Am Freitag treffen der US-Präsident und Russlands Staatschef um 11:30 Ortszeit auf einer Militärbasis in Alaska nahe Anchorage zusammen. Donald Trump sagte im Vorfeld, er wolle mit Wladimir Putin Schritte für eine Waffenruhe vereinbaren und damit den Weg zum Frieden ebnen. Kurt Volker kennt Trumps Beziehung zur Ukraine und zu Russland wie wenige andere. Der Berater für Sicherheits- und Außenpolitik war von 2017 bis 2019 Sondergesandter der USA für die Ukraine.
WELT: Russlands Machthaber Wladimir Putin hat Donald Trump für dessen „energische und aufrichtige“ Bemühungen gelobt. Was bezweckt er damit?
Kurt Volker: Diese Aussage ist unglaublich zynisch. Es ist Putin, der diesen Krieg führt. Wenn Putin sich wirklich bemühen würde, wäre der Krieg längst vorbei. So schiebt er Trump die Verantwortung zu, den Konflikt zu beenden. Und es scheint klar zu sein, dass er damit andeutet, dass der US-Präsident die Ukrainer zur Kapitulation bringen soll.
WELT: Was bedeutet das für das Treffen der beiden Staatschefs am Freitag?
Volker: Es gibt keine Änderung in Putins Position, was nicht überraschend ist. In den vergangenen Woche haben die Russen immer wieder betont, dass sich ihre Position nicht geändert hat. Sie fordern, dass sich die Ukraine aus Gebieten zurückziehen muss, die Russland gar nicht besetzt hält. Und dass Russland nicht nur alle bereits eroberten Gebiete behält, sondern noch mehr bekommt. Sie wollen auch, dass die Ukraine entmilitarisiert und niemals Teil der Nato wird. Sie werden auch wieder mit dem Thema Regierungswechsel in Kiew kommen. Einem Waffenstillstand will Putin indessen erst zustimmen, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Ein Waffenstillstand ist aber die Voraussetzung für alles andere.
WELT: Worauf wird sich Putin in Anchorage überhaupt einlassen?
Volker: Möglicherweise gibt es etwas in Bezug auf diplomatische Beziehungen zwischen Washington und Moskau. Trump möchte vielleicht Kontakte zwischen Unternehmen knüpfen, auch wenn die Sanktionen weiterhin ein Hindernis darstellen. Vor allem aber könnte es die Einigung auf ein Folgetreffen mit Putin und Selenskyj geben. Wobei Putin sagen würde: Dann, wenn die Bedingungen stimmen. Mithin verkünden sie eine Einigung, obwohl diese eigentlich keine ist.
WELT: Für die Ukraine gibt es damit am Ende nichts?
Volker: Das wäre für Kiew kein so schlechtes Resultat. Die Ukrainer haben mit Schlimmerem gerechnet – dass Trump sie zum Abtreten von ukrainischem Territorium drängen könnte. Natürlich kann er das prinzipiell nicht. Aber allein eine solche Forderung zu stellen, wäre für die Ukraine schlecht gewesen.
WELT: Trump hat gesagt, es werde schwerwiegende Konsequenzen haben, wenn Putin keinem Waffenstillstand zustimmt.
Volker: Ja, und das sagt er ungefähr einmal pro Woche. Man kann Trumps Drohungen im Hinblick auf einen Waffenstillstand nicht mehr ernst nehmen, weil er das schon so oft gesagt und nichts unternommen hat.
WELT: Trump hat offenbar einen Zeitplan im Kopf und sagt, dass er schnell ein zweites, trilaterales Treffen will. Was ist sein Plan?
Volker: Putin wird sich nicht annähernd auf diesen Zeitplan einlassen. Trump plant vielleicht, dass die Russen die Gebiete Donezk und Luhansk behalten und sich aus Saporischschja und Cherson zurückziehen, und dann gibt es einen Waffenstillstand. Aber Putin wird dem nicht zustimmen. Er wird einem Abzug der Truppen von keinem Ort zustimmen.
WELT: Ist das Treffen in Alaska letztlich zwecklos?
Volker: Man muss Trump zugutehalten, dass er alle zum Reden und Reagieren gebracht hat. Er hat also viel Unruhe gestiftet, alle sind involviert. Das ist gut. Ich denke, selbst ohne zusätzlichen Druck auf die russische Wirtschaft durch Trump – wobei ich hoffe, dass es diesen Druck gibt –, aber selbst ohne diesen Druck könnte Putin sich bis zum Jahresende gezwungen sehen, einen Waffenstillstand zu vereinbaren. Seine Staatsfinanzen verschlechtern sich zunehmend. Wenn Druck dazu kommt, könnte Putins Zustimmung zu einem Waffenstillstand schneller kommen. Aber ich glaube nicht, dass Trump diesen Druck je ausüben wird.
WELT: Trump hat doch vergangene Woche Indien gedroht, 50 Prozent Gesamtzoll zu zahlen, wenn es weiter russisches Öl kauft?
Volker: Trump hatte anfangs 100 Prozent angedroht. Indien sagt trotzdem, dass es sich davon nicht beeinflussen lässt und weiterhin russisches Öl und Gas kauft. Und China hat Trump überhaupt nicht gedroht. Zudem sind solche Zölle keine wirklichen Sanktionen. Bis jetzt sind Trumps Sanktionen nur Getöse. Die Entscheidung, weiter mit Russland Handel zu treiben, würden China oder Indien zwar theoretisch treffen. Aber als Trump China das letzte Mal mit hohen Zöllen belegen wollte, hat Peking harte Vergeltungszölle verhängt, die den US-Verbrauchern mehr geschadet hätten als unsere Zölle China. Trump zog zurück.
WELT: Sind die schon seit Monaten vom US-Senat angekündigten Sanktionen eine Option, den Druck zu erhöhen?
Volker: Die Republikaner im Senat wollen angesichts der großen Aktivität, die Trump aktuell ausgelöst hat, nicht an ihm vorbeiziehen. Sie wollen ihn führen lassen.
WELT: Wie ernst nimmt Trump die Europäer bei seinen Verhandlungen mit Putin?
Volker: Trump will die Verantwortung für die Sicherheit der Ukraine und für deren finanzielle Stabilität auf die Europäer abwälzen. Er hat jetzt erkannt, dass es sich für ihn lohnt, weiter mit Europa zu verhandeln – weil er möchte, dass sie das Geld aufbringen. Was seine Gespräche mit Putin angeht und ob er dabei an Europa denkt, das glaube ich nicht. Vielmehr versucht er herauszufinden, wie er sich selbst und die Trump Organization (Trumps Konzern, Anm. d. Red.) positionieren kann, um mit Russland Geschäfte zu machen, wenn der Krieg vorbei ist und die Sanktionen aufgehoben werden können. Trump ist deshalb so frustriert, dass Putin den Krieg nicht beendet, weil er in Russland Geld verdienen will.
WELT: Hat es Trumps besonderer Beziehung zu Putin geschadet, dass der Russe den Krieg hinzieht?
Volker: Ich weiß nicht, ob Trump und Putin eine besondere Beziehung haben. Ich glaube, dass Trump Putin immer als einen starken Mann angesehen hat, als jemanden, der wirklich das Sagen hat. Und Trump weiß, dass man Putin nicht persönlich angreifen sollte, wenn man eine Einigung erzielen will.
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