Präsident Putin pocht auf den Rückzug der Ukrainer aus Donezk und Luhansk, bevor Russland die Waffen schweigen lässt. Würde der Donbass aber in russische Hände fallen, hätte Kiew ein massives Sicherheitsproblem. Allein in den Städten Dnipro und Charkiw wären Millionen Einwohner in Gefahr.
In den von den USA vorangetriebenen Verhandlungen über ein mögliches Ende des seit dreieinhalb Jahren andauernden russischen Angriffskrieges in der Ukraine spielt der im Osten gelegene Donbass eine wichtige Rolle. Obwohl Moskau das aus den Regionen Donezk und Luhansk bestehende Gebiet nicht vollständig kontrolliert, fordert Kremlchef Wladimir Putin, dass sich die ukrainischen Streitkräfte dort zurückziehen. Die Ukraine schließt dies dagegen aus.
Die beiden an Russland angrenzenden Regionen Donezk und Luhansk bilden den Donbass. Das fast 55.000 Quadratkilometer umfassende Gebiet ist etwa doppelt so groß wie Belgien und verfügt über riesige Kohle- und Metallerzvorkommen. Der Donbass macht neun Prozent des ukrainischen Territoriums aus.
Bereits seit 2014 wird der Donbass, Kurzform für Donezkbecken, in Teilen von pro-russischen Separatisten kontrolliert. Laut einer AFP-Auswertung von Daten des in den USA ansässigen Instituts für Kriegsstudien (ISW) werden mittlerweile 99 Prozent der Region Luhansk und 79 Prozent der Region Donezk inklusive deren jeweilige Hauptstädte von russischen Truppen kontrolliert.
Über elf Jahre wurde "Festungsgürtel" ausgebaut
Im Donbass leben hauptsächlich russischsprachige Menschen. Zu Sowjetzeiten wurden viele russische Arbeiter in die Bergwerke geschickt. Zudem haben viele ukrainisch sprechende Einwohner die Region seit Beginn des bewaffneten Konflikts in der Ostukraine im Jahr 2014 verlassen. Wie viele Menschen derzeit dort noch leben, ist unklar - bei der letzten Volkszählung vor 2014, im Jahr 2001, waren es rund sechs Millionen.
Seit 2014 hat die Ukraine in der Region Donezk laut ISW einen "Festungsgürtel" von den Städten Slowjansk und Kramatorsk im Norden bis nach Kostjantyniwka und Druschkiwka im Süden gebaut, bestehend aus Festungsstädten sowie Hunderten von Kilometern Gräben und Minenfeldern.
"Die Ukraine hat in den vergangenen elf Jahren Zeit, Geld und Mühe in die Verstärkung des Festungsgürtels investiert," betont das ISW. Die russischen Streitkräfte hätten "derzeit keine Mittel, um die Kette von Befestigungen schnell einzukesseln oder zu durchdringen" - es würde wahrscheinlich Jahre dauern, dies zu tun.
USA wollen Bodenschätze der Region ausbeuten
In der Region Donezk fanden einige der verlustreichsten Schlachten des Krieges statt, etwa in den Städten Bachmut, Mariupol und Awdijiwka. Im September 2022 erklärte Russland die beiden Kohlebergbauregionen sowie die Regionen Cherson und Saporischschja für annektiert.
Historisch ist der Donbass für Kohleabbau und Industrie bekannt, aber eine andere Art von Ressourcen erhält dort zunehmend Aufmerksamkeit. Die Region ist reich an Rohstoffen wie Lithium, Uran, Titan und seltenen Erden, aber viele von ihnen bleiben in den besetzten oder umkämpften Gebieten unerschlossen. Im Mai unterzeichneten Washington und Kiew ein Mineralstoffabkommen, das den USA erlaubt, seltene Erden und andere Vorkommen der Ukraine auszubeuten.
Eine Aufgabe des Donbass hätte laut ukrainischen Verantwortlichen und Experten verheerende Folgen für die Sicherheit der Ukraine. Dies würde "das Tor zu einer künftigen weiteren Invasion der Ukraine öffnen", sagt der in Kiew ansässige Analyst am Stockholmer Zentrum für Osteuropastudien, Andreas Umland. Ein Verlust würde die Ukraine in "eine Position bringen, die deutlich weniger verteidigungsfähig ist als die derzeitige Linie", erklärt das ISW. Dies würde potenziell den Weg zu den Städten Dnipro und Charkiw öffnen - zwei wichtige Knotenpunkte, die jeweils eine Million Einwohner haben.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj fasst die strategische Bedeutung des Donbass für die Ukraine so zusammen: "Es ist eine Frage des Überlebens unseres Landes."
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