Im Schatten der Diskussionen über das Treffen von Trump und Putin in Alaska hat im Weißen Haus ein Gipfel stattgefunden, der nachhaltig Frieden bringen könnte - zwischen Aserbaidschan und Armenien. Nebenbei wird Russland ausgebootet.
"Historisch" ist ein großes Wort und allzu oft wirkt sein Gebrauch inflationär. Doch der "Friedensgipfel" im Weißen Haus, bei dem Gastgeber Donald Trump den armenischen Premier Nikol Paschinjan und Aserbaidschans Präsidenten Ilham Alijew empfing, damit sie unter seiner Schirmherrschaft gleich mehrere Abkommen unterzeichnen, könnte tatsächlich den Weg in die Geschichtsbücher finden.
Nach fast vierzig Jahren blutigen Konflikts und ständiger Grenzblocken zwischen den beiden Kaukasusrepubliken sollen die Washingtoner Deals den Weg freimachen zu einem Friedensabkommen. Nicht nur Sicherheit und Stabilität sollen damit garantiert, sondern die "wirtschaftlichen Potenziale der Region entfesselt" werden durch umfassende Investitionen in Infrastruktur, Energie und moderne Technologien wie Halbleiterproduktion und KI.
Gerade Armenien als demokratisch regiertes Binnenland zwischen autoritär bis diktatorischen Nachbarn könnte zu einem wichtigen Puzzlestück im "Mittleren Korridor" werden, der Europa über das Kaspische Meer mit Zentralasien und China verbindet.
"Trump-Route für Internationalen Frieden und Wohlstand"
Kern der Vereinbarungen ist ein kommerzielles Projekt, dessen Name kaum stärker nach Trump klingen könnte: die "Trump-Route für Internationalen Frieden und Wohlstand", kurz TRIPP. Sie soll den Weg weisen aus der Sackgasse, in die die Friedensbemühungen zuletzt geraten waren.
Begonnen hatte der Prozess bereits 2023, nach der erfolgreichen aserbaidschanischen Militäroffensive in Bergkarabach. Seit den frühen 1990ern war jene mehrheitlich von Armeniern bewohnte, aber völkerrechtlich zu Aserbaidschan gehörige Region umstritten - Baku sprach von armenischer Besatzung, Jerewan sah einen unabhängigen Staat.
Zahllose Vermittlungsversuche scheiterten, bis Aserbaidschan die Provinz schließlich in zwei Etappen 2020 und 2023 militärisch überrollte. Fast alle 100.000 Armenier in der Region flohen oder wurden vertrieben. Seither war vor allem die armenische Seite bemüht, die alte Feindschaft beizulegen und mit einem Friedensabkommen nicht nur die Grenze mit Aserbaidschan nach Jahrzehnten für den Güter- und Personenverkehr zu öffnen, sondern auch die Blockade durch die Türkei, einen engen Verbündeten Bakus, zu überwinden.
Zugang zu Nachitschewan
Doch die Bedingungen Alijews waren für Paschinjan unannehmbar. Neben der Änderung seiner Verfassung sollte Armenien dem Nachbarn einen Korridor durch die südarmenische Region Sjunik bereitstellen, um das aserbaidschanische Kernland mit dessen Exklave Nachitschewan und der Türkei zu verbinden. Zu tief saß das Misstrauen, angesichts jahrzehntelanger Propaganda und den jüngsten Erfahrungen von Krieg und Vertreibung, um dem bisherigen Erzfeind Aserbaidschan direkten Zugriff auf einen - strategisch lebenswichtigen - Teil seines Territoriums zu gewähren. Hier kommt nun Washington ins Spiel.
Die USA sollen, gewissermaßen als neutrale Garantiemacht, für 99 Jahre exklusive Sonderrechte erhalten, um in der Sjunik-Region Infrastrukturprojekte zu entwickeln. Als amerikanisch-armenisches Joint Venture soll ein Konsortium privater Firmen, potenziell auch aus Drittstaaten, Eisenbahnlinien bauen, Pipelines verlegen und Glasfaserkabel ziehen, die auch Aserbaidschan nutzen darf. Armenien behält die volle Kontrolle über sein Territorium, doch es besteht die Option, dass private US-Sicherheitsfirmen das Projekt absichern.
Es bestehen weiterhin Hürden bis zum tatsächlichen Abschluss des Friedensabkommens. Alijew beharrt auf einer armenischen Verfassungsänderung, während Paschinjan, der im Sommer 2026 wiedergewählt werden will, innenpolitisch nicht nur Zustimmung erfährt. Zwar dürfte das Land durch die Öffnung von Grenzen und Märkten wirtschaftlich deutlich profitieren, doch viele Menschen, gerade auch in der betroffenen Region Sjunik, trauen dem Deal nicht. Andere Armenier halten es für Verrat, dass jegliche Ansprüche auf Wiedergutmachung für den Verlust von Bergkarabach aufgegeben wurden.
Russland an der Seitenlinie
Geopolitisch ist die Tragweite der Washingtoner Vereinbarungen jedoch immens. Einerseits wird der Einfluss Russlands, das noch vor wenigen Jahren alternativlos als Schutzmacht Armeniens galt, "Friedenstruppen" in Bergkarabach stellte und den gesamten Südkaukasus als sein "Interessengebiet" versteht, sichtbar geschwächt. Die Beziehungen zwischen Moskau und Baku sind infolge des Abschusses einer aserbaidschanischen Passagiermaschine im Dezember 2024 am Tiefpunkt, und auch Jerewan ging zuletzt merklich auf Distanz zum Kreml. Im Frühjahr stimmte das armenische Parlament symbolisch für die Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen, und Ende August finden zum dritten Mal gemeinsame Militärmanöver mit den USA statt.
Auch für den Nachbarn Iran, zu dem Armenien gute Beziehungen unterhält, wäre die TRIPP ein sicherheitspolitischer Albtraum. Das Verhältnis zwischen Teheran und Baku ist angespannt, auch wegen der engen sicherheitspolitischen Partnerschaft Aserbaidschans mit Israel. Manche Beobachter erkennen in der neuen Annäherung Aserbaidschans mit den USA gar Anzeichen einer neuen Dreierallianz gegen den Iran.
Profitieren dürfte hingegen die Türkei, deren Rolle als Regionalmacht durch die Abkommen gestärkt würde. Auch Vertreter der Europäischen Union begrüßen die Vereinbarungen und stellten eigene Investitionen in die regionale Infrastruktur in Aussicht. In den letzten Monaten hatten sich neben der EU-Außenbeauftragten Kaja Kallas auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron für das Friedensabkommen starkgemacht und Vermittlung angeboten. Dass die Kaukasusrepubliken, beide Länder der östlichen Nachbarschaft der EU, jedoch lieber auf Trump als auf Brüssel setzen, ist so ernüchternd wie wenig überraschend. Der US-Präsident hingegen dürfte sich einen Schritt näher an einem großen Lebensziel wähnen: dem Friedensnobelpreis.
Der Autor: Jakob Wöllenstein leitet seit Mai 2025 das Regionalprojekt "Politischer Dialog Südkaukasus" der Konrad-Adenauer-Stiftung.
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