Nach der am Streit um Frauke Brosius-Gersdorf gescheiterten Wahl von drei neuen Bundesverfassungsrichtern wollen die Grünen eine Sondersitzung noch während der parlamentarischen Sommerpause. Union und SPD können sich zwar auf wenig einigen, das aber lehnen sie ab.

Die Koalitionsfraktionen von Union und SPD halten eine Sondersitzung des Bundestags zur Wahl neuer Verfassungsrichter für unnötig. Man sehe "aktuell keine Dringlichkeit" dafür, erklären die beiden Parlamentarischen Geschäftsführer von Union und SPD, Steffen Bilger (CDU) und Dirk Wiese (SPD), in einem Schreiben an die Grünen-Fraktionschefinnen Britta Haßelmann und Katharina Dröge. Das Schreiben liegt ntv vor. Die Nachrichtenagentur dpa hatte zuerst berichtet.

Die Grünen hatten noch für die laufende Woche einen erneuten Wahl-Anlauf im Bundestag gefordert. Dafür hätten die Abgeordneten sich in der Sommerpause zu einer Sondersitzung zusammenfinden müssen. Auch die Linke hatte den Vorstoß mit dem Verweis auf dadurch entstehende Kosten abgelehnt. Die Wahl dreier neuer Verfassungsrichter war am Freitag in letzter Minute abgesagt worden, weil es Widerstand in der Union gegen die von der SPD nominierte Juristin Frauke Brosius-Gersdorf gab.

Bilger und Wiese betonen in ihrem Schreiben, dass Union, SPD und Grüne "das Ziel einer zeitnahen Neubesetzung der drei Richterstellen eint". Das Bundesverfassungsgericht sei derzeit aber voll arbeitsfähig, Grund zur Eile gibt es demnach nicht. "Wir wollen uns jetzt als Koalition die erforderliche Zeit nehmen, einen neuerlichen Anlauf für die Wahlen im Plenum sorgfältig vorzubereiten und dann mit Ihnen erneut ins Gespräch kommen."

Zerfahrene Gesamtlage

Acht der 16 Bundesverfassungsrichter werden vom Bundestag mit einer Zweidrittelmehrheit gewählt. Weil die anderen Parteien nicht von der AfD abhängig sein wollen, müssen sich Union, SPD und Grüne miteinander verständigen, um die Zweidrittelmehrheit zustande zu bringen. Der Prozess aber ist blockiert. Während Grüne und SPD an Brosius-Gersdorf festhalten, gibt es keinerlei Stimmen aus CDU und CSU, die für ein Umdenken in der Union werben. Auch nicht von Unionsfraktionschef Jens Spahn oder dem CDU-Vorsitzenden, Bundeskanzler Friedrich Merz.

Allerdings ist der von der Union nominierte Richterkandidat Günther Spinner auch noch nicht sicher durch. Eine verbindliche Zusage der Linksfraktion, Spinner mitzuwählen, gibt es nicht. Die Linke pocht auf direkte Gespräche mit der Union, welche diese bisher verweigert. Zudem will die Linke das Vorschlagsrecht für einen der acht vom Bundestag zu wählenden Richterkandidaten, das bisher bei der FDP lag. Diese gehört dem Bundestag in der neuen Legislaturperiode nicht mehr an.

SPD erwartet direkten Austausch

Während Union und SPD sich beim Streit um Brosius-Gersdorf ineinander verhakt haben, scheint zumindest die am Sonntag von Bundeskanzler Merz vorgegebene Linie von beiden Seiten mitgetragen zu werden, wonach der Streit in Ruhe beigelegt werden soll. Eine Richterwahl wird demnach nicht vor September erneut angesetzt, wenn der Bundestag wieder zu Plenarsitzungen zusammenkommt. Bis dahin arbeiten nur einzelne Ausschüsse, während die Abgeordneten ihre Wahlkreisarbeit machen und Zeit für Urlaub bekommen.

Brosius-Gersdorf hatte sich in einem viel beachteten Interview mit ZDF-Moderator Markus Lanz am Dienstagabend ausführlich zu den Vorwürfen gegen ihre Person geäußert. Im Nachgang erklärte SPD-Fraktionschef Matthias Miersch, es bestehe "kein Zweifel" an der Eignung der Potsdamer Jura-Professorin für einen Posten in Karlsruhe. "Ich gehe davon aus, dass die Unionsführung jetzt den persönlichen Austausch mit Frau Prof. Dr. Brosius-Gersdorf suchen wird. Ich bin zuversichtlich, dass wir dann unsere aktuellen Differenzen überwinden."

Dass ein solches Gespräch tatsächlich noch zustande kommt, darauf gab es auch am Donnerstag keine Hinweise. CDU-Chef Merz wird dazu womöglich mehr sagen können, wenn er sich am Freitag in der traditionellen Sommerpressekonferenz des Bundeskanzlers der Berliner Hauptstadtpresse stellt.

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