Frauke Brosius-Gersdorf zieht sich als Richterkandidatin zurück. Problem also gelöst? Das können in der SPD viele nicht so sehen. Die Wut fokussiert sich dabei auf Fraktionschef Spahn. Aus Sicht des Parteilinken Stegner hat dieser der extremen Rechten zu einem Sieg verholfen und muss gehen.
Der SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner hat den Rückzug der Richterkandidaten Frauke Brosius-Gersdorf als Niederlage für demokratische Parteien bezeichnet und von Bundeskanzler und CDU-Chef Friedrich Merz ein deutliches Bekenntnis gegen Rechts gefordert. "Der Tag wird in die Geschichte eingehen als der Tag, an dem der rechte Mob erstmals einen Triumph gefeiert hat", sagte Stegner dem Redaktionsnetzwerk Deutschland mit Blick auf Brosius-Gersdorfs Rückzug. "Die demokratischen Parteien haben sich demgegenüber als wehrlos erwiesen. Der politische Skalp hängt am Gürtel von Björn Höcke". Es sei zu hoffen, dass dies als "Warnschuss" begriffen werde, sagte er.
Stegner forderte Merz auf, die Mehrheitsfähigkeit der Koalition sicherzustellen oder Fraktionschef Jens Spahn auszuwechseln. "Wenn die Union keine demokratische Mehrheit garantieren kann, stellt sich die Führungsfrage." Die Union müsse verstehen, "welchen Dammbruch sie ermöglicht hat", sagte Stegner. "Eine Wiederholung eines solchen Vorgangs muss ausgeschlossen werden." Als Zeichen gegen Rechts könne etwa ein Ausschluss der wegen ihrer Nähe zur AfD in die Kritik geratenen Brandenburger CDU-Abgeordneten Saskia Ludwig aus der Bundestagsfraktion gehören, schlug Stegner vor.
Auch Juso-Chef Philipp Türmer stellte Jens Spahn als Fraktionschef der Union infrage. Der "Rheinischen Post" sagte er: "Eine Unionsfraktion unter Führung eines derart skandalbelasteten und offensichtlich ohne jegliche Autorität im eigenen Laden ausgestatteten Politikers belastet die Koalition zu sehr. Die CDU muss Konsequenzen ziehen und einen Wechsel an der Fraktionsspitze vornehmen." Weiter erklärte Türmer, die SPD müsse aus seiner Sicht die "Zusammenarbeit mit Jens Spahn einstellen".
Der Chef der SPD-Jugend kritisierte: "Friedrich Merz und Jens Spahn haben offensichtlich weniger Kontrolle über ihre eigene Fraktion als dubiose rechtsradikale Internetseiten. Die CDU macht öffentliches und durch Fakenews angefeuertes Mobbing zu ihrem neuen politischen Stil. Die erste Amtshandlung des neuen Fraktionschefs sollte ein Anruf bei Frau Brosius-Gersdorf mit der Bitte um Entschuldigung sein."
Miersch: Union "verspielt Vertrauen in die Demokratie"
SPD-Fraktionschef Matthias Miersch forderte nach dem Brosius-Gersdorfs Rückzug mehr Verlässlichkeit der Koalitionspartner CDU und CSU. Die Unionsspitze habe wiederholt Zustimmung zur Wahl der Juristin signalisiert, schrieb Miersch in einem Brief an die Abgeordneten, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. "Dass sich zentrale Teile der CDU/CSU-Fraktion am Ende davon distanziert haben, erschüttert nicht nur Vertrauen, sondern stellt das Fundament infrage, auf dem demokratische Zusammenarbeit überhaupt möglich ist." Er sei sich sicher: "Wer auf diese Art agiert, bekommt vielleicht kurzfristig seinen Willen, langfristig lähmt er damit aber das Parlament und verspielt Vertrauen in die Demokratie."
Miersch forderte, CDU/CSU müssten sich nun zu klaren Spielregeln des Regierens bekennen. "Nur wenn Zusagen Bestand haben, sind tragfähige Kompromisse möglich. Nur dann können wir Vertrauen zurückgewinnen und politische Handlungsfähigkeit sichern."
Die von der SPD vorgeschlagene Bewerberin für das Bundesverfassungsgericht, Brosius-Gersdorf, zog ihre Kandidatur am Donnerstag zurück. Sie stehe "für die Wahl als Richterin des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr zur Verfügung", schreibt sie in einer Erklärung. Die Unions-Fraktion habe ihr "in den letzten Wochen und Tagen sehr deutlich signalisiert, dass meine Wahl ausgeschlossen ist". Die SPD bedauerte den Schritt und kündigte einen neuen Vorschlag an.
Die Besetzung von drei Richterstellen am Bundesverfassungsgericht war am 11. Juli im Bundestag gescheitert, weil die Unionsfraktion die zuvor in der Koalition vereinbarte Zustimmung zur Wahl von Brosius-Gersdorf verweigerte. Die Union begründete ihre Kritik unter anderem mit Plagiatsvorwürfen gegen Brosius-Gersdorf und deren Haltung zu den Themen Abtreibung und Kopftuchverbot. Die Abstimmungen wurden daraufhin abgesetzt. Der Vorgang belastete die Stimmung in der Koalition aus Union und SPD.
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