Katherina Reiche will, dass die Deutschen mehr und länger arbeiten. Die Diskussion über dieses Thema findet Franz Müntefering gut. Doch dem ehemaligen Vizekanzler ist die Aussage der Ministerin zu kurz gedacht. Er regt an, individuellere Regeln zu finden.

Der frühere Bundesarbeitsminister Franz Müntefering von der SPD weist die Forderung nach mehr und längerem Arbeiten als zu pauschal zurück, begrüßt aber die öffentliche Debatte zu diesem Thema. Müntefering nannte die Äußerungen von Wirtschaftsministerin Katherina Reiche im Gespräch mit dem "Tagesspiegel" "pauschalen Unsinn".

"Mir ist das zu pauschal, es kommt auf jeden einzelnen Menschen an", sagte Müntefering. Die Menschen kämen heute später in den Beruf als zu seiner Zeit, lebten länger, blieben länger gesund. "Deshalb haben wir 2006 die Rente mit 67 eingeführt." Er gab zu bedenken, dass da womöglich nachgelegt werden könnte. "Eine Debatte über längeres Arbeiten lohnt in jedem Fall", sagte der frühere Vizekanzler. "Wir sollten über flexiblere Übergänge in die Rente diskutieren. Es ist wichtig, darüber zu reden. Diese Debatte ist nicht unsittlich, sondern unabdingbar."

Beim Ruf nach mehr und längerer Arbeit "greifen Pauschalisierungen zu kurz", sagte Müntefering: "Die Menschen sind verschieden, haben unterschiedliche Talente und Fähigkeiten, sind unterschiedlich gesund ... Manche können mit 45 oder 60 Jahren nicht mehr arbeiten, andere wollen mit 63, 65 oder 70 noch arbeiten."

Es sei "kein Zufall, dass immer mehr Menschen über die gesetzliche Regelaltersgrenze arbeiten wollen", sagte Müntefering. "Heute wollen 15 bis 20 Prozent der Menschen im Rentenalter länger arbeiten. Immer mehr Arbeitnehmer und Beamte wollen selbst entscheiden, wie lange sie über 65 oder 66 Jahre arbeiten."

Müntefering fordert mehr Flexibilität

Außerdem wollten "immer mehr Unternehmer Mitarbeiter länger halten oder stellen Ältere sogar ein, schwärmen von deren Fähigkeiten und Erfahrungen". Er sagte weiter: "Meine Prognose ist: Wir werden damit nicht so pauschal wie bisher umgehen können. Wir brauchen mehr Flexibilität als Antwort auf mehr individuelle Bedürfnisse."

Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche sorgte vergangene Woche für einen Eklat, indem sie die Bürger dazu aufforderte, mehr und länger zu arbeiten. "Es kann auf Dauer nicht gut gehen, dass wir nur zwei Drittel unseres Erwachsenenlebens arbeiten und ein Drittel in Rente verbringen", sagte die CDU-Politikerin der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". "Der demographische Wandel und die weiter steigende Lebenserwartung machen es unumgänglich: Die Lebensarbeitszeit muss steigen", war Reiche überzeugt. Weiter verlangte Reiche, "Anreize für Frühverrentungen" zu stoppen und "Anreize dafür zu schaffen, länger zu arbeiten".

Die CDU-Politikerin kam viel Kritik für ihren Vorstoß. Nicht nur die Opposition echauffierte sich, auch aus den eigenen Reihen wurde sie angegriffen.

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