Ein Brandbrief von Kommunalpolitikern der Grünen in Thüringen sorgt bei der Bundesspitze der Partei für Betroffenheit. Die Schilderungen hätten Parteichef Felix Banaszak „sehr bewegt, ich nehme das sehr ernst“, sagte der 35-Jährige am Samstag dem „Tagesspiegel“. Der „Spiegel“ hatte am Freitagabend über einen auf den 16. Juli datierten Brief der zwei Kommunalpolitiker Matthias Kaiser und Felix Kalbe berichtet. Sie warnten darin, dass der Einsatz für die Partei vor Ort aufgrund massiver Anfeindungen gefährlich geworden sei.
Banaszak sagte, die Bedrohung von Kommunalpolitikerinnen und -politikern treffe „die Demokratie im Kern“. Die Bundesspitze befinde sich in engem Austausch mit dem Landesverband in Thüringen und stehe solidarisch an dessen Seite, erklärte er. Der Parteichef will demnach auf seiner Sommertour in der kommenden Woche auch in Thüringen unterwegs sein.
Die beiden Kommunalpolitiker hatten geschrieben, der Brief sei „ein verzweifelter Hilfeschrei, denn: Wir wissen nicht mehr weiter.“ In ländlichen Regionen würde ihnen „abgrundtiefer Hass“ entgegenschlagen, dem Rechtsstaat warfen sie Versagen vor. Es sei normal geworden, auf offener Straße als Grüner beleidigt oder angespuckt zu werden.
„Grünenmitglied im ländlichen Thüringen zu sein, also fernab von Jena-Weimar-Erfurt, ist gefährlich geworden“, heißt es. Im Wahlkampf 2024 sei es „normal“ gewesen, auf der Straße beleidigt oder bespuckt zu werden. „Fast wöchentlich wurden Hassbotschaften an unsere Bürofenster geklebt. Sprüche wie: ‚Euch Grüne hängen wir auf‘ waren alltäglich“, berichten Kaiser und Kalbe.
Ein Anschlag auf das Grünen-Büro am 20. Februar verschärfte die Lage: In die Scheibe wurde der Satz „Volksverräter tötet euch!“ eingeritzt – die Reparatur sei bis heute gescheitert, weil sich kein Glaser dafür finde. „Viele wollen schlichtweg für ein Büro von Bündnis 90/Die Grünen keine Scheibe austauschen.“
Die Lage spitze sich weiter zu, während die Parteistrukturen in Thüringen bröckelten. Nach dem Debakel der Landtagswahlen 2024 – bei dem die Grünen nur 3,2 Prozent holten – gebe es keine Landtagsfraktion mehr, kaum hauptamtliche Unterstützung. Kaiser und Kalbe: „Währenddessen befinden wir uns in einer akuten körperlichen und mentalen Gefahrenlage.“ Auch bei den Bundestagswahlen kamen die Grünen in Thüringen gerade einmal auf 4,2 Prozent. Neueste Umfragen sehen die Grünen auf Landesebene sogar nur noch bei drei Prozent.
Präventionskonzept funktioniert nicht
Auch den Thüringer Innenminister Georg Maier (SPD) forderten sie in einem offenen Brief zum Handeln auf. Dessen Präventionskonzept greife nicht. Empfehlungen wie „dunkle Plätze meiden“ oder „das Auto vor der Fahrt prüfen“ seien realitätsfern. „Maßnahmen, die wir bereits seit Jahren treffen – und die an der aktuellen Realität vollends vorbeigehen.“
Die beiden Grünen-Politiker appellieren an den Bundesvorstand, die Lage im Osten nicht mit PR-Aktionen abzutun. Es brauche Personal, Strukturen, Präsenz. „Andernfalls müssen wir uns ehrlich eingestehen, dass wir als Partei die bewusste Entscheidung treffen, die östlichen Bundesländer aufzugeben.“
Tatsächlich hatte es in den vergangenen Wahlkämpfen zahlreiche Angriffe auf Politiker und Parteimitglieder gegeben, über die medial berichtet worden war. Besonders bekannt wurde der Fall des SPD-Politikers Matthias Ecke, der ins Krankenhaus geprügelt worden war. Unter den Opfern solcher Attacken befanden sich jedoch Mitglieder aller Parteien.
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