Jeder ist nun Autor, Zeichner, Filmemacher, Dank künstlicher Intelligenz. Es ist ein Milliardengeschäft, es verändert die Kommunikation, es bedroht die Künstler - und das zeigt nicht zuletzt George Clooney.
Erinnern Sie sich, verehrte Leserin, verehrter Leser, an den "Flowbee"? Das ist eine Haarschneidemaschine, die in den mich wesentlich prägenden Neunzigerjahren die Werbepausen dominierte. Es ist ein Plastik-Schneideaufsatz für den Staubsauger: Das Haushaltsgerät saugt die Haare an und das Gerät - nun, Schnippschnapp.
Der Flowbee hat einiges an Ähnlichkeit mit KI. Er ist aus Plastik, hässlich, ein bisschen unwürdig, weil man sich letztlich ja ein Dreckentfernungsgerät an den Kopf hält, er macht großspurige Versprechen, wie etwa den Friseurbesuch und damit ja das Friseurhandwerk an sich zu ersetzen, auch wenn sein Ergebnis sicher primitiv ist und man wohl lieber nicht so genau hinsieht.
Ich musste an dieses Gerät kürzlich denken, als in den Reihen anderer Menschen, die einen Teil ihres Einkommens durch das Aufschreiben von Texten erzielen, die große KI-Angst umging. Braucht man künftig überhaupt noch Autoren? Auch ich kam ins Grübeln: Haben die bei ntv.de eigentlich schon eine KI mit meinen Kolumnen trainiert und geben mir bald den Laufpass?
Ein Pferd aus Lava
Dann wiederum: Ist das Schreiben, ja die Kommunikation insgesamt wirklich besser geworden, seit im November 2022 ChatGPT den Globus eroberte?
Elon Musk präsentierte eine neue Version seiner KI "Grok" durch allerlei Animationen, etwa ein spazierendes Pferd aus brennender Lava. Falls Sie gerade händeringend ein Pferd aus Lava für Ihr Filmprojekt gesucht haben - gern geschehen. Manch andere werden sich fragen: Brauche ich das wirklich?
Die "Kreativität", die KI den Menschen zu bescheren scheint, ist doch in der Regel grell, plump, überladen, sage ich mir beruhigend. Die optischen Produktionen erinnern an die Simpsons-Folge, in der Homer ein Auto nach seinen Wünschen designen darf: Es wird ein Vehikel des Grauens, ein Sammelsurium von kleinbürgerlichen Extras, ohne Stil und ohne Signatur.
"Das habe ich selbst gemacht!"
Schlimmer noch: Übliche Aufforderungen an die KI führen zu billigen, konservativen Kopien vom Schon-da-Gewesenen - zum Leidwesen echter Künstler, denn dieses Schon-da-Gewesene sind deren händisch geschaffenen Werke.
So fluteten kürzlich Bilder das Netz, auf denen Menschen mit ihren selbstgeschnitzten Tierstatuen posierten, begleitet von der stolzen Unterzeile "Das hab ich selbst gemacht!" - was allerdings KI-Abklatsche waren von den Werken eines echten Motorsägenkünstlers, der einen riesigen Labrador aus echtem Holz geschnitzt hatte. Immerhin: Er wurde als Original in die TV-Show "Last Week Tonight" eingeladen.
"AI Slop" nennen sich diese Erzeugnisse, es ist gefälliger Müll, produziert von einer servilen, übermütigen Maschine, in der Regel emotional aufgeladen (niedliche Tiere, rührende Momente, beachtliche persönliche Erfolge) und das Ganze dient im Wesentlichen dazu, die generierte Aufmerksamkeit irgendwie zu Geld, Anerkennung und Erfolg zu machen. Es ist also im Grunde wie LinkedIn, aber als Technologie.
Prima Weg zur Weltverramschung
Weil jeder Krethi und Plethi nun seine kreative Aufwertung gekommen sieht, sind auch Whatsapp-Gruppen und der Büro-Chat nicht sicher davon. Dort besonders beliebt: Cartoons. Die kann KI freilich auch. Jeder ist nun über Nacht zum Karikaturisten avanciert, auch Dietmar aus der Buchhaltung, der den Teamschannel mit einhundertprozentig unlustigen KI-Bildern flutet. Im Ernst, Dietmar, wir können alle nicht mehr, aber es liegt nicht am Lachen!
