Israelische Truppen sollen die Stadt Gaza einnehmen. Doch dazu brauchen sie Nachschub. Aus diesem Grund werden nun Zehntausende Reservisten einberufen. Andere müssen länger dienen. Frankreichs Präsident befürchtet derweil eine "Katastrophe" in Nahost.

Israels Verteidigungsminister Israel Katz hat die Einberufung von rund 60.000 weiteren Reservisten für die Einnahme der Stadt Gaza genehmigt. Außerdem solle der Reservedienst von rund 20.000 weiteren Soldaten verlängert werden, teilte sein Büro mit. Zuvor hatte Katz laut Medienberichten einen Einsatzplan der Armee zur Einnahme der Stadt Gaza gebilligt.

An der Einnahme der Stadt sollen vor allem Soldaten im aktiven Wehrdienst beteiligt sein, wie ein Militärvertreter erklärte. Israelische Truppen seien bereits in Vororten Gazas präsent. Er nannte dabei die Viertel Al-Saitun und Dschabalija. Insgesamt sollen israelischen Medienberichten zufolge nach den neuen Einberufungen bis zu 130.000 Reservisten im Gazastreifen im Einsatz sein. Es wird befürchtet, dass die Offensive die ohnehin katastrophale Lage der Zivilbevölkerung im abgeriegelten Gazastreifen, wo insgesamt rund zwei Millionen Palästinenser leben, noch verschlimmern wird.

Israel billigte zudem ein höchst umstrittenes Siedlungsprojekt im besetzten Westjordanland, mit dem das Gebiet faktisch in einen nördlichen und einen südlichen Teil unterteilt würde. Damit würde ein zusammenhängendes Territorium für einen künftigen palästinensischen Staat erschwert - wenn nicht gar unmöglich gemacht.

Macron warnt vor "Katastrophe"

Der französische Präsident Emmanuel Macron warnte angesichts der israelischen Pläne vor einem "Dauerkrieg" in der Region. Die Offensive könnte "nur zu einer echten Katastrophe für beide Völker" führen, schrieb Macron auf X nach Gesprächen mit dem jordanischen König Abdullah II. und Ägyptens Staatschef Abdel Fatah al-Sisi.

Macron wiederholte seine Forderung nach einer dauerhaften Waffenruhe im Gazastreifen. Er nannte zudem die Freilassung aller Geiseln, eine groß angelegte Bereitstellung humanitärer Hilfe für die Menschen in Gaza sowie die Entwaffnung der Hamas und die Stärkung der palästinensischen Autonomiebehörde als Voraussetzungen für ein Ende des Krieges.

Die Zivilisten in der Stadt Gaza - laut Schätzungen rund eine Million Menschen - sollen sich dem Plan des israelischen Militärs zufolge in Zeltquartiere weiter im Süden des Küstenstreifens begeben. Dort solle ihre Versorgung mit medizinischer Hilfe und Nahrungsmitteln gewährleistet werden, sagte ein Vertreter des Militärs. Wiederholte Vorwürfe internationaler Hilfsorganisationen, Israel blockiere systematisch die Versorgung der Zivilbevölkerung weist das Militär energisch zurück.

Hamas greift israelischen Grenzposten an

Bei einem dramatischen Vorfall im Süden des Gazastreifens griffen derweil nach israelischen Militärangaben mehr als 15 schwer bewaffnete Palästinenser eine Stellung der Armee an. Sie hätten im Bereich der Stadt Chan Junis auf die israelischen Soldaten geschossen und Panzerabwehrraketen eingesetzt, teilte ein Militärvertreter mit. Einige seien in den Posten eingedrungen. Die Truppen hätten das Feuer erwidert und in Zusammenarbeit mit der Luftwaffe zehn der Angreifer getötet, die aus mehreren Tunnelschächten gekommen seien. Israelische Medien berichteten, man gehe davon aus, dass sie beabsichtigten, Soldaten zu entführen. Drei Soldaten seien verletzt worden, einer davon schwer, teilte die Armee mit.

Der militärische Hamas-Arm reklamierte den Angriff für sich. "Die Kassam-Brigaden bekräftigen, dass solche Einsätze so lange andauern werden, bis die Besatzung endet und unser Volk Freiheit erlangt", hieß es in der Mitteilung der islamistischen Terrororganisation.

