und jedes Abwarten auf eine weitere Zuspitzung der sicherheitspolitischen Lage wäre unverantwortlich."
Welche Kritik gibt es noch?
Auch die Jusos kritisieren den Gesetzentwurf scharf und fordern eine Änderung hin zu "klarer Freiwilligkeit" - also das komplette Gegenteil der Unions-Vorstellung. "Die Pläne der Bundesregierung für einen neuen Wehrdienst gehen viel zu weit", sagte der Chef der SPD-Nachwuchsorganisation, Philipp Türmer, der "Rheinischen Post".
"Wir sind gegen Pflichtelemente, wir sind auch gegen aktivierbare Möglichkeiten im Gesetz, die Pflicht dann eben doch wieder einzuführen", kritisierte Türmer weiter im Frühstart von RTL und ntv. Die Koalition dürfe keine Hintertür ins Gesetz einbauen. "Wir brauchen jetzt eine klare Entscheidung, und diese Entscheidung muss lauten, wir setzen auf Freiwilligkeit."
Wie groß ist das Problem für die Koalition?
Vizekanzler Lars Klingbeil gibt sich trotz der Reibereien gelassen. Die Regierung habe noch viel zu erledigen: für die Wirtschaft, sichere Arbeitsplätze und den Abbau von Bürokratie, aber auch mit einer neuen Rolle in der Weltpolitik. "Und da wird es immer mal wieder auf diesem Weg ruckeln", sagte der SPD-Chef und Finanzminister in den "Tagesthemen". "Da wird es Debatten geben, da wird es unterschiedliche Meinungen geben. Aber am Ende zählt: Es gibt Gesetze, wir bringen Dinge auf den Weg. Und das tun wir am Mittwoch beim Wehrdienstgesetz."
Allerdings ist dies nicht das einzige Problem der Koalition. Bundeskanzler Friedrich Merz von der CDU hat bereits einen anstrengenden Herbst angekündigt. Denn dann muss sein schwarz-rotes Bündnis eine ganze Reihe von Reformen angehen. Weitere Differenzen gibt es auch in der Frage von Steuererhöhungen, die die SPD will, und Einschnitten in Sozialleistungen, die die Union verlangt.
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