Als Russland die Ukraine angreift, sprengt die ukrainische Armee gezielt Brücken und Dämme. Die Logik ist simpel und effektiv: Wasser stoppt Panzer. Der Reservistenverband der Bundeswehr spricht sich deshalb für wiedervernässte Moore, ausgedehnte Sümpfe und Feuchtgebiete als natürlichen Grenzschutz aus. Auch in anderen Bereichen gewinnt Abschreckung mit Klimaschutz an Bedeutung, wie Kira Vinke von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik im "Klima-Labor" von ntv erklärt: Beim Bundeswehreinsatz in Mali war extreme Hitze ein Problem; in Afghanistan die Logistikkette für den Transport von schwerem Gerät und zur Unterbringung von Soldaten. Sind Kasernen mit Solaranlagen und Elektropanzer die Lösung?

ntv.de: Im militärischen Bereich gibt es eine "grüne" Bewegung, die sich intensiv mit Klimaschutz und Umweltschutz auseinandersetzt. Worüber wird dort gesprochen?

Kira Vinke: Unterschiedliche Dinge. Es geht etwa um die Frage, wie viele Emissionen das Militär durch Panzer und die Luftwaffe freisetzt. Eine andere Debatte ist, wie erneuerbare Energien die Logistik unabhängiger machen können, denn der Treibstoff-Transport ist anfällig für Angriffe.

Die Ukraine greift russische Raffinerien an, weil sie den Nachschub an der Front unterbrechen möchte?

Genau. Auch beim deutschen Einsatz in Afghanistan gab es eine riesige Logistikkette für die Bewegung von schwerem Gerät, für die Energieversorgung von Kasernen und für die Unterbringung von Soldaten. Mit erneuerbaren Energien ist man unabhängiger: Auf Kasernendächern erzeugen sie auch für Heiz- und Kühlsysteme Strom. Aber schweres Gerät ist schwieriger zu elektrifizieren.

Werden bereits erneuerbare Stromquellen eingesetzt?

In Ansätzen. Im militärischen Bereich, aber auch im Zivilschutz stabilisieren Dieselgeneratoren die Stromversorgung. Das ist in Entwicklungsländern ein großer Faktor. Auch im Ahrtal haben sie nach der Flutkatastrophe die Energieversorgung sichergestellt. Inzwischen kommen etwa auf Baustellen auch Batteriespeicher zum Einsatz, die müssen aber noch skaliert werden. An wasserstoffbasierten Lösungen wird ebenfalls geforscht.

Geht Deutschland voran oder schwappen solche Ansätze aus dem Ausland herüber?

Im Bereich der "grünen" Verteidigung, also beim Einsatz von erneuerbaren Energien im Militärsektor, stehen alle am Anfang, auch wenn es Fortschritte in der Elektrifizierung von einfachen Fahrzeugen gibt. Bei der strategischen Vorausschau sind wir weiter. Da ist die Frage, wie der Klimawandel Militäreinsätze verändern und die nationale Sicherheit beeinflussen wird. Die Nationale Sicherheitsstrategie der Bundesregierung stellt einen eindeutigen Bezug zum Klimawandel her. Der Bundesnachrichtendienst hat die Risiken in einer Studie analysiert. Im Weißbuch der Bundeswehr wurde der Klimawandel bereits 2017 als Risiko erfasst.

Mit Konsequenzen in der Praxis?

Die unterschiedlichen Dimensionen von Nachhaltigkeit werden bisher nur in einem Nachhaltigkeitsbericht der Bundeswehr beleuchtet. Das reicht nicht aus. Speziell bei der aktuellen Beschaffung, bei der aktuell sehr viel für die Bundeswehr eingekauft wird, sollte dieser Aspekt eine größere Rolle spielen - nicht nur aus Klimaschutzgründen, sondern um strategische Vorteile zu nutzen und Deutschland wehrhafter zu machen. Der Einsatz erneuerbarer Energien kann Kosten senken und unsere Unabhängigkeit von Importen stärken. Außerdem wird alles, was jetzt beschafft wird, Jahre oder Jahrzehnte im Einsatz bleiben. Kann man Panzer problemlos betanken, wenn auf deutschen Straßen immer mehr E-Autos unterwegs sind, klassische Tankstellen schließen und es die dahinterstehenden Lieferketten so nicht mehr gibt?

