Als im Juli das ukrainische Parlament und Staatschef Selenskyj per Gesetz die Macht der Antikorruptionsbehörde einschränken, kommt es im Inland zu großen Protesten. Nach westlichem Druck wird das Gesetz gekippt. Nun tritt ein neuer Chefermittler seinen Dienst an.

Nach wochenlangem Zögern hat die ukrainische Regierung einen neuen Chef einer Ermittlungsbehörde gegen Wirtschaftskriminalität ernannt. Wie Regierungschefin Julia Swyrydenko mitteilte, wurde der Antikorruptionsermittler Oleksandr Zywinskyj zum Leiter des Büros für wirtschaftliche Sicherheit (BEB) ernannt. Zuvor hatte sich Kiew wochenlang geweigert, den als unabhängig geltenden Ermittler Zywinskyj im neuen Amt zu bestätigen.

Zywinskyj, der durch mehrere aufsehenerregende Antikorruptionsermittlungen bekannt geworden war, hatte sich im Juni in einem Auswahlverfahren für die Leitung des BEB durchgesetzt. Die Regierung in Kiew weigerte sich jedoch zunächst, ihn zu ernennen. Als Grund dafür wurden angebliche familiäre Verbindungen nach Russland genannt.

Die Blockadehaltung wurde von Aktivisten und Abgeordneten kritisiert. Einige mutmaßten, dass Präsident Wolodymyr Selenskyj die Ernennung Zywinskyjs verhindern wolle, da er den Ermittler nicht kontrollieren könne.

Laut Swyrydenko hat Zywinskyj inzwischen einen Lügendetektortest absolviert und dabei jeglichen Verdacht über Verbindungen nach Moskau aus dem Weg räumen können. "Es ist wichtig, dass die Wirtschaftsbeziehungen in der Ukraine nicht durch Hinterzimmergeschäfte verzerrt werden und dass Unternehmen auf den Respekt des Staates zählen können", fügte Swyrydenko hinzu.

Die Europäische Union und der Internationale Währungsfonds, die Kiew angesichts des russischen Angriffskriegs maßgeblich unterstützen, hatten eine unabhängige Besetzung der BEB-Leitung zu einer Bedingung für die Fortsetzung wichtiger Finanzhilfen gemacht. EU-Erweiterungskommissarin Marta Kos begrüßte Zywynskis Ernennung und nannte sie eine "entscheidende Reform, die von der EU nachdrücklich unterstützt wird".

Vertrauen in Selenskyj gesunken

In den vergangenen Wochen hatte die Rolle der Antikorruptionsbehörden in der Ukraine heftige Kontroversen und Proteste ausgelöst. Am Donnerstag vergangener Woche hatte Präsident Wolodymyr Selenskyj ein Gesetz unterzeichnet, das die Unabhängigkeit zweier wichtiger Ermittlungseinheiten wiederherstellen soll. Es trat an die Stelle eines vorherigen Gesetzes, durch das die beiden Stellen der Generalstaatsanwaltschaft unterstellt werden sollten - was faktisch das Ende ihrer Autonomie bedeutet hätte.

In der Folge der Proteste und internationalen Kritik gegen den Vorstoß, die Behörden einem handverlesenen Generalstaatsanwalt unterzuordnen, ist das Vertrauen der ukrainischen Bevölkerung in ihren Präsidenten Selenskyj auf den niedrigsten Stand seit rund sechs Monaten gefallen.

Einer Umfrage des Kiewer Internationalen Instituts für Soziologie (KIIS) zufolge vertrauen derzeit 58 Prozent der Ukrainerinnen und Ukrainer Selenskyj. Im Mai lag der Wert noch bei 74 Prozent, im Februar/März waren es 67 Prozent. Der Anteil derer, die ihm nicht vertrauen, stieg von 30 auf 35 Prozent. Der Hauptgrund ist laut KIIS eine Enttäuschung über anhaltende Korruption im Staat und weniger persönliche Vorwürfe gegen den Präsidenten selbst.

Die KIIS-Umfrage ist die erste eines großen ukrainischen Meinungsforschungsinstituts, seit Selenskyj mit seinem Vorstoß, die Behörden einem handverlesenen Generalstaatsanwalt unterzuordnen, für Empörung gesorgt hatte.

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