In seiner Predigt hatte Herwig Gössl die Nominierung der Juristin Frauke Brosius-Gersdorf für das Bundesverfassungsgericht einen „innenpolitischen Skandal“ genannt. Nun rudert der Bamberger Erzbischof zurück. Gössl und Brosius-Gersdorf haben zuvor miteinander telefoniert. Das Gespräch sei „von gegenseitigem Respekt geprägt“ gewesen, teilte das Erzbistum am Donnerstag mit.

Gössl habe dabei eingeräumt, über die Position der Juristin zum Thema Lebensschutz falsch informiert gewesen zu sein. Am Sonntag hatte er in einer Predigt gesagt, Brosius-Gersdorf bestreite angeblich das Lebensrecht ungeborener Menschen. Das bedaure er nachdrücklich.

Brosius-Gersdorf, von der SPD als Bundesverfassungsrichterin vorgeschlagen, sagte laut Mitteilung, dass sie sich immer schon für den Schutz des ungeborenen Lebens eingesetzt habe und das auch heute tue. Gössl hält laut Mitteilung des Erzbistums weiterhin daran fest, dass es keinen abgestuften Lebensschutz geben könne.

Katholische Kirche uneins in Brosius-Gersdorf-Debatte

Innerhalb der katholischen Kirche gibt es weiter Streit über die Positionierung zur gescheiterten Wahl von Brosius-Gersdorf. Die Laienbewegung Maria 2.0 warf konservativen Bischöfen Verantwortungslosigkeit und Unglaubwürdigkeit vor. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, warnte hingegen vor einem Kulturkampf.

Die Richterwahl war in der vergangenen Woche vom Bundestag wegen der koalitionsinternen Querelen über die Staatsrechtlerin kurzfristig vertagt worden. Der von der SPD als Bundesverfassungsrichterin vorgeschlagene Juristin Brosius-Gersdorf war unter anderem vorgeworfen worden, sie befürworte die Möglichkeit von Abtreibungen bis zur Geburt. In einer Expertenanhörung im Bundestag im Februar 2025 hatte sie sich allerdings lediglich zur Möglichkeit einer Regelung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafrechts bis zur zwölften Woche nach der Empfängnis geäußert.

Die Laiengruppierung Maria 2.0 bezog sich auf eine gemeinsame Stellungnahme der Bischöfe von Passau und Regensburg, Stefan Oster und Rudolf Voderholzer. Am 9. Juli hatten sie gemeinsam erklärt, niemandem dürfe die Auslegung des Grundgesetzes anvertraut werden, der oder die „die Ansicht vertritt, dass der Embryo oder der Fötus im Mutterleib noch keine Würde und nur ein geringeres Lebensrecht habe als der Mensch nach der Geburt“.

Maria 2.0 bezeichnete es als das gute Recht der Kirchen, in bioethischen Fragen wie dem Lebensschutz eine klare Position zu haben. „Wer jedoch in politische Entscheidungsprozesse eingreift, ohne die Faktenlage zu prüfen, gefährdet nicht nur den konstruktiven Dialog, sondern auch die Glaubwürdigkeit eigener moralischer Ansprüche“, heißt es in der Mitteilung der Laienbewegung.

Der Limburger Bischof Bätzing verteidigte Brosius-Gersdorf. „Diese Frau hat es nicht verdient, so beschädigt zu werden“, sagte er. Auf die Frage, ob Vertreter der Kirche die Diskussionen um die Besetzung der Richterposten angeheizt haben, sagte er: „In dieser gesamten Debatte ist viel schiefgelaufen.“ Viele Personen, die mit der Richterinnenwahl befasst sind, seien dadurch beschädigt worden. „Es ist kein Thema für einen Kulturkampf. Wir können diesen Kulturkampf nicht gebrauchen. Es gibt zu viele Profiteure davon.“

Der Ethiker Dabrock sagte am Donnerstag im Deutschlandfunk, bei Fragen von Schwangerschaftskonflikten gehe es um „höchst komplexe Debatten“. Brosius-Gersdorf habe auf diese Komplexität hingewiesen und vertrete eine Position, „die im Übrigen ich persönlich nicht teile, die aber im Diskurs eine normale Position ist“. Dass jemand mit so einer Haltung nun „so diskreditiert ist, das ist eigentlich das Problem“, urteilte Dabrock. Die Zurückhaltung von prominenten Vertreterinnen und Vertretern der Evangelischen Kirche in Deutschland in der Debatte nannte der frühere Ethikratsvorsitzende schade.

Die SPD-Parlamentarier Helge Lindh und Sebastian Roloff richteten im „Spiegel“ (Donnerstag online) Vorwürfe an die Union. Der Fall Brosius-Gersdorf sei ein Beispiel für „selektiven Umgang mit kirchlicher Einmischung im politischen Raum“, sagte Lindh. Noch im Frühjahr habe sich Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) gegen Kritik der Kirchen an der Migrationspolitik der Union verwahrt, nun beriefen sich viele in der Union gern auf kirchliche Einlassungen. Auch Roloff kritisierte, beim Thema Migration verbitte sich die Union die Meinung der Kirchen, wolle aber auf einmal die eigene Politik daran ausrichten, „wo es manchen in die Agenda passt“.

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