Der Kanzler kündigt harte Reformen an, um die Schieflage der Sozialversicherungen in den Griff zu bekommen. Eine Provokation für den Koalitionspartner, doch der Aufschrei bleibt aus. Aussagen einer Wirtschaftsweisen bestätigen Merz derweil.
Der Ruf von Bundeskanzler Friedrich Merz nach harten Sozialreformen löst bei der SPD keine öffentliche Besorgnis aus, sondern wird als Zugeständnis an die eigene Parteibasis eingestuft. "Merz' Aussagen zum Sozialstaat scheinen mir mehr Pflichtelement einer CDU-Parteitagsrede zu sein als alles andere", sagte SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf der "Stuttgarter Zeitung" und den "Stuttgarter Nachrichten". "In Wirklichkeit weiß auch er: Unser Sozialstaat ist eine zentrale Errungenschaft unserer Demokratie und das Fundament jener sozialen Marktwirtschaft, die Deutschland stark gemacht hat." Richtig sei, dass Deutschland wieder wirtschaftliches Wachstum brauche.
Ähnlich ordnete der SPD-Vizefraktionsvorsitzende Dirk Wiese die Äußerungen des CDU-Chefs ein. "Reden auf Parteitagen sollte man einordnen", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Merz und er hätten noch am selben Morgen gemeinsam eine Veranstaltung im Sauerland besucht und ausdrücklich die Gemeinsamkeit dieser Koalition betont. "Denn die außen- und innenpolitischen Aufgaben sind groß. Daran arbeiten wir permanent und wollen die Taktzahl in unserem Arbeitsmodus im Herbst noch weiter erhöhen."
Andere in der SPD wie die Vizevorsitzenden Petra Köpping und Serpil Midyatli zeigen der Union in der "Bild"-Zeitung eher den mahnenden Zeigefinger: "Sozialdemokraten haben in mehr als 160 Jahren einen starken Sozialstaat erkämpft. Das allein auf die Kassenlage zu reduzieren, wird es mit uns nicht geben", sagte Midyatli.
Merz hatte am Samstag beim CDU-Landesparteitag in Osnabrück gesagt: "Der Sozialstaat, wie wir ihn heute haben, ist mit dem, was wir volkswirtschaftlich leisten, nicht mehr finanzierbar." Und: "Ich werde mich durch Worte wie Sozialabbau und Kahlschlag und was da alles kommt, nicht irritieren lassen." Er mache es den Sozialdemokraten bewusst nicht leicht. "Aber der Appell richtet sich an uns alle: Lasst uns zusammen zeigen, dass Veränderungen möglich sind, dass Reformen möglich sind."
Wirtschaftsweise Schnitzer: Nichtstun führt zum Kollaps
Wissenschaftliche Rückendeckung bekommt Merz derweil von der Wirtschaftsweisen Monika Schnitzer. Die Sozialversicherungen seien nicht zukunftsfest, hier gebe es dringenden Handlungsbedarf, sagte die Vorsitzende des Sachverständigenrates dem RND. Es werde immer schwieriger, die Rentenzahlungen aus den Beiträgen der arbeitenden Bevölkerung zu finanzieren. "Wenn die Regierung nichts tut, wird der Kollaps unweigerlich kommen."
Bei der Pflegeversicherung sei mehr private Vorsorge nötig, so Schnitzer. Natürlich dürfe man die Leute nicht allein lassen. "Aber solange die Menschen noch Vermögen besitzen, auch wenn es ein Eigenheim ist, dann muss das eben herangezogen werden. Man kann nicht erwarten, dass der Staat das Eigenheim schützt, wovon am Ende die Erben profitieren, aber die Kosten der Pflege von der Allgemeinheit getragen werden", so die Wirtschatsweise.
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