Die CDU-Politikerin Julia Klöckner stammt bekanntlich aus Rheinland-Pfalz. Dass sie die Einladung zum Sommerfest des CDU-Kreisverbands Koblenz annahm, ist deshalb wenig überraschend. Trotzdem sorgt ihr Auftritt am vergangenen Sonntag für Aufregung – denn das Fest, über das schon vorher gestritten wurde, fand an einem Ort statt, den Kritiker als problematisch erachteten: das „Innovationszentrum“ des Koblenzer Unternehmens CompuGroup Medical (CGM). Das Gelände der Firma, die Software für Arztpraxen und Apotheken herstellt, gehört Frank Gotthardt, jenem Unternehmer, der auch das Online-Portal „Nius“ finanziert.
Politiker und Journalistenverbände werfen dem Portal von Ex-„Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt immer wieder eine in Teilen rechtspopulistische und tendenziöse Berichterstattung vor. Auch die Medienanstalt Berlin-Brandenburg hat dem Portal in einem Fall eine Verletzung der journalistischen Sorgfaltspflicht vorgeworfen.
Dass die CDU-Politikerin auf dem Firmengelände des „Nius“-Sponsors auftrat, stößt auch beim Koalitionspartner auf Kritik. Der Fraktionsvorsitzende der SPD-Fraktion im Bundestag, Matthias Miersch, sagte dem Nachrichtenportal „t-online“: „Frank Gotthard ist offenkundig einer der größten Finanziers von ,Nius‘. Vor diesem Hintergrund ist es aus meiner Sicht erklärungsbedürftig, dass Julia Klöckner dort teilgenommen hat“, so Miersch. „Denn auch wir als Koalition müssen überlegen, wie wir mit diesen rechten Netzwerken im parlamentarischen Verfahren umgehen.“
Als Bundestagspräsidentin trage Julia Klöckner eine besondere Verantwortung. „Insofern erwarte ich, dass sie sich auch mit dieser Frage beschäftigt.“ Auch eine prominente Grünen-Politikerin zeigte sich entsetzt. Katrin Göring-Eckardt, Sprecherin für Kultur und Medien ihrer Fraktion, sagte zu „t-online“: „Mit ihren Aussagen normalisiert Julia Klöckner Medien, denen journalistische Standards egal scheinen und deren Geschäftsmodell Verdrehung von Fakten, Bedienen von Ressentiments und Dauerempörung ist, und wertet sie auf. Für die zweithöchste Repräsentantin unseres Staates halte ich das für unangebracht.“
Laut SWR wurde Klöckner bei der Feier nicht als Bundestagspräsidentin, sondern als amtierendes Mitglied des Deutschen Bundestages vorgestellt. In einer Rede machte sie sich laut Medienberichten unter anderem für die Meinungsfreiheit stark. Demokratie sei die Vielfalt von Meinungen, betonte sie dem SWR zufolge: „Man muss sich auch die Meinung eines anderen zumuten. Auch wenn es nicht die Mehrheitsmeinung von mir ist, von meiner Familie, den Redaktionszimmern oder einigen Gruppierungen.“ Auch die „Rhein-Zeitung“ berichtete über den Auftritt.
Demonstration und Kritik: „Klöckners Tor nach rechts ist weit offen“
Vor dem Gelände der Firma in Koblenz gab es am Sonntagnachmittag eine Protestkundgebung. Fotos zeigen eine kleine Gruppe von Demonstranten, die mit bedruckten T-Shirts („Nazis töten“) und diversen Regenbogenfahnen vor dem Veranstaltungsort standen.
Nicole Gohlke, Bundestagsabgeordnete der Linken, schrieb bei X: „Klöckner freudestrahlend bei Gotthardt: also bei dem Mann, der mit ,Nius‘ seit Jahren das rechte Hetzportal und AfD-Propagandablatt schlechthin finanziert.“ Dazu postete sie ein Foto, das die Politikerin mit dem Unternehmer beim Handschlag zeigte: „Das Bild wird in die Geschichtsbücher eingehen – als weiterer Brückenschlag der Konservativen hin zu den extremen Rechten.“ Der Grünen-Politiker Armin Grau schrieb ebenfalls in den sozialen Medien: „Klöckners Tor nach rechts ist weit offen.“
Gegenüber dem „Spiegel“ zeigte sich ein weiterer SPD-Bundestagsabgeordneter irritiert über den Vorgang. Sebastian Roloff sagte, „dass die CDU Koblenz offensichtlich keine Berührungsängste nach Rechtsaußen hat“. „Dass die Bundestagspräsidentin daran (am Sommerfest auf dem Gelände von Frank Gotthardt, d. Red.) teilnimmt, verwundert und lässt politisches Fingerspitzengefühl vermissen.“
Zuvor hatten bereits etliche Politiker von SPD und Grünen Kritik an der Teilnahme von Klöckner an der Veranstaltung geäußert. „Dieses Zusammenspiel zwischen gezielter Desinformation und politischem Miteinander mit der CDU beschädigt zentrale demokratische Verfahren“, kritisierte etwa der rheinland-pfälzische SPD-Landesverband gegenüber der „Tagesschau“.
Irene Mihalic, erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen im Bundestag, verwies auf Gotthardts „Nius“-Engagement: „Julia Klöckner sollte sehr deutlich machen, dass sie als diejenige, die das zweithöchste Staatsamt bekleidet, nicht ein weiterer Stein ist, der aus der ohnehin schon bröckelnden Brandmauer der Union fällt.“
Örtliche CDU sieht wenig mehr als eine „Sommerlochdiskussion“
Die CDU verteidigte laut „Berliner Morgenpost“ die Veranstaltung bis zuletzt. Der Landesverband betonte in einer Stellungnahme auf Facebook, dass die Wahl des Veranstaltungsortes Ausdruck der „Wertschätzung“ für das Unternehmen in der Region und seine Mitarbeiter sei. CDU-Landeschef Gordon Schnieder räumte zwar ein, mit Gotthardts medialen Aktivitäten ein Problem zu haben. Die Berichterstattung über den Sommerempfang empfand er nach eigenen Angaben jedoch als Versuch, „Persönlichkeiten und Firmen zu diskreditieren“. Die Debatte sei wenig mehr als eine „Sommerlochdiskussion“, sagte er dem SWR. Auch das Bundestagspräsidium wies gegenüber WELT die Kritik an dem Besuch zurück. Klöckner folge einer Einladung ihrer Partei und setze „die Praxis ihrer Vorgängerinnen und Vorgänger“ fort, bei Parteiveranstaltungen mitzuwirken.
Gotthardt selbst verwies über seinen Anwalt auf die Bedeutung von Meinungs- und Pressefreiheit, öffentlich äußern wollte er sich selbst nicht. Der 74-jährige IT-Unternehmer mit Schwerpunkt auf dem Bereich des Gesundheitswesens betreibt laut dem Mediendienst „Kress“ bereits seit Jahren Regionalsender wie das Deutsches Regionalfernsehen und TV Mittelrhein. Mit seiner Vius SE & Co. KGaA steht er seit dem Jahr 2023 auch hinter dem Online-Portal „Nius“.
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