Mit einem neuen Gesetz verlieren zwei ukrainische Antikorruptionsorgane faktisch ihre Unabhängigkeit. Die beiden Behörden kritisieren das, Tausende Menschen gehen zudem auf die Straßen. Präsident Selenskyj reagiert und will ein neues Gesetz erlassen.
Vor dem Hintergrund neuer Proteste in mehreren ukrainischen Großstädten hat Präsident Wolodymyr Selenskyj ein neues Gesetz zur Funktion von Antikorruptionsorganen angekündigt. Es werde die Antwort auf alle Sorgen der Demonstranten sein und die Unabhängigkeit der Behörden zur Korruptionsbekämpfung gewährleisten, versprach er in seiner am Abend veröffentlichten Videobotschaft. Der Staatschef warf den Instituten erneut "russischen Einfluss" vor. Das neue Gesetz werde das verhindern. Details nannte Selenskyj allerdings bisher nicht.
Tags zuvor hatte das Parlament in Kiew im Eiltempo Gesetzesnormen beschlossen, welche das 2015 geschaffene Nationale Antikorruptionsbüro (NABU) und die Spezialisierte Antikorruptionsstaatsanwaltschaft (SAP) weitgehend der Generalstaatsanwaltschaft unterstellen. Spontan protestierten in mehreren Großstädten Tausende vor allem junge Menschen gegen die Novelle und forderten ein Veto des Präsidenten. Dieser unterzeichnete das Gesetz noch am Abend und es trat nach der Veröffentlichung sofort in Kraft.
Das Gesetz löste auch in der Europäischen Union Besorgnisse aus. Es "belastet den Weg der Ukraine in die EU", warnte Bundesaußenminister Johann Wadephul. Der CDU-Politiker erklärte, er erwarte von der Ukraine die "konsequente Fortsetzung der Korruptionsbekämpfung". Er verwies darauf, dass er die Leiter der zwei betroffenen Behörden bei seinem jüngsten Besuch in Kiew getroffen hatte. Die "Bild"-Zeitung berichtete, dass der Bundesaußenminister am Morgen mit seinem ukrainischen Amtskollegen Andrej Sybiha telefoniert und ihn zur konsequenten Fortsetzung der Korruptionsbekämpfung aufgefordert habe.
Von der Leyen fordert "Erklärung" von Selenskyj
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen übermittelte nach Angaben eines Sprechers Selenskyj "ihre ernsthaften Bedenken" wegen der Reform. Sie verlangte "Erklärungen" zu dem Gesetz. "Die Achtung der Rechtsstaatlichkeit und der Kampf gegen Korruption sind zentrale Elemente der Europäischen Union", betonte die EU-Kommission. "Als Beitrittskandidat wird von der Ukraine erwartet, dass sie diesen Standards uneingeschränkt gerecht wird."
Selenskyj verteidigte das Gesetz mit dem Argument, dass dadurch die Strafverfolgung gestärkt werde. Bei einem Treffen mit Strafverfolgungs- und Antikorruptionsbeamten sagte er: "Wir alle teilen einen gemeinsamen Feind: die russischen Besatzer." Selenskyj unterstrich: "Um den ukrainischen Staat zu verteidigen, braucht es ein ausreichend starkes Strafverfolgungssystem."
Die beiden betroffenen Antikorruptionsbehörden NABU und SAP wiederholten nach einem Treffen mit Selenskyj ihre Kritik an dem Gesetz. Sie forderten die Wiederherstellung ihrer Unabhängigkeit. Während nach Darstellung der Regierung in Kiew die Antikorruptionsbehörden durch das Gesetz besser arbeiten können, sagen Kritiker, dass dadurch Selenskyjs Macht wachse.
Nach dem prowestlichen Umsturz in der Ukraine 2014 wurde mit Hilfe der USA und der EU ein System von Organen geschaffen, das vor allem die Korruption bei hochrangigen Politikern und in der Verwaltung bekämpfen sollte. Das osteuropäische Land gehört der Nichtregierungsorganisation Transparency International zufolge dennoch zu den korruptesten Staaten Europas - die Ukraine findet sich im Korruptionswahrnehmungsindex der Organisation auf Platz 105 von 180 Ländern.
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