Mit einem Migrationsgipfel werben sechs europäische Staaten für eine deutlich härtere Asylpolitik. Als Kulisse dient die Zugspitze. Selbst der polnische Vertreter hält sich mit Kritik an den deutschen Grenzkontrollen zurück.

Politik braucht starke Bilder - das weiß man insbesondere bei der CSU. Den Kampf um solche Bilder hat Bundesinnenminister Alexander Dobrindt gewonnen, als er am Vormittag mit fünf europäischen Kollegen und EU-Innenkommissar Magnus Brunner oben auf der Zugspitze die Gondel verlässt. Traumwetter am höchsten Gipfel Deutschlands. Dazu zahlreiche Touristen, die sich schon um 11 Uhr ein Gipfelbier gönnen.

So viel Idylle hätte sich auch Ministerpräsident Markus Söder gewünscht, als er am Dienstag Bundeskanzler Friedrich Merz und das bayerische Kabinett zur gemeinsamen Sitzung auf die Zugspitze lotste. Statt Gipfelkreuz und Fernsicht gab's für Söder und Merz Nieselregen, graue Wolken und die Frage, ob das den ganzen Aufwand wert war. Beim zweiten Zugspitzengipfel binnen vier Tagen stellt diese Frage keiner.

Dobrindt empfängt seine Gäste am Morgen an der Talstation mit einem alpenländischen Trio aus Gitarre, Ziehharmonika und Tuba. Das muss wohl sein - bei Söder gab es Gebirgsschützen, einen Stamperl Schnaps und Schuhplattler. Kurz wirkt es, als fühle sich der dänische Innenminister Kaare Dybvad Bek unbehaglich, was offenbar an der Seilbahn mit dem Glasfenster im Boden liegt. Als er dann oben ist, strahlt auch er. Dem bayerischen Panorama kann sich einfach niemand entziehen.

Vor lauter Journalisten und Ministern ist einem Urlauber aus Mönchengladbach zwar der Ausblick auf den Großglockner drüben in Österreich versperrt. Aber das nimmt er hin: "Gibt so viele schlechte Nachrichten, da sind schöne Bilder ja schon ok", meint er gelassen. Bestens gelaunt stehen die Politiker derweil im strahlenden Sonnenschein, bevor sie sich zum Arbeitsessen zurückziehen.

Noch mehr gute Bilder

Für Dobrindt ist es bereits die zweite Lieferung starker Bilder. Gut zwei Stunden zuvor war vom Flughafen Leipzig ein Abschiebeflug nach Afghanistan gestartet, an Bord 81 "schwerste Straftäter", wie der Innenminister sagt. Es ist der erste Abschiebeflug in der Verantwortung der neuen Bundesregierung, und natürlich ist auch dies für Dobrindt ein Signal: "Es gibt kein Recht für schwere Straftäter, in unserem Land zu bleiben."

Nach dem ersten Abschiebeflug im vergangenen August hatte Dobrindt, damals noch als Oppositionspolitiker, gefordert, "dass nächste Woche der nächste Abschiebeflug nach Afghanistan stattfindet". Als Minister weiß er, wie komplex solche Aktionen sind. Über mehrere Wochen sei der Flug geplant worden, ermöglicht auch durch die Unterstützung von Ländern wie Katar. Künftig soll es auch ohne "strategische Partner" gehen, also im direkten Gespräch mit den Taliban, wie auch Bundeskanzler Merz bei seiner Sommerpressekonferenz ankündigt. Abschiebungen nach Syrien soll es in Zukunft ebenfalls geben.

Dobrindt will Asylpolitik "härten und schärfen"

Vom österreichischen Innenminister Gerhard Karner erhält Dobrindt dafür ein ausdrückliches Lob; Österreich hat bereits nach Syrien abgeschoben. Europa werde "endlich härter in Fragen der Asylpolitik", so Karner. Gemeinsam wolle man "ein sichtbares Signal der Einigkeit, der Entschlossenheit und des gemeinsamen Engagements" aussenden, sagt Dobrindt nach der mehrstündigen Sitzung der Runde. Der CSU-Politiker will zeigen, "dass Deutschland nicht mehr im Bremserhäuschen sitzt, sondern in der Lokomotive mit dabei ist".