Die Genehmigung zur Einnahme der Stadt Gaza erfolgte, obwohl die Hamas am Montag nach eigener Darstellung internationalen Vermittlern eine "positive Antwort" auf einen neuen Vorschlag für eine Waffenruhe im Gazastreifen vorgelegt hatte. Mit einer offiziellen Reaktion Israels wird bis Ende der Woche gerechnet. Medienberichten zufolge soll das Sicherheitskabinett am Donnerstag zusammenkommen.

60-tägige Feuerpause vorgeschlagen

Den Berichten nach handelt es sich bei dem jüngsten Vorschlag für eine Waffenruhe um eine aktualisierte Fassung des zuvor verhandelten Vorschlags des US-Sondergesandten Steve Witkoff. Dieser sieht eine 60-tägige Feuerpause vor, während der zehn lebende Geiseln im Gegenzug für palästinensische Häftlinge freigelassen werden. Insgesamt befinden sich in Gaza noch 50 Geiseln, von denen noch mindestens 20 am Leben sein sollen.

Es wurde spekuliert, der Beschluss des Sicherheitskabinetts zur Ausweitung des Krieges könne Verhandlungstaktik sein, um die Hamas unter Druck zu setzen, wieder an den Verhandlungstisch zurückzukehren und sich flexibler zu zeigen. Die Stadt Gaza sei immer noch die wichtigste Hochburg der islamistischen Terrororganisation Hamas, sagte der israelische Militärvertreter weiter. Die Organisation verfüge weiterhin über "operative Fähigkeiten" und sei zu einem "Guerillakrieg" in der Lage. Ziel des Einsatzes sei es auch, ihr unterirdisches Tunnelsystem zu zerstören.

Auslöser des Krieges war ein Massaker der Hamas und verbündeter Terrorgruppen am 7. Oktober 2023. Bei dem Terrorangriff im Süden Israels wurden rund 1200 Menschen getötet und mehr als 250 weitere in den Gazastreifen verschleppt. Im Gaza-Krieg wurden seither nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde mehr als 62.000 Palästinenser getötet. Fast alle Einwohner des Küstenstreifens sind seit Kriegsbeginn vor fast zwei Jahren zu Binnenflüchtlingen geworden.

Wadephul kritisiert Siedlungspläne

Ein israelischer Planungsausschuss billigte unterdessen Baupläne für Siedlungen in einem besonders sensiblen Gebiet im Westjordanland. Dies teilte die israelische Organisation Peace Now mit, die mit einem Repräsentanten vor Ort vertreten war. Der israelische Siedlerrat begrüßte die Entscheidung. Es geht dabei um den Bau von rund 3400 Wohneinheiten in dem sogenannten E1-Gebiet zwischen Ost-Jerusalem und der Siedlung Maale Adumim. Das Gebiet ist wegen der geografischen Lage besonders heikel, weil eine Bebauung das Westjordanland faktisch in einen nördlichen und einen südlichen Teil unterteilen würde.

Bundesaußenminister Johann Wadephul kritisierte die Entscheidung. "Derartige Vorhaben wären, wenn sie durchgeführt werden würden, völkerrechtswidrig und würden eine Zweistaatenlösung verunmöglichen", sagte der CDU-Politiker am Rande eines Besuches in der indonesischen Hauptstadt Jakarta vor Journalisten. Mit Zweistaatenlösung ist ein unabhängiger palästinensischer Staat gemeint, der friedlich Seite an Seite mit Israel existiert. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu lehnt eine Zweistaatenlösung ab - ebenso wie die islamistische Hamas im Gazastreifen.

Israels rechtsextremer Finanzminister Bezalel Smotrich hatte entsprechende Siedlungspläne vor knapp einer Woche angekündigt. Dieser Schritt "begräbt endgültig die Idee eines palästinensischen Staates", sagte er vor Ort. Mehrere Staaten, darunter Frankreich, Kanada und Australien, wollen im kommenden Monat einen palästinensischen Staat anerkennen. Die Bundesregierung wiederum steht auf dem Standpunkt, eine Anerkennung sollte der Endpunkt eines Verhandlungsprozesses zwischen Israel und den Palästinensern sein.

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