Die CDU mit Fraktionschef Spahn an der Spitze torpediert die Wahl von Brosius-Gersdorf zur Verfassungsrichterin. Nachdem diese ihre Kandidatur zurückzieht, betont Spahn ihre Expertise und Integrität. Das Verhalten der Union hinterlasse Spuren, heißt es aus der SPD.

Unionsfraktionschef Jens Spahn will nach dem Rückzug der Richterkandidatin Frauke Brosius-Gersdorf mit der SPD gemeinsame Lösungen finden. Spahn sagte: "Der Entscheidung von Frau Prof. Brosius-Gersdorf gilt größter Respekt. Für ihre juristische Expertise und persönliche Integrität genießt sie zurecht hohe Anerkennung. Jenseits der sachlichen Auseinandersetzung gab es herabsetzende und beleidigende Kritik, die Frau Prof. Brosius-Gersdorf in den letzten Wochen erdulden musste. Diese verurteilen wir ausdrücklich. Das habe ich ihr auch persönlich im Namen der Unionsfraktion gesagt."

Spahn sagte weiter: "Ich bedauere, dass diese Lage auch durch die zu späte Ansprache unserer inhaltlichen Bedenken entstehen konnte. Nun werden wir mit der nötigen Ruhe und Sorgfalt eine gemeinsame Lösung mit unserem Koalitionspartner finden."

Vizekanzler Lars Klingbeil sieht die Verantwortung für den Rückzug bei der Union. "Die SPD hat immer zu dieser exzellenten Kandidatin gestanden. Diejenigen, die am Ende nicht zu ihrem Wort innerhalb der Koalition gestanden haben, müssen dringend aufarbeiten, was da passiert ist", forderte der SPD-Chef. "So ein Vorfall darf sich nicht wiederholen."

Was Brosius-Gersdorf in den vergangenen Wochen an Anfeindungen habe erleben müssen, sei nicht tragbar, betonte Klingbeil. Er bedauerte den Rückzug der Richterin, die persönliche Entscheidung respektiere er aber.

Die SPD-Fraktion fordert mehr Verlässlichkeit vom Koalitionspartner. "Wir werden als SPD-Bundestagsfraktion einen neuen Vorschlag für eine geeignete Besetzung unterbreiten, weiterhin mit klarer Orientierung an fachlicher Exzellenz", kündigte Fraktionschef Matthias Miersch an. "Wir erwarten von unserem Koalitionspartner, dass Absprachen künftig Bestand haben. Ein solcher Vorgang darf sich nicht wiederholen."

Brosius-Gersdorfs Entscheidung bedauere er zutiefst, betonte Miersch. Sie sei eine herausragende Juristin, die Ziel einer beispiellosen Kampagne geworden sei. Die Unionsfraktion habe nicht einmal ein persönliches Gespräch mit der Kandidatin ermöglicht. All das hinterlasse Spuren, betonte der SPD-Fraktionschef.

Juso-Chef fordert Rücktritt von Spahn

Miersch stellte sich erneut hinter die von der SPD nominierte Kandidatin. "Denn Frauke Brosius-Gersdorf hätte dem Bundesverfassungsgericht gutgetan: mit ihrer wissenschaftlichen Tiefe, ihrer Erfahrung, ihrem klaren Kompass für Grund- und Freiheitsrechte." Dass sie sich nun aus dem Verfahren zurückzieht, sei ein alarmierendes Signal für die politische Kultur und auch für die Unabhängigkeit der Institutionen.

Juso-Chef Philipp Türmer geht noch weiter und stellt Jens Spahn als Fraktionschef der Union infrage. Der "Rheinischen Post" sagte er: "Eine Unionsfraktion unter Führung eines derart skandalbelasteten und offensichtlich ohne jegliche Autorität im eigenen Laden ausgestatteten Politikers belastet die Koalition zu sehr. Die CDU muss Konsequenzen ziehen und einen Wechsel an der Fraktionsspitze vornehmen." Weiter erklärte Türmer, die SPD müsse aus seiner Sicht die "Zusammenarbeit mit Jens Spahn einstellen".