Die gemeinsame Erklärung des "Zugspitz Summit Migration", wie der Gipfel offiziell heißt, enthält fünf Forderungen, die alle auf eines hinauslaufen: Das europäische Migrationssystem soll "gehärtet und geschärft" werden, wie Dobrindt es formuliert. Besonders würdigt er das polnische "Engagement" an der Grenze zu Belarus. Als einziges der auf der Zugspitze vertretenen Länder hat Polen eine europäische Außengrenze.

Selbst der polnische Minister zeigt sich zufrieden

Zugleich wollen sowohl Dobrindt als auch sein polnischer Kollege Tomasz Siemoniak Verbundenheit zeigen, trotz der Differenzen um die verstärkten deutschen Grenzkontrollen. Die und vor allem die Zurückweisung von Asylbewerbern haben der polnischen Regierung gar nicht gefallen. Sie hat darauf mit Gegenkontrollen reagiert, die den Grenzverkehr noch zusätzlich belasten.

Von diesem Streit ist auf der Zugspitze allenfalls in homöopathischen Dosen die Rede. Siemoniak dankt Dobrindt ausdrücklich für das Verständnis, "dass alles, was wir tun, der Bekämpfung der Migration dient", auch wenn klar ist, dass das für die polnischen Gegenkontrollen nicht wirklich gelten kann. Und Siemoniak zeigt sich "sehr zufrieden", dass die Bundesregierung und Dobrindt verstehen, "dass es nicht sein kann, dass das Migrationsproblem auf Kosten eines anderen Mitgliedstaates gelöst wird".

Siemoniak verweist darauf, dass es eine neue Fluchtroute über Belarus in die baltischen Staaten gebe, von dort aus nach Polen und weiter nach Deutschland. Er habe daher "großes Verständnis" für die Grenzkontrollen in Polen, sagt nun seinerseits Dobrindt. "Wir wissen, dass Russland die Migrationspolitik als Waffe einsetzt", betont der tschechische Innenminister Vít Rakušan. "Russland sät Angst."

Fast alle Innenminister weisen darauf hin, dass es nicht nur um eine "drastische" Reduzierung der Migration geht, wie der Franzose Bruno Retailleau ausdrückt, sondern auch darum, Handlungsfähigkeit zu demonstrieren. Am deutlichsten sagt es der Tscheche Rakušan: "Gegen uns stehen Populisten, Extremisten, gegen uns stehen die, die sich nicht vorstellen können, dass Europa weiter eine liberale Demokratie ist."

Am Montag an die Außengrenze

Das Bild der Einigkeit bei der gemeinsamen Pressekonferenz wird nur von ein paar Wolken getrübt. Während die Minister sprechen, ist das Gipfelkreuz im Hintergrund zeitweise kaum zu sehen. "Vor ein paar Stunden konnten wir noch die tolle Aussicht ins Tal genießen, aber das war nicht der Grund dieses Treffens", sagt Rakušan. Retailleau betont, es komme schon mal vor, dass man nach internationalen Konferenzen denke, sie seien nicht wirklich nützlich gewesen. Hier sei das anders: "Das war wirklich eine hervorragende Sitzung." Das Treffen sei zwar eine deutsch-französische Initiative gewesen, "aber die gesamte Arbeit ist von meinem Freund Alexander gemacht worden", merkt er zudem an.

Die konkreten Ziele kann Retailleau mit seinem Lob nicht meinen, die sind nicht neu. In der Abschlusserklärung fordern die Minister etwa, die Maßnahmen gegen Schleuser zu verschärfen, Abschiebungen zu verstärken und die Außengrenzen stärker abzuriegeln. Auch er meint das Signal: Dobrindt und seine Kollegen wollen das ab Juni 2026 in der EU geltende Gemeinsame Europäische Asylsystem, kurz GEAS, nachschärfen. "Dazu gehört auch die Möglichkeit der Einrichtung von Rückführungszentren in Drittstaaten", wie es in der Gipfelerklärung heißt. Letztlich geht es darum, den Druck auf die EU zu erhöhen.

Der polnische Innenminister Siemoniak kündigt an, er werde am Montag mit Dobrindt an die Grenze zu Belarus fahren. Dort wird der deutsche Minister seinem polnischen Kollegen vermutlich noch einmal, wie bereits heute, für die "enormen Leistungen" seines Landes an der europäischen Außengrenze danken. Und natürlich wird es dann auch neue Bilder geben.

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