Dabei kosten die KI-Fieberträume nicht nur Unmengen an Energie, im psychischen wie elektrischen Sinne. KI kostet auch Reputation: Was immer Grok, ChatGPT, Midjourney und Co. in Präsentationen, Texte und Webseiten kotzen, lässt das Ergebnis um Dimensionen billiger erscheinen. Es ist, als würde man im Sternerestaurant plötzlich eine Plastikgabel entdecken. Wer sich keinen Fotografen mehr leisten will, sondern irgendwas generieren lässt, sagt damit auch stets: Ich bin ein bisschen miserabel.
Das ist ein prima Weg zur weiteren Weltverramschung, aber manchmal wünschte ich, die KI würde der Menschheit stilvoller den Stecker ziehen, mit Killerrobotern etwa, so wie in "Terminator" und zahllosen anderen Filmen, die damals zwischen den Flowbee-Werbespots gezeigt wurden, statt uns einfach nur mit Geschmacklosigkeit zu durchtränken.
Frag halt Grok
Eigentlich hatte es geheißen, die KI würde die demokratische Öffentlichkeit ruinieren, wegen Desinformation. Was wurde nicht gewarnt, als der Papst in Plusterjacke um die Welt ging, KI-generiert freilich. Die Menschen sind offensichtlich bereit, absolut alles zu glauben, was im Internet steht - oder?
Aber nicht einmal darauf kann man sich noch freuen, im Gegenteil: KI könnte sogar die Antwort sein auf Fake News. Forscher haben offenbar herausgefunden, dass Gespräche mit Chatbots gegen Verschwörungsmythen helfen können. Zu dem Schluss kam jedenfalls vor einiger Zeit eine in "Science" veröffentlichte Studie.
Anekdotisch lässt sich immerhin bestätigen, dass der größte Quatsch auf Musks Plattform X inzwischen nicht durch den Staat oder Nutzer entlarvt wird - stattdessen Fragen Nutzer bei merkwürdigen Videos direkt Musks "Grok", was es denn mit dem Video auf sich hat, in dem ein kleiner süßer Hund die Tische im Café poliert.
Pfeifen im Walde
Was also ist KI, wenn nicht unser Untergang? Unsere Erlösung? Wenn KI wenigstens die Produktivität auf neue Höhen gehievt hätte - doch auch davon ist bislang nicht viel zu sehen, wie der Ökonom John Rapley vor ein paar Tagen in einem Beitrag warnte. Zugleich bahne sich, schreibt Rapley, wirtschaftlich betrachtet der Zahltag an: All die teuren Rechenzentren und Entwicklungskosten müssten ja bald mal rentabel werden. Platzt die Blase?
Das Lava-Pferd ist nutzlos. Die wahre KI-Revolution läuft in weniger greifbaren Sphären ab, in der Industrie, der Medizin. Es ist wie mit den unendlichen Versuchen, Computerbrillen in vielen Variationen für Privatmenschen zu kommerzialisieren: Die ist im Operationssaal nützlich, aber nicht auf einer Grillparty.
Wenn Sie jetzt zufällig ein Nerd oder gar Tech-Bro sind, werden Sie mir vermutlich unterstellen, mein etwas trübes KI-Resümee sei das Ergebnis purer Existenzangst, Pfeifen im Walde, deutsche Technophobie, typisch für einen schwächlichen Kreativ-Wicht, der hoffentlich bald durch eine Maschine ersetzt wird!
Clooneys Haupthaar, meine Zweifel
Was könnte ich da schon erwidern? Sie haben ja recht!
Und das zeigt einmal mehr der Flowbee, dieses fantastische kleine Gerät. Der war nämlich entgegen aller Mutmaßungen offenbar kein Flop: In der Covid-Pandemie hatten viele Menschen das Problem, nicht mehr zum Friseur gehen zu können und orderten stattdessen den Staubsaugeraufsatz. Dass die Ergebnisse sich sehen lassen können, zeigte kein Geringerer als George Clooney. Er gestand, sich seit Jahren die Haare mit dem Flowbee zu kürzen.
Zweifel kommen also auf: Wenn eine Maschine George Clooneys Haupthaar herrichten kann - braucht es dann wirklich noch einen Menschen, um eine Kolumne zu schreiben?
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