Dies ist ein Bericht mit vielen Zahlen. Aber hinter diesen Zahlen stehen grausame Schicksale. Es geht um ein Thema, das nicht im Fokus der Öffentlichkeit steht und von dem viele Menschen lieber gar nichts wissen wollen: Menschenhandel mit Kindern.
Dabei geht es um Schicksale, wie das der Niederländerin Merel van Groningen, die sich als 15-Jährige heillos in einen zehn Jahre älteren Mann verliebte. Dieser zwang sie nach kurzer Zeit zur Prostitution im Rotlichtviertel von Den Haag. Nach drei schrecklichen Monaten konnte sie fliehen.
Da ist auch die Geschichte von Ali, der als Migrant aus Ägypten über das Mittelmeer nach Europa übersetzte. Die Schleuser hatten ihm einen ordentlichen Job in seiner neuen Heimat versprochen, aber Ali landete auf einer Baustelle, wo er neun Monate lang 15 Stunden am Tag arbeiten musste, ohne Lohn und mit wenig Essen. Er schlief in einem stickigen Container.
Das Europäische Parlament hat Ende Mai einen neuen Kurzreport zu Menschenhandel mit Kindern vorgelegt. Die wichtigste Erkenntnis der Experten lautet: „Die verfügbaren Daten zeigen, dass die Zahl der Kinder, die Opfer von Menschenhandel werden, signifikant angestiegen ist in den vergangenen Jahren.“ Konkrete Zahlen werden nicht genannt. Man kann aber davon ausgehen, dass die meisten Fälle erst gar nicht erfasst werden.
Als ein wichtiger Grund für den Anstieg von Menschenhandel mit Kindern wird in dem Bericht genannt, dass die Opfer seit der Covid-19-Pandemie zunehmend über das Internet rekrutiert werden. Kinder und Jugendliche, die häufig in den sozialen Netzwerken unterwegs sind oder Online-Spiele nutzen, seien besonders anfällig. Täter nutzen dabei persönliche Informationen zu Hobbys oder Interessen aber auch Aufenthaltsorten, um das Vertrauen der Kinder zu gewinnen und sie gezielt anzusprechen.
Zu welchen Dienstleistungen werden Kinder und Jugendliche dann von ihren Peinigern gezwungen? In dem Report heißt es dazu: „Wie Erwachsene auch, können Kinder missbraucht werden für sexuelle Ausbeutung, Zwangsarbeit, Kriminalitätsdelikte und Organentnahmen. Zuletzt haben EU-Offizielle aber auch neue Formen der Ausbeutung erkannt, wozu auch Leihmutterschaften, Zwangsheirat und illegale Adoptionen gehören.“
Jedes fünfte Opfer von Menschenhandel ist ein Kind
Unter Berufung auf den „Fünften Bericht zur Bekämpfung von Menschenhandel“ der EU-Kommission von Januar 2025 fassen die Autoren zusammen, dass jedes fünfte Opfer von Menschenhandel ein Kind sei. 81 Prozent der betroffenen Kinder waren demnach EU-Bürger und 88 Prozent wurden in ihrem Heimatland missbraucht.
Fast die Hälfte der kindlichen und jugendlichen Opfer (47 Prozent) waren dem Bericht zufolge im Alter von 13 bis 17 Jahren und 13 Prozent im Alter von null bis zwei Jahren. „Sie wurden wahrscheinlich in den Menschenhandel hineingeboren“, heißt es. 43 Prozent der Opfer von Menschenhandel bei Kindern und Jugendlichen sind männlich und 57 Prozent weiblich. Jedes fünfte Opfer – vor allem Mädchen und junge Frauen – werde „sexuell ausgebeutet, einschließlich Prostitution, Pornografie und sexuelle Sklaverei“. Dabei würden Opfer von sexueller Ausbeutung vor allem „international vermittelt“.
Wer sind die Täter? Oft sind es auf Menschenhandel spezialisierte kriminelle Netzwerke, so die Autoren. Es gebe jedoch auch „kriminelle Gruppen, die sich vor allem anderen kriminellen Aktivitäten widmen, aber auch Kinder, die häufig aus einem Drittland stammen, dazu benutzen, Verbrechen zu begehen“.
Nicht selten missbrauchten aber auch Familienclans ihre eigenen Kinder oder die Kinder und Jugendlichen aus anderen Familien. „Sie zwingen sie zum Betteln, zu kriminellen Aktivitäten oder zu sexuellem Missbrauch“, heißt es in dem Bericht des EU-Parlaments.
Wer sind die bevorzugten Opfer der Kriminellen? Es sind die Schwächsten: Kinder mit einem schwierigen familiären Hintergrund, mit wenig Selbstwertgefühl, mit psychologischen Problemen oder „mit schwerwiegenden Entwicklungsproblemen“. Auch Drogensucht mache die Kinder zu leichten Opfern.
Christoph B. Schiltz ist Korrespondent in Brüssel. Er berichtet unter anderem über Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU, die europäische Migrationspolitik, die Nato und Österreich.
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