Gibt es dafür bereits einen Plan?

Nein, darauf sind wir nicht genügend vorbereitet. Es ist keine neue Erkenntnis, dass wir nicht ausreichend verteidigungsfähig sind. Wenn Boris Pistorius sagt "Deutschland muss Kriegsfähigkeit herstellen", müssen wir nicht nur fünf, sondern 20 oder 30 Jahre vorausdenken.

Indem man zweigleisig fährt?

Es wird an Elektropanzern geforscht und auch versucht, mit Wasserstoff zu arbeiten. Das sind wichtige Bemühungen. Die deutsche Verteidigungsindustrie gehört zu den innovativsten weltweit, aber durch die russische Aggression müssen wir möglichst schnell handeln. E-Panzer gehören zu den Entwicklungen, die am schwierigsten umzusetzen sind. Ob Klimaschutz oder Wehrhaftigkeit, es gibt viele andere Dinge, bei denen man ansetzen kann. Kasernen, Generatoren oder auch die Fahrzeugflotte, die nicht für den Kriegseinsatz, sondern für die Logistik dahinter bestimmt ist, können elektrifiziert werden. Das ist ein erhebliches Potenzial, um unabhängiger von Ölimporten zu werden, resilienter, und sich strategische Vorteile im Konfliktfall zu sichern. Naturkatastrophen werden zunehmen. Die Stärke der Extremwetterereignisse, die wir momentan sehen, übertrifft alle Worst-Case-Szenarien des Weltklimarats.

Wie wirken diese sich auf Militäreinsätze aus?

Die Bundeswehr hatte enorme Schwierigkeiten bei ihrem Einsatz in Mali. Es war extrem heiß und wird tendenziell noch heißer. Das erschwert den Einsatz für Soldatinnen und Soldaten. Das erfordert bestimmtes Equipment, bestimmte Ausrüstung, bestimmte Kleidung.

Damit Soldatinnen und Soldaten im Einsatz keinen Hitzschlag bekommen?

Zum Beispiel. Es gibt die sogenannte "Wet-bulb Temperature", das ist die Kühlgrenztemperatur. Damit wird gemessen, wie heiß und wie feucht es ist. Wird der Grenzwert überschritten, ist es so heiß und feucht, dass der Körper seine Temperatur nicht mehr durch Schwitzen regulieren kann, weil der Schweiß nicht verdunstet, sondern ohne kühlenden Effekt zu Boden tropft. Diesen Indikator hat das US-Militär entwickelt, nachdem es bei Truppenübungen in den USA mehrere Tote gab. Heute wird er in der Klimafolgenforschung eingesetzt.

Auch das Internet hat seinen Ursprung im Militär. Erwarten Sie, dass auch Klimatechnologien vom militärischen in den zivilen Bereich herüberschwappen?

Auf jeden Fall. Im militärischen Bereich wird Forschung und Entwicklung staatlich gefördert. Dort könnte man bei der Elektrifizierung von schwerem Gerät oder in der Produktion von alternativen Kraftstoffen schneller Fortschritte machen als im zivilen Bereich. Man sieht in der Ukraine bei den Drohnen, wie schnell sich neue Potenziale ergeben. Die Bundesregierung hat große Summen für die Aufrüstung bewilligt. Ein Teil davon sollte in Forschung und Entwicklung fließen.

Von grünen Verteidigungstechnologien?

Genau. Die Beschaffung ist von Bürokratie geplagt und muss überholt werden. Deswegen ist es schwierig, für neue Auflagen zu argumentieren. Aber man kann natürlich Leuchtturmprojekte finanzieren - ob das grüne Panzer sind oder nicht. Das ist auch eine Frage der Lieferkette: Stahl benötigt man nicht nur für Kreuzfahrtschiffe, sondern auch für Verteidigungsgüter. Die deutsche Stahlproduktion ist sicherheitsrelevant, die Stahlindustrie muss dekarbonisiert werden - unabhängig davon, wie der Antrieb von Panzern und Kampfflugzeugen später aussieht.

Mit Kira Vinke sprachen Clara Pfeffer und Christian Herrmann. Das Gespräch wurde zur besseren Verständlichkeit gekürzt und geglättet. Das komplette Gespräch können Sie sich im Podcast "Klima-Labor" anhören.

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