Der Chef der SPD-Jugend kritisierte: "Friedrich Merz und Jens Spahn haben offensichtlich weniger Kontrolle über ihre eigene Fraktion als dubiose rechtsradikale Internetseiten. Die CDU macht öffentliches und durch Fakenews angefeuertes Mobbing zu ihrem neuen politischen Stil. Die erste Amtshandlung des neuen Fraktionschefs sollte ein Anruf bei Frau Brosius-Gersdorf mit der Bitte um Entschuldigung sein."

Grüne: "Absolut inakzeptabel"

Die Grünen-Fraktion reagiert entgeistert auf den Rückzug. Die beiden Fraktionschefinnen Katharina Dröge und Britta Haßelmann zweifelten die Handlungsfähigkeit der schwarz-roten Koalition an. Brosius-Gersdorf sei eine "exzellente, hoch qualifizierte Juristin", betonten sie.

"Es bleibt ein ungeheuerlicher Vorgang, den es so noch nicht gegeben hat", erklärten die beiden Grünen-Politikerinnen. Das Gesamtpaket mit drei Richtern sei ein Vorschlag der Koalition gewesen. "Es ist absolut inakzeptabel, dass die CDU-Fraktion ihre Unterstützung zurückgezogen hat und eine Wahl von Frauke Brosius-Gersdorf jetzt kategorisch ablehnt."

Die Verantwortung dafür trage Unionsfraktionschef Jens Spahn, der sein Wort gegeben habe und nicht mehr halten könne. "Ein Fraktionsvorsitzender einer Regierungsfraktion, dessen Wort nicht mehr zählt, weder gegenüber dem Koalitionspartner noch anderen demokratischen Fraktionen, ist ungeeignet für eine solch verantwortungsvolle Aufgabe."

Auch Vorwürfe an die SPD

Auch der SPD machten Dröge und Haßelmann Vorwürfe. "Wir fragen uns, wieso die SPD offenbar bereit war, ein Nein der CDU zu akzeptieren. Dieses Verhalten ist schwach."

Es zeige sich, dass Kanzler Friedrich Merz und Vizekanzler Lars Klingbeil sich aktuell nicht auf eine stabile Mehrheit im Bundestag für ihre Koalition verlassen könnten. "Diese Regierung startet damit höchst instabil in die Sitzungszeit nach dem Sommer. Friedrich Merz wird zeigen müssen, ob er noch Kanzler einer Koalition ist, die handlungsfähig und verlässlich ist. Unsicherheit und Instabilität sind Gift für dieses Land in unsicheren Zeiten."

Die beiden Grünen-Politikerinnen bedankten sich bei Brosius-Gersdorf. "Es ist absolut inakzeptabel und ungeheuerlich, dass eine so angesehene Juristin von CDU und SPD für das Bundesverfassungsgericht während dieses Verfahrens von Lügen, Desinformationen und einer hetzerischen Kampagne derart getroffen wurde."

Durch das "chaotische und unzuverlässige Vorgehen der Koalition, insbesondere der CDU/CSU und auch der SPD" sei ein Schaden für das Wahlverfahren für Richter am Bundesverfassungsgericht entstanden. "Wir halten jetzt Gespräche zwischen den demokratischen Fraktionen im Bundestag für notwendig."

Linke: Schaden am Bundesverfassungsgericht

Die Linke sieht nach dem Verzicht ein fatales Signal. "Es ist kein gutes Zeichen für den Zustand unserer Demokratie, dass die rechte Hetzkampagne schlussendlich Erfolg hatte", erklärte die Linken-Innenpolitikerin Clara Bünger.

Brosius-Gersdorf sei persönlich attackiert und ihre wissenschaftliche Arbeit in den Dreck gezogen worden. Es werde sich zeigen, wie viele fähige Juristen und Juristinnen sich noch zu einer Kandidatur für das Verfassungsgericht bereit fänden, fügte Bünger hinzu.

"Das Bundesverfassungsgericht wurde in diesem Prozess beschädigt, besonders durch das Verhalten der Unionsfraktion und ihrem Vorsitzenden Jens Spahn, der nicht in der Lage oder willens war, die Fraktion zu führen", erklärte Bünger.

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