Der Herbst wird nicht einfach. Da sind sich der Kanzler und sein Vize einig. Welche Härten man sich zuzumuten habe, darüber herrscht weniger Einigkeit. Gut, dass Merz dazu aufruft in der Koalition miteinander zu reden "und nicht übereinander ".

Mit Blick auf anstehende Entscheidungen im Herbst haben Bundeskanzler Friedrich Merz und Vizekanzler Lars Klingbeil Reformwillen der schwarz-roten Regierung angemahnt. Doch setzten der CDU-Chef und der SPD-Co-Vorsitzende dabei unterschiedliche Schwerpunkte. "Der Sozialstaat, wie wir ihn heute haben, ist mit dem, was wir volkswirtschaftlich leisten, nicht mehr finanzierbar", sagte Merz am Samstag auf dem niedersächsischen CDU-Landesparteitag in Osnabrück. Er forderte eine Reform des Bürgergelds, das 5,6 Millionen Menschen bezögen.

Er mache den Empfängern keine Vorwürfe, so Merz. Eher der Politik, gerade wegen der Leistungen an Millionen sogenannter Aufstocker, die neben einem niedrigen Lohn noch Zuschüsse bezögen. "Diejenigen, die für 530 Euro im Monat arbeiten, denen muss man doch mal die Frage stellen, warum können die nicht auch für 2000 Euro im Monat arbeiten?" Man wolle das Bürgergeld so ändern, dass sich die Rückkehr in den Arbeitsmarkt wieder lohne.

Zugleich lehnte Merz Steuererhöhungen ab, die die SPD ins Spiel gebracht hatte: "Mit dieser Bundesregierung unter meiner Führung wird es keine Erhöhung der Einkommensteuer für die mittelständischen Unternehmen in Deutschland geben", betonte er. Hintergrund ist, dass in Deutschland auch sogenannte Personengesellschaften - meist kleine und mittlere Betriebe - Einkommenssteuern zahlen.

Klingbeil: Erwarte mehr Fantasie

SPD-Co-Chef Klingbeil betonte in einem Interview der Funke-Mediengruppe zwar ebenfalls die Notwendigkeit von Einsparungen und Strukturreformen. "Keine Option kann vom Tisch genommen werden", fügte er aber hinzu. Er könne als sozialdemokratischer Finanzminister bei einer Lücke von 30 Milliarden Euro im Haushalt 2027 nicht ausschließen, Spitzenverdiener und Vermögende stärker in die Pflicht zu nehmen. Er betonte, seine Äußerungen seien keine Provokation des Koalitionspartners.

Klingbeil hatte in einem Brief alle Kabinettsmitglieder mit Blick auf die Lücke im Etat ab 2027 zu Einsparvorschlägen aufgefordert. Auch betonte er, man brauche Strukturreformen in den Sozialversicherungen, um die Beiträge stabil zu halten. Aber er erwarte mehr Fantasie als "einfach nur Leistungskürzungen für die Arbeitnehmer".

Zudem forderte Klingbeil einen baldigen Stahl-Gipfel der Regierung mit Konzernchefs und Betriebsräten, um über Hilfen für die Industrie zu sprechen. Auch Merz betonte in seiner Rede, dass Deutschland eine eigene Stahlindustrie erhalten müsse.

"Auch mal die eigenen Leute enttäuschen"

Der Kanzler appellierte in Osnabrück auch an die eigene Partei und die eigenen Gremien, Verständnis für die schwarz-rote Koalition aufzubringen. "Wir können in so einer Koalition einiges hinbekommen. Es ist anstrengend für die Sozialdemokraten, mit uns übrigens auch", betonte er angesichts schwieriger Entscheidungen im Herbst und des Murrens in der Union über Zugeständnisse an die SPD. "Lassen Sie uns in dieser Koalition miteinander und nicht übereinander reden."

Der CDU-Chef forderte wie der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall, Oliver Zander, darauf, die im Koalitionsvertrag beschlossene Flexibilisierung der Wochenarbeitszeit umzusetzen. "Die Koalition muss kompromissfähig sein. Und das setzt voraus, dass man bereit ist, auch mal die eigenen Leute zu enttäuschen", sagte Zander der "Rheinpfalz" mit Blick auf die SPD.

Führenden Ökonomen reagierten unterschiedlich auf den Vorschlag nach Steuererhöhungen. Clemens Fuest, Präsident des Münchener Ifo-Instituts, warnt gegenüber dem "Handelsblatt" vor gravierenden Folgen für das Wirtschaftswachstum. Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, sagte dagegen der Zeitung, Deutschland werde seine Herausforderungen ohne Steuererhöhungen nicht stemmen können